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EuGH zu ÜberwachungskamerasDatenschutz gilt auch für Privatleute

Eine Kamera darf nicht ohne Weiteres auf dem eigenen Grundstück genutzt werden. Zumindest nicht, wenn sie über dieses hinausfilmt, befindet das EuGH.

Muss mit den EU-Datenschutz-Richtlinien übereinstimmen: die Überwachung Bild: dpa

LUXEMBURG dpa | Auch Privatleute müssen den EU-Datenschutz beachten, wenn sie aus Furcht vor Kriminellen ihr Haus per Kamera überwachen. Sobald öffentlicher Grund wie etwa der Gehweg oder die Straße gefilmt werden, gelten strikte Vorschriften. Dies entschied am Donnerstag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.

Auch in Deutschland betreiben immer mehr Hausbesitzer eigene Kameras, um Verbrecher abzuschrecken oder überführen zu können. Insgesamt gibt es nach Expertenschätzung in der Bundesrepublik bis zu eine Million Überwachungskameras.

Die EuGH-Richter befassten sich mit einem Fall aus Tschechien. Dort hatte ein Mann nach mehreren Angriffen auf sein Haus seinen Eingang, die Straße davor und den Eingang des gegenüberliegenden Hauses gefilmt. Bei der nächsten Attacke erfasste er so tatsächlich zwei Verdächtige, die laut Video bei ihm eine Scheibe zerschossen.

Einer der Gefilmten zweifelte jedoch die Rechtmäßigkeit der Überwachung der Straße vor dem Wohnhaus an. Tschechische Datenschützer gaben ihm Recht und verhängten gegen den Betreiber der Kamera ein Bußgeld. Der zog dagegen vor Gericht.

Öffentlicher Raum ist kein Eigentum

Konkret ging es vor dem EuGH um die Frage, ob der Mann sich beim Schutz seines Eigentums und seiner Gesundheit auf eine Ausnahme in der EU-Datenschutzrichtlinie für „ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeiten“ berufen kann. Die Richter sagten „nein“: Diese Ausnahme sei „eng auszulegen“ und gelte nicht, wenn öffentlicher Raum gefilmt werde.

Damit greift grundsätzlich der europäische Datenschutz, und das heißt: Es müssen viele Regeln beachtet werden. Grundsätzlich ist die „Verarbeitung personenbezogener Daten“ nur erlaubt, „wenn die betroffene Person ihre Einwilligung gegeben hat“, wie das Gericht unterstreicht. Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild falle darunter.

„Orientierungshilfe“ für private Überwachung

Allerdings, auch darauf weist der EuGH hin, gibt es Ausnahmen: Die Datenverarbeitung dürfe, „dann ohne die Einwilligung der betroffenen Person erfolgen, wenn sie zur Verwirklichung des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen erforderlich ist“. Um Erlaubnis fragen muss man dem Richterspruch zufolge auch nicht, wenn dies „unmöglich ist oder unverhältnismäßigen Aufwand erfordert“. Und die EU-Mitgliedstaaten dürften eigene Regeln erlassen, wenn es um die Verhütung oder Aufklärung von Straftaten gehe.

In Deutschland gilt das Bundesdatenschutzgesetz, das die EU-Richtlinie von 1995 ausgestaltet. Die Grundsätze sind die gleichen. Die deutschen Datenschutzbeauftragten haben eine „Orientierungshilfe“ veröffentlicht, die genau auflistet, was Hausbesitzer alles beachten müssen, bevor sie eine Kamera anschrauben.

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6 Kommentare

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  • Ist in Hamburg schon seit Jahren gängige Rechtssprechung.

  • Ich denke, so allmählich verheddern wir alle uns hoffnungslos in der weltfremden Auslegung von Rechten und Verboten.

     

    Muss ich nun schon Diebe und Kleinkriminelle um Erlaubnis bitten, sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit von meiner Kamera ablichten lassen zu dürfen? Andere Passanten interessieren doch überhaupt nicht. Was für eine Phantasie geht hier eigentlich durch in den Oberstübchen der "Recht und Gesetz-Auslegenden zum Schutz der Bürger"?

     

    Bürger werden hier ganz sicher nicht geschützt. Doch es nutzt ganz sicher denen, die eher die Dunkelheit und das Nichtgesehenwerden benötigen.

     

    Soll das ein Witz sein?

     

    Ich frage mich auch, wie man als Privatperson sein Eigentum schützen kann, wenn nicht einmal Teile des öffentlichen Raumes mit erfasst sein dürfen. Dass der Nachbareingang mich nichts angeht mag ja noch hinnehmbar sein. Welcher Vorgarten ist so groß, dass bspw. die Weite normal menschlicher Handwurfgeschosse das Haus nicht mehr erreichen? Da kann jeder Übeltäter lachend von der Straße aus alles Mögliche auf ein Haus werfen - wohlwissend, dass ihn ja keine Kamera erfassen darf. Was für ein Witz!!

    • @anyhow:

      Sie haben das Urteil nicht verstanden. Es geht um den Raum außerhalb ihres Grundstücks.

       

      Sie haben weder das Recht eine Videokamera auf Nachbars Schlafzimmer zu richten noch hat irgendjemand das Recht eine Kamera vor ihrer Gartenpforte zu positionieren um sein Dreirad (links unten) dauerhaft zu filmen.

      • @Arcy Shtoink:

        Sie haben möglicherweise den letzten Absatz meines Kommentars nicht gelesen!

  • "Öffentlicher Raum ist kein Eigentum" wenn das so ist, dürfte niemand mehr mit seinem auto nachts (mangels eigener garage) auf öffentlichem raum parken.

    • @p.g.:

      Durch das Parken wird doch der Parkplatz nicht zum Eigentum des Parkers.

      Kleiner Tip: Erkundigen Sie sich mal nach den Unterschieden zwischen Eigentum, Besitz und Nutzungsüberlassung.