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EuGH-Generalanwalt zu Abgasskandal„Thermofenster“ wohl unzulässig

Der EuGH-Generalanwalt hält temperaturbedingte Einschränkungen der Abgasreinigung von Autos für illegal. Das Gericht dürfte ihm folgen.

Schnee auf VW-Symbol Foto: Mario Hösel/mhphoto/imago

Freiburg taz | Wenn die Abgasreinigung von Diesel-PKW nur bei bestimmten Temperaturen richtig funktioniert, verstößt dies grundsätzlich gegen EU-Recht. Solche „Thermofenster“, die viele PKW-Hersteller einsetzen, seien im Prinzip illegal, erklärte jetzt Generalanwalt Athanasios Rantos in einem Gutachten für den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Konkret ging es um drei VW-Fahrzeuge aus Österreich. Nach Ansicht der Eigentümer sind sie mangelhaft, weil der Hersteller die Wirkung der Abgasreinigung mit Hilfe einer Thermofenster-Software reduziert.

In einem Fall hatte der Eigentümer einen VW Touran im Jahr 2013 gekauft. Damals funktionierte die Abgasreinigung wegen der VW-Betrugssoftware fast nur auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb. 2015 flog der Betrug auf („Diesel-Skandal“) und das deutsche Kraftfahrbundesamt (KBA) ordnete eine Nachbesserung an. VW stattete die Diesel-PKW nun mit einer neuen Software aus, die aber dazu führt, dass die Abgasreinigung nur bei bestimmten Temperaturen richtig funktioniert. Das KBA in Flensburg hält dies für zulässig.

Nach Feststellung der österreichischen Gerichte funktioniert die Abgasreinigung bei den betroffenen VW-Diesel-PKW nur bei einer Temperatur von 15 bis 33 Grad Celsius. Jenseits dieses Fensters verliert die Reinigung im Verlauf von jeweils 10 Grad so stark an Wirkung, dass unter 5 Grad und über 43 Grad Celsius fast keine Reinigungsleistung mehr besteht. Bei den üblichen Temperaturen in Mitteleuropa funktioniert die Abgasreinigung bei VW-Diesel-PKW also nur selten vollwertig.

In Deutschland sind laut Umwelthilfe rund 10 Millionen Diesel-PKW betroffen

Der unabhängige Generalanwalt Rantos bereitet mit seinen Schlussanträgen das EuGH-Urteil vor.

Laut der EU-Verordnung von 2007 über die PKW-Typgenehmigung sind „Abschalteinrichtungen“, die die Wirkung der Abgasreinigung beeinträchtigen, unzulässig – es sei denn die Einschränkung ist „notwendig, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.“ Auf diese Ausnahmen berief sich VW.

Doch Generalanwalt Rantos wies diese Argumentation zurück. Es genüge nicht, dass VW das Abgasreinigungs-Ventil (AGR-Ventil) vor Verschmutzung und Beschädigung schützen wolle, denn das AGR-Ventil sei kein Teil des Motors. Auch die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors sei keine „Beschädigung“ im Sinne der EU-Verordnung. So etwas gehöre zum normalen Betrieb dazu.

Gelten lassen würde Rantos nur konkrete Gefahren, die entstehen, wenn sich eine Fehlfunktion des AGR-Ventils „abrupt“ auf den Betrieb des Motors selbst auswirkt und dies nicht durch regelmäßige Wartung verhindert werden kann. VW hatte angegeben, dass es zu Motor- und Fahrzeugbränden kommen könne, wenn die Abgasreinigung bei hohen oder niedrigen Temperaturen nicht reduziert und abgeschaltet wird. Auch ein Motorausfall bei einem Überholmanöver sei gefährlich.

Vermutlich wird der EuGH in einigen Wochen dem Generalanwalt folgen. Dann müsste das Kraftfahrbundesamt prüfen, ob sich die von VW behaupteten Probleme durch regelmäßige Wartung des AGR-Ventils verhindern lassen. Wenn ja, muss das KBA im nächsten Schritt von VW eine erneute Nachrüstung seiner Diesel-PKW verlangen, damit die Abgasreinigung künftig ständig voll funktioniert. Laut der Deutschen Umwelthilfe wären in Deutschland rund 10 Millionen Diesel-PKW betroffen.

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5 Kommentare

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  • Als ob das KBA das nicht alles schon längst wüsste.



    Aber dem KBA hat die Politik ja schöne Scheuklappen verordnet.

    Die der EuGH -so Gott will- jetzt geflissentlich entfernen wird....

  • Also, wenn Autos Umweltauflagen zum Gesundheitsschutz nur nachweisen können bei massivem Betrug, sollte man das doch als Indikator nehmen, dass die Autotechnik unter heutigen Anforderungen letztlich gar nicht praktikabel und funktionsfähig ist.

    Und wenn es nicht funktioniert - warum sollte man dann viel Federlesens machen, anstatt die sowieso nicht mehr zeitgemäße Technik ordentlich und mit möglichst geringem Geräusch abzuwickeln und weitestgehend durch einen funktionierenden ÖPNV zu ersetzen? Den wir ja eh brauchen, denn alles elektrisch zu machen ist zu ressourcenaufwendig, für viele nicht so reiche Leute zu teuer, und löst die vielen Probleme des motorisierten Individualverkehrs nicht.

  • Das war doch von vornherein klar. Der Sinn einer Norm ist, dass sie eingehalten wird. Wird sie mit Spitzfindigkeiten und Auslegung so ausgehöhlt, dass ihre Wirkung verpufft ist das nicht legitim und meistens nicht legal.



    Das KBA gehört in seiner jetzigen Form aufgelöst.

  • Ich glaube wenn die EU fertig ist, gibt es keine Autoindustrie mehr….

    • @Pilatus333:

      Sagte er & wusch seine Hände in Unschuld.

      unterm—— btw — servíce —



      “ Zu den Vorwürfen, die man ihm machte, gehörte unter anderem auch, er habe sich am Tempelschatz bereichert und auf Kosten der Staatskasse eine Wasserleitung in sein Haus legen lassen. Philon von Alexandria zählt folgende Anklagepunkte auf: Bestechungen, Beleidigungen, Raub, Gewalttätigkeit, Zügellosigkeit, wiederholte Hinrichtungen ohne juristisches Verfahren, konstante Ausübung von extrem leidvoller Grausamkeit.“ wiki

      Na Mahlzeit & bei Issos Keilerei - 🥳 - 🏔