Euphorie um britische Tennisspielerin: Zugewanderter Erfolg
US-Open-Siegerin Emma Raducanu wird in England gefeiert. Ihr Coup ist auch ein Triumph über rechte Borniertheit.
Emma Raducanu, ist die neue Sportheldin des Vereinigten Königreichs. Die 18-Jährige stammt aus dem Südlondoner Stadtteil Bromley, wo sie im Juni noch ihr Abitur mit Bestnoten bestand. Letzten Samstag nun hat Raducanu den ersten Grand-Slam-Titel für Großbritannien seit 1977 geholt. Dieser historische Erfolg brachte ihr Glückwünsche von der Queen und dem britischen Premierminister ein.
Doch auch in China und Rumänien wurde Raducanu gefeiert. Sie sei ein „echtes Dongbei Mädl“ konnte man auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo lesen und Raducanu dann vor laufender Kamera ihren Fans in fließendem Mandarin danken hören. Aber vor allen die eine Millionen Exilrumän*innen im Vereinigten Königreich bemerkten mit großem Stolz, dass die Farben ihres Outfits im Siegesmatch, jene der rumänischen Nationalfahne entsprachen – eine Hommage an ihren rumänischen Vater und ihre Oma.
Die 2002 in Toronto geborene Tennisspielerin ist das einzige Kind der aus Shenyang stammenden Mutter Renee und des aus Bukarest kommenden Vaters Ian Raducanu. Beide sind im Finanzsektor tätig. Mit ihrer zweijährigen Tochter zogen sie 2004 nach London, weswegen Emma, neben der kanadischen Staatsbürgerschaft, auch die britische besitzt.
Von Beginn an spielte der Sport in der Erziehung eine große Rolle. Emma interessierte sich dabei nicht nur für Tennis, das sie erstmals im Alter von fünf Jahren spielte, sondern auch für Motocross-Motorräder, Kartsport, Golf, Basketball, Skifahren, Reiten, Stepptanz und Ballett. Bis heute ist sie ein Fan von Formel-1-Rennen. Beide Eltern hätten sie so hart zum Erfolg gedrillt, dass sie heute bei Turnieren wie den US Open keinen Druck spüre, sagte sie nach ihrem Sieg in New York.
Kritik wegen Spielaufgabe
Im Alter von 15 Jahren gewann Raducanu zum ersten Mal ein britisches Juniorturnier. Im Juni 2021 hatte sie in Wimbledon ihren ersten Auftritt auf ganz großer Bühne. Als jüngste britische Spielerin aller Zeiten schaffte sie es dort bis ins Achtelfinale. Das war schon damals ein bemerkenswerter Erfolg. Als Nummer 338 der Weltrangliste konnte sie damals nur dank einer Wildcard starten. In die Schlagzeilen geriet sie dann jedoch, weil sie wegen Atembeschwerden die Partie aufgeben musste.
Prompt sah sie sich mit Kritik konfrontiert. Der stets zynische Fernsehmoderator Piers Morgan urteilte damals, sie sei nicht stark genug und könne nicht mit dem Druck umgehen. Dave Cooke der Manager des Londoner Vereins, in dem Raducanu bis zum 16. Lebensjahr trainierte, warnte in den britischen Medien vor zu hohen Erwartungen von Eltern und jungen Nachwuchsspieler*innen, dem Beispiel von Raducanu einfach so folgen zu können. Raducanus Eltern hätten zehntausende Pfund pro Jahr für Trainingsstunden, Ausstattung und Reisen investiert.
Beim Coaching schien ihr Vater zudem mit großem Aufwand eine besondere Methode zu verfolgen. Laut dem ehemaligen Tennisspieler und heutigen Moderator Mark Petchey hatte er eine große Zahl von Trainern über die Jahre rekrutiert, nur um von ihnen das jeweils Beste zu lernen und sie dann wieder freundlichst zu entlassen.
Ein Sieg auf allen Ebenen
Raducanus Erfolg ist auch ein Triumph über die xenophobe Borniertheit von britischen Rechtspopulisten wie Nigel Farage. Dieser hatte 2014, zwei Jahre vor dem Brexitreferendum in Gauland-Manier gegen rumänische Einwanderer gehetzt, neben denen niemand leben wolle. Als Raducanu die US Open gewonnen hatte, beeilte er sich, genauso wie Piers Morgan Raducanu zu gratulieren. Beide ernteten daraufhin einen Shitstorm in den sozialen Medien.
Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan wollte in Raducanu ein Symbol der Diversität in der Londoner Bevölkerung erkennen, während die britische Journalistin Libby Pervis betonte, dass Raducanu das Vorurteil der schwachen jungen Frau ein für alle Mal begrabe.
Das ist eine vermutlich recht optimistische Einschätzung. Man wird sehen, wie rechtspopulistische Kreise reagieren, wenn Emma Raducanu den steigenden Erwartungen an sie mal nicht gerecht werden kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern