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Europäische VerteidigungspolitikZahnlose Tiger in Brüssel

EU-Verteidigunspolitiker:innen in Kommission und Parlament werben für eine Aufrüstung Europas. Finanziell stehen sie jedoch mit leeren Händen da.

aha: nicht as long as it takes, sondern as much as is needed Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Brüssel taz | Nach einem Verteidigungskommissar bekommt die EU nun auch einen parlamentarischen Verteidigungsausschuss. Dies hat das Europaparlament am Mittwoch in Straßburg beschlossen. Geführt wird der Ausschuss wie erwartet von der deutschen FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie wird allerdings nicht so mächtig sein wie zuvor im Bundestag.

Im Gegensatz zu Deutschland hat die EU keine Armee. Brüssel hat auch keine eigenen Kompetenzen in der Verteidigungspolitik; zuständig sind die Mitgliedstaaten. Insbesondere das Europaparlament spielt in der Außen- und Sicherheitspolitik nur eine Nebenrolle; die Beschlüsse der Abgeordneten sind nicht bindend.

Viele Forderungen, wenig Geld

Dies will Strack-Zimmermann nun ändern. Als politischen Hebel nutzt sie den Krieg in der Ukraine: „Parlament und Ausschuss werden die Ukraine vollumfänglich unterstützen – nicht as long as it takes, sondern as much as is needed“, erklärte sie. Doch damit geht die resolute Liberale weit über die aktuelle Beschlusslage hinaus. In Brüssel kann sie nicht einmal über Waffenlieferungen mitentscheiden – das ist ebenfalls Sache der EU-Staaten.

Auch dem neuen Verteidigungskommissar Andrius Kubilius sind die Hände gebunden. Angesichts der komplizierten Gemengelage will sich Kubilius auf Rüstungsbeschaffung und Raumfahrt konzentrieren. Bisher ist aber nicht klar, ob er dafür über ein vernünftiges Budget verfügen wird. Nötig wären 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren, rechnet Kubilius vor. Im EU-Budget sind gerade einmal 1,5 Milliarden Euro für den neuen Rüstungsfonds EDIP vorgesehen – und selbst dieses Geld ist heftig umstritten.

Aufrüstung durch Eurobonds?

Der konservative Litauer hat sich 100 Tage Zeit gegeben, um ein Weißbuch zur Schaffung einer „echten Europäischen Verteidigungsunion“ vorzulegen, wie er bei seiner parlamentarischen Anhörung erklärte. Strack-Zimmermann will ihn dabei mit eigenen Forderungen unterstützen. „Wir wollen auch haushälterisch Druck ausüben“, sagte sie.

Eine derzeit viel diskutierte Möglichkeit wäre, Eurobonds aufzulegen – also neue europäische Schuldtitel, mit denen die Aufrüstung der EU finanziert werden könnte. Allerdings sind ausgerechnet Strack-Zimmermanns eigene Parteifreunde dagegen. Neue EU-Schulden seien mit ihm nicht zu machen, betont Ex-Finanzminister Christian Lindner. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz kann sich dafür nicht begeistern. Die neuen EU-Verteidigungspolitiker verlangen viel – doch sie stehen mit leeren Händen da.

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5 Kommentare

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  • Das Problem ist weniger Geld als Wehrhaftigkeit. Wenn es nicht einmal für die Wehrpflicht reicht, nützen mehr Waffen auch nichts. Assads Truppen waren besser ausgerüstet als HTS.



    Die afghanische Armee war weitaus besser ausgerüstet als die Taliban. Putin betrachtet uns als dekadentes "Gayropa". Das weckt Begehrlichkeiten.

  • „Parlament und Ausschuss werden die Ukraine vollumfänglich unterstützen – nicht as long as it takes, sondern as much as is needed“

    Wenn die ukrainischen Soldaten mit den großmäuligen Sprüchen von Frau S-Z schießen könnten, ständen die russischen Truppen nicht vor Pokrowsk.

    Aber im Sprüche klopfen und Parolen ausgeben ist sie echt gut...

  • Letztendlich sprechen weniger rationale Argumente gegen eine große Aufrüstung. Folglich wird auch nur soviel investiert werden wie laut NATO Vorgaben "notwendig" ist.



    Wenig spricht dafür, dass Russland sich eine militärischen Angriff auf einen Nato-Staat trauen würde. Da reicht alleine schon die nukleare Abschreckung durch Frankreich und UK.



    Die einzige Gefahr besteht, wenn Russland wirklich glaubt, dass das Baltikum nicht verteidigen werden würde. Da würde aber auch keine konventionelle Aufrüstung helfen.



    Vielleicht sollte einige Politiker eher die Stärken von Europa und NATO betonen, anstatt künstlich kleinzureden. Vielleicht glaubt sonst Putin irgendwann wirklich das narrativ von Zimmermann und Co.



    Anstatt Politiker wie Strack-Zimmermann oder Weidel (um extreme zu nennen) bräuchten wir mehr Politiker, die weniger mit der Angst von den Bürgern spielen.

    • @Alexander Schulz:

      Sie spielen mit der Angst des Bürgers. Putin muss gar nicht gegen die Nato kämpfen, wenn seine atomare Drohung, die von Leuten wie Ihnen verstärkt wird, einzelne Staaten aus der Nato herausbrechen kann.

  • Verteidigungskommissar und Verteidigungsausschuss sind ohne Änderung der EU-Verträge nichts anderes als vertragswidrige Selbstermächtigungen. Die Verteidigung ist Angelegenheit der Mitglieder, nicht der EU.