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Eskalation in NahostIsrael muss Irans Volk schonen

Bisher hat Israel im Kampf gegen seine Feinde wenig Rücksicht aufs humanitäre Völkerrecht gezeigt. Im Iran wäre das ein strategischer Fehler.

Nobonyad-Platz, Teheran, Iran, 13. Juni: Menschen begutachten den Gebäudeschaden, der durch einen israelischen Luftschlag verursacht wurde Foto: Mjid Saeedi/getty images

Irans sogenannte Achse des Widerstands – das Netzwerk aus israelfeindlichen Milizen vom Jemen bis nach Gaza – wurde oft als eine Art Oktopus beschrieben. Demnach seien Hamas, Hisbollah und Huthi seine schlagkräftigen Tentakel. Der Kopf ist der Iran selbst: Seit ihrer Machtergreifung 1979 drohen das Mullah-Regime und sein militärischer Arm, die Revolutionsgarden, Israel auszulöschen. Und finanzieren zu diesem Zweck Terrorbanden in der gesamten Region.

Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober hat sich Israels Führung vor allem darauf konzentriert, die Tentakel abzuschlagen, mit allen verfügbaren Mitteln und ohne Rücksicht aufs humanitäre Völkerrecht: von gezielten Tötungen bis hin zu Flächenbombardements und dem Aushungern einer ganzen Bevölkerung in Gaza.

Mit welchem Ziel, das wurde selbst für Israels Verbündete zuletzt immer fragwürdiger. Wenn es Israel wirklich um Selbstverteidigung geht, dann ist der Schritt, die Islamische Republik anzugreifen, immerhin folgerichtig – und vielleicht sogar längst überfällig. Denn solange der Oktopus seinen Kopf behält, wachsen die Tentakel nach.

Iran ist der entscheidende Faktor für Israels Sicherheit und die Stabilität der ganzen Region. Mit einer anderen Führung könnte sich Iran vom bedrohlichsten Feind zum wichtigsten Verbündeten entwickeln. Benjamin Netanjahu weiß das und sehr wahrscheinlich spekuliert er auch darauf – das iranische Atomprogramm war für den Militärschlag gegen den Iran insofern nur ein willkommener Vorwand.

Iranische Atomanlagen

Natans: Natans steht im Zentrum des iranischen Anreicherungsprogramms. Auf einer Ebene mitten in den Bergen südlich von Teheran befinden sich die oberirdische Anlage PFEP und die unterirdische Anlage FEP. Wie viel Schaden israelische Luftangriffe an Letzterer anrichten könnten, ist unklar.

Fordo: Die Anreicherungsanlage ist in den Berg gegraben und daher wahrscheinlich besser vor Angriffen geschützt. Zentrifugen reichern hier Uran auf eine Reinheit von bis zu 60 Prozent an. Der damalige US-Präsident Barack Obama sagte 2009 über Fordo: „Größe und Konfiguration dieser Anlage sind mit einem friedlichen Programm unvereinbar.“

Isfahan: Am Stadtrand von Isfahan steht ein großes Zentrum für Nukleartechnologie. Es umfasst eine Anlage zur Herstellung von Brennelementen und eine Uranumwandlungsanlage, womöglich auch ein Lager für angereichertes Uran.

Chondab: Der Schwerwasserreaktor Chondab, früher Arak, wurde im Rahmen des Atomabkommens 2015 gestoppt, der Reaktorkern entfernt und mit Beton verfüllt. Nach Scheitern des Abkommens 2018 will Iran den Reaktor 2026 wieder in Betrieb nehmen. In Chondab könnte dann waffenfähiges Plutonium produziert werden.

Teheran: In der iranischen Hauptstadt Teheran stehen ein Forschungsreaktor sowie das Hauptquartier des militärischen Atomprojekts SPND im iranischen Verteidigungsministerium.

Buschehr: Buschehr ist das einzige noch in Betrieb befindliche Atomkraftwerk des Landes. Den russischen Brennstoff nimmt Russland nach Verbrauch zurück. (rtr, afp, taz)

Seit Jahren hat Israel diese Militäroperation vorbereitet: zuerst gezielte Luftschläge auf Irans Nuklearanlagen, dann auf die Privatwohnungen von mehreren hochrangigen Regime-Mitgliedern, darunter Hossein Salami, der Chef der iranischen Revolutionsgarden, und Mohammed Bagheri, Irans Armeechef. Jetzt, wo die Elite der Islamischen Republik dezimiert ist, folgen seit Samstag die nächsten Angriffe, diesmal auf die strategische Infrastruktur des Landes: Militärbasen, Gasanlagen, Ölraffinerien.

Netanjahu weiß aber auch, dass ein nachhaltiger Regimewechsel ohne die iranische Bevölkerung nicht gelingen wird. Am Samstag wandte er sich in einer Videoansprache deshalb direkt an das „stolze iranische Volk“: „Das ist eure Gelegenheit, um euch zu erheben und euren Stimmen Verhör zu verschaffen: Frauen, Leben, Freiheit. Unser Kampf gilt nicht euch, den tapferen Menschen Irans, die ich respektiere und bewundere. Unser Kampf gilt einem mörderischen Regime, das euch unterdrückt und verarmen lässt.“

Das klingt nicht nach den verdeckten Erpressungen, die Netanjahu im vergangenen Jahr an die libanesische Bevölkerung gerichtet hat („Sie haben die Möglichkeit, den Libanon zu retten, bevor er in den Abgrund eines langen Krieges stürzt“). Daneben hatte Natanjahu sich im vergangenen Jahr auch mehrmals an die iranische Bevölkerung gewendet, sprach von Freiheit und von der Vision einer gemeinsamen Zukunft: „Zwei alte Völker, das jüdische und das persische, werden endlich im Frieden sein. (…) Israel steht hinter euch.“

Tatsächlich ist die Haltung der Iraner gegenüber Israel ambivalent. Laut Einschätzungen von Experten wie Ali Fathollah-Nejad steht nur noch eine kleine Minderheit – etwa 15 Prozent der Bevölkerung – hinter dem Regime. Zwar hegen viele die Hoffnung auf einen Sturz der Mullahs, doch nur wenige wollen dafür einen großen Krieg in Kauf nehmen.

Die Freude über den Tod der eigenen Henker täuscht die demokratischen Gruppen der iranischen Opposition jedoch nicht darüber hinweg, dass militärische Mittel allein ihre Probleme nicht lösen werden. Im Gegenteil: Viele befürchten, dass das Regime jetzt noch brutaler gegen Dissidenten vorgehen wird. „Jedes Mal, wenn das Regime außenpolitisch unter Druck gerät, rächt es sich an der eigenen Bevölkerung“, sagt die deutsch-iranische Autorin Daniela Sepehri. Schon 2024 erreichte die Zahl der Todesstrafen im Iran ein Rekordhoch, fast tausend Menschen wurden hingerichtet.

Auch inwieweit das iranische Atomprogramm durch die Luftschläge effektiv gestoppt werden kann, ist fraglich, denn die meisten Anlagen liegen tief unter der Erdoberfläche.

Vor allem in Hinblick auf die Rolle Israels ist die Meinung gespalten: Nur eine Minderheit – insbesondere die Monarchisten, Anhänger des Sohnes des gestürzten Schahs Reza Pahlavi – bekunden offen ihre Sympathie für Israel. Sie gründet vor allem auf der Logik, wonach der Feind des Feindes zum Freund wird. Und auch auf der Hoffnung, im Falle eines Sturzes des Regimes mit Israels und Amerikas Gnaden ein künftiges Iran regieren zu dürfen.

Mit jedem zivilen Opfer dürfte die Abneigung gegenüber der israelischen Seite größer werden. Schon jetzt starben mehrere Zivilisten. Eine von ihnen war Parnia Abbasi, eine junge Dichterin, die sich zuvor öffentlich ohne obligatorisches Kopftuch gezeigt hatte – ein Akt des Protests gegen die klerikalen Machthaber. In den sozialen Medien kommentierten Nutzer: „Was unser Regime nicht geschafft hat, bringt Israel jetzt zu Ende.“ Ein Ausdruck des Gefühls, zwei Feinden gleichzeitig ausgesetzt zu sein.

Manche bekunden in den sozialen Medien Bewunderung für die Präzision der israelischen Luftschläge: „In meiner Nachbarschaft wurde die Wohnung eines Nuklearphysikers getroffen. Keine weiteren Häuser wurden beschädigt“, berichtet eine junge Frau aus Teheran.

Die Wut richtet sich vor allem gegen die eigenen Machthaber. Eine Vereinigung von Angehörigen getöteter Demonstranten schreibt: „Hol dich der Teufel, Islamische Republik! Du hast nichts als Tod und Zerstörung über uns gebracht!“ Und ein Nutzer auf Instagram schreibt: „Wir hatten genügend Zeit, unsere Probleme zu lösen. Wir haben es nicht getan.“

Doch dieser Tonfall kann sich schnell ändern. Die Iraner sind, wie der israelische Premier richtig feststellte, ein altes und stolzes Volk. Auch im Iran ist der Rally-around-the-Flag-Effekt also entsprechend stark: Steht das eigene Land unter Beschuss, überwiegt Patrio­tismus vor dem Wunsch nach Demokratie. „Ein heimischer Unterdrücker ist uns lieber als ein ausländischer Aggressor. Wir Iraner müssen unsere Probleme selbst lösen“, sagt eine Journalistin, die für das iranische Staatsfernsehen arbeitet. Angesichts der Brutalität, mit der Israel „palästinensische Kinder massakriert“, habe sie kein Vertrauen, dass sich Israels Regierung plötzlich für iranische Menschenleben interessiere.

So ähnlich äußern sich gerade viele Iraner. Der Wunsch nach Freiheit ist da, aber die Vorstellung, dass man durch einen fremden Staat „befreit“ wird, lehnen große Teile der Bevölkerung ab. Diese Ablehnung wird nur noch größer, je rücksichtsloser Israel vorgeht. Am Samstag drohte der israelische Verteidigungsminister: „Wenn weiterhin Raketen auf Israel fliegen, wird Teheran brennen.“ Am Sonntag folgten großräumige Luftschläge mitten in Teheran.

Wenn Israels Regierung Weitsicht hat, muss sie genau davon Abstand nehmen und iranische Zivilisten, soweit es geht, schonen. Der Oberste Führer Ali Chamenei hat, nach der Tötung zentraler Regime-Figuren, die vakanten Stellen schnell neu besetzt. Wenn aber weitere hochrangige Entscheider, wenn etwa sogar Chamenei selbst der militärischen Eskalation zwischen Israel und Iran zum Opfer fallen sollte, dann scheint alles denkbar: von systemsprengenden Rochaden innerhalb des Regimes bis zu seinem endgültigen Sturz.

Dann wäre die Unterstützung der Bevölkerung entscheidend für einen neuen Iran, der keine Rache, sondern die friedliche Zusammenarbeit mit Israel sucht. Dafür muss Netanjahu aber erst mal zeigen, dass es er es mit dem Satz „Israel steht hinter euch“ ernst meint – wenn auch nur aus Eigeninteresse.

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21 Kommentare

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  • Das derzeitige Israelische Regime ist sich sicher, dass es in seinem Mehrfrontenkrieg das Wohlwollen der USA und Deutschlands hat und deren Reaktionen bestätigen das ja auch.

    Der Grund ist weniger die Sorge um die Menschen in Israel sondern die geostrategische Funktion, die Israel für die Amerikaner und Deutschen spielt. Beide Länder können mit dem Hebel Israel den nahen Osten und den Zugang zu Rohstoffen und Handelswegen noch klarer als bisher dominieren und nebenbei Russland und andere Konkurrenten endgültig heraus drängen.

    Es geht ganz gewiss nicht um Menschen- oder Völkerrechte.

  • Der Iran bombardiert gezielt Zivilisten in Israel. Vielleicht will die taz Humanität auch in der Berichterstattung zulassen?

  • "insbesondere die Monarchisten, Anhänger des Sohnes des gestürzten Schahs Reza Pahlavi"



    Das brauchen die Iraner definitiv nicht. Reza Pahlavi war nicht besser als die gegenwärtigen Machthaber im Iran.

  • "... dann ist der Schritt, die Islamische Republik anzugreifen, immerhin folgerichtig – und vielleicht sogar längst überfällig..."



    "Jetzt, wo die Elite der Islamischen Republik dezimiert ist, folgen seit Samstag die nächsten Angriffe, diesmal auf die strategische Infrastruktur des Landes: Militärbasen, Gasanlagen, Ölraffinerien."

    Es ist wirklich erschreckend, in welch kurzer Zeit sich selbst ein als links verstehendes Medium dem herschenden militarisierten Zeitgeist anschließt. Nicht nur im geänderten Weltbild, sondern bis in die Sprache hinein wird die militärische Logik teilweise im Propagandaton (Reporter im NATO-Manöver auf einem Kriegsschiff) ausgebreitet.



    Da, wo man dem 'Feind' jeden Tag das Völkerrecht um die Ohren hauen kann, wird es regelrecht zelebriert und ein paar Zeilen weiter spielt es überhaupt keine Rolle mehr und das hundertfache Töten von Zivilisten wird mit einem Achselzucken übergangen.

  • Israel war strategischer Partner vom brutalen Schah Mohammed Reza Pahlavi. Damit haben die sich keine Freunde im Iran gemacht. Wie in Südafrika wo sie eine Partnerschaft mit dem Apartheidsystem eingingen.

  • Mit solchen Sätzen gibt Netanyahu der Opposition dort den Todeskuss - vermutlich auch das zynisch-böse, um den ewigen Krieg fortzusetzen und in den schmutzigen Stiefeln sterben zu können, statt im verdienten Knast.



    Palästina anerkennen und unterstützen. Angriffskriege nicht mehr unterstützen. Völkerrecht und Menschenrecht als die Staatsräson auch fördern.

  • "Bisher hat Israel im Kampf gegen seine Feinde wenig Rücksicht aufs humanitäre Völkerrecht gezeigt. Im Iran wäre das ein strategischer Fehler. " Sorry aber das ist nicht nur im Iran ein strategischer Fehler, das war es auch schon vor Jahrzehnten im Libanon als sich Hisbollah aufgrund des israelischen Vorgehens dort gründete und auch in den besetzten Gebieten als sich auch wegen der Brutalität der Besatzung immer mehr bewaffnete Milizen oder Terrorgruppen wie Hamas gebildet haben. Und all diese Gruppen bekommen auch immer wieder Zulauf, solange es Opfer unter der Zivilbevölkerung gibt. Das alles sollte man aber spätestens in den Kriegen seit 9/11 gelernt haben.



    Anthony Blinken sagte es selbst Anfang des Jahres: “Indeed, we assess that Hamas has recruited almost as many new militants as it has lost, That is a recipe for an enduring insurgency and perpetual war.” Und je mehr Zivilisten im Nahen Osten getötet werden, desto mehr schürt es Extremismus und da spielt es keine Rolle an welchen Gott sie glauben, das ist für alle gleich.

  • Der Kommentar ist vielleicht das beste, was ich bisher zum Thema gelesen habe.

    Ja, Israel hat legitime Sicherheitsinteressen. Ja, Israel hat das Recht, die eigene Bevölkerung zu schützen.

    Es muss auch gegen seine kompromisslosen Feinde Hamas, Hisbollah, Ajatollahs (und wie sie alle heißen) vorgehen.

    Um im Bild des Artikels zu bleiben: Es ist richtig, den Kopf des Oktopusses abzuschneiden (auch wenn Oktopusse in Wirklichkeit sehr süße und intelligente Tiere sind), aber wenn man dabei keine Rücksicht auf das umliegende Fleisch (die Bevölkerung) nimmt, werden immer neue Köpfe nachwachsen.

    Hoffentlich sind Netanjahus Worte gegenüber dem Iran wirklich mehr als nur Kalkül. Dann klebt zwar weiterhin das Blut der Kinder von Gaza an seinen Händen und er wird vielleicht irgendwann dafür vor Gericht stehen.

    Aber er hätte begriffen, wie Israel (um nochmal das Bild zu bedienen), im Fleisch des Nahen Ostens organisch mit seinen Nachbarn existieren könnte.

    Hoffen wir auf ein Ende des Mullahregimes im Iran. Und darauf, dass es auch einen positiven Aspekt des Vermächtnisses von Netanjahu geben wird.

    • @Stavros:

      Wie sieht es mit den Sicherheitsintressen anderer Länder aus, dürfen die auch welche haben, wer bestimmt wer was haben darf?

      • @Peter Teubner:

        Das ist recht einfach zu beantworten.



        Ja. dürfen sie.



        Aber das beinhaltet nicht die Auslöschung anderer Länder, wie sie die Teheraner Mullahs gegen Israel propagiert oder wie Russland Gründe vorgibt, die den Krieg gegen die Ukraine rechtfertigen sollen.

  • "Israel muss Irans Volk schonen"



    Also bisher sehe ich ein Israel, dass punktuell und zielgenau einzelne Generäle und Atomwissenschaftler, sowie militärische Anlagen ausschaltet, während der Iran wahllos Raketen gen Israel schickt ,die ziellos von der leeren Wüste übers Vorstadtgebiet bis hin in die Innenstädte alles und nichts treffen können...🤷‍♂️



    Die Überschrift macht null Sinn - wenn dann müsste man den Iran anhalten, nicht wahllos auf Israel zu feuern

    • @Farang:

      "Also bisher sehe ich ein Israel, dass punktuell und zielgenau einzelne Generäle und Atomwissenschaftler, sowie militärische Anlagen ausschaltet,"

      'Zielgenau' fast 500 Zivilisten ermordet?



      Wie verbohrt und einseitig muss man die Welt betrachten, um hundertfaches Morden einfach auszublenden?



      Und nur weil jemand vielleicht Physiker oder Chemiker ist, kann er einfach ermordet werden?

    • @Farang:

      Hängt vielleicht auch mit der Berichterstattung zusammen. Während bei Israel gefühlt über jede Verletzte berichtet wird, muss man schon ziemlich scollen, um mal zu finden, dass es zig Tote in Teheran gibt.



      Die anfänglich begrüßte Zielgenauigkeit scheint durch Kollateralschäden zu verursachen.

  • "das iranische Atomprogramm war für den Militärschlag gegen den Iran insofern nur ein willkommener Vorwand."

    Das widerspricht grundlegend dem Bericht den die IAEA Ende Mai an ihre Mitgliedsstaaten verschickt hat.

    408,6 Kilogramm Uran in einem Reinheitsgrad von 60 Prozent besitzt der Iran laut IAEA. Ein Anstieg von 49% gegenüber Februar. Nach Angaben des Iran ausschließlich für die Energiegewinnung. Für Atomenergie reichen jedoch bereits 3,5 bis 5%. Für den Bau der Atombombe bedarf es 90%.

    42kg dieses hochangereicherten Urans würden für den Bau einer Atombombe benötigt. Für die Anreicherung des Urans von 60 auf 90% würden wenige Tage ausreichen.

    Zudem habe an drei von der IAEA beobachteten Standpunkten der Iran geheime nukleare Aktivitäten durchgeführt und dabei Materialien genutzt, die der IAEA nicht gemeldet wurden.

    Die große Unbekannte ist lediglich in der technischen Umsetzung festzumachen. Wie weit der Iran ist u.a. das Spaltmaterial an Trägersysteme zu befestigen ist nicht bekannt. Für den im allgemeinen zuverlässigen israelischen Geheimdienst stand der Point of no return jedoch kurz vor der Vollendung.

    Die Zeit, Forsvarets forskningsinstitutt (Norge), RUSI (UK)

    • @Sam Spade:

      Das mag alles sein, rechtfertigt aber absolut keinen Angriff auf Atomanlagen IAEA Director General Rafael Grossi "stressed that nuclear facilities must never be attacked, regardless of the context or circumstances, as it could harm both people and the environment." Das Zusatzprotokoll von 1979 der Genfer Konventionen Artikel 56a sagt auch was dazu und soweit ich weis gibt auch der Atomwaffensperrvertrag dazu Auskunft. Mal abgesehen davon, dass preemtive strikes im Sinne der Bush-Doktrin absolut keine Grundlage im Völkerrecht haben, auch weil in ihnen eine erhebliche Missbrauchsgefahr gesehen wird. Und wie der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sagte, für Präventivschläge muss ein Staat der sich auf Selbstverteidigung beruft, nachweisen, das ein Angriff unmittelbar bevorstand und keine andere Wahl der Mittel und keine Zeit für weitere Beratungen zuließ. (Schrift: Völkerrechtliche Aspekte des Konflikts zwischen Iran und den USA). Und wie schon von anderen immer wieder erwähnt wird, gab es aus Israel seit Jahrzehnten immer wieder die Meldung das der Iran kurz vor der Fertigstellung einer Atombombe ist, ich würde keiner Kriegspartei/Geheimdienst blind vertrauen.

      • @Momo Bar:

        Wenn ich hierzulande Kommentare lese, die sich zu diesem Thema auf das Völkerrecht beziehen, dann fällt mir als erstes auf, dass sie alle auf der Denkweise des Civil Law beruhen.

        Es ist alles sehr kodifiziert und man klebt hierzulande geradezu an Paragraphen und Buchstaben.

        Das geschieht allerdings zu Lasten der Rechtsauslegung.



        Recht hat nicht statisch zu sein sondern muss sich in dynamischen Prozessen den Aktualitäten annehmen.

        Das Völkerrecht wurde konzipiert als Regelwerk für den Konflikt zwischen Staaten. Es wurde nur moderat den temporären Verhältnissen angepasst. Und oftmals war es historisch nicht am Puls der Zeit.

        Der Präventischlag Israels im Sechstagekrieg war nach damaliger Rechtsauslegung ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht, nur war er dadurch auch falsch? Die Antwort hat nicht nur die Geschichte gegeben sondern auch das modifizierte Völkerrecht, welches ein derartiges Vorgehen danach nicht mehr grundsätzlich ausschloss.

        Fortsetzung folgt...

        • @Sam Spade:

          Teil 2



          Die gleiche Diskussion gibt es seit 2001 in Bezug auf Massenvernichtungswaffen. Die Frage die sich stellt ist, muss ein Staat es zulassen, das ein feindlich gesinnter Staat Massenvernichtungswaffen herstellt und damit eine existenzielle Bedrohung für dieses Land darstellt?

          Das Völkerrecht ist auf dem Prinzip des Gewaltverbots aufgebaut und kann im Detail darauf derzeit keine klare Antwort geben. Präemptive Schläge sind im Völkerrecht nicht vorgesehen.

          Nehmen wir jetzt den von mir zitierten IAEA Bericht als Grundlage, so steht Israel vor der gleichen Entscheidung wie im Sechstagekrieg, mit dem Unterschied, dass damals die Bedrohung akut greifbar war.

          Das ändert jedoch nichts an der Gefährdungslage. Wie so oft in seiner Geschichte hat Israel nicht abgewartet, bis rechtliche Normen den realen Gegebenheiten angepasst wurden, sondern hat die Initiative ergriffen und zwar rein unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Souveränität.

          Das kann man jetzt verurteilen, wenn man an den Paragraphen klebt oder man berücksichtigt das Prinzip "pacta sunt servanda“ und dagegen hat der Iran eindeutig verstoßen.

    • @Sam Spade:

      Die Fortschritte des iranischen Atomprogramms in Richtung militärischer Nutzung sind unbestritten. Die - sicherlich streitbare - These, dass diese Fortschritte als Vorwand dienen, widerlegen aber weder die Daten der IAEA noch Verweise auf israelische Geheimdienste.

      Das iranische Atomprogramm, dessen Gefahrenpotential für Israel ich gar nicht kleinreden möchte, wird von israelischer Seite seit Jahrzehnten eben auch dazu genutzt, die Ausschaltung des geostrategischen Rivalen zu forcieren. Erinnert sei an die legendär comic-artige Rede vor der UN 2012.



      Das JCPOA von 2015, die friedenserhaltende Alternative zur Kontrolle des iranischen Atomprogramms, wurde aktiv von israelischer Seite torpediert, bis es unter Trump "endlich" gecancelt wurde.

      Auch die aktuelle Zielauswahl zeigt, dass es eben nicht nur um das Atomprogramm geht, sondern der allgemeine Macht- und Militärapparat getroffen werden soll: In Teheran wurden das Ölministerium und die Polizeidirektion getroffen. Ebenso Kommendozentralen der Rvolutionsgarden.

      Auch Netanyahu selbst nannte laut Tagesschau "einen Regimewechsel im Iran als mögliches Ergebnis der Angriffe, mit denen Israel eine "existenzielle Bedrohung" abwehre."

    • @Sam Spade:

      Benjamin Netanjahu drohte schon vor 10 Jahren mit Präventivschlägen gegen iranische Atomanlagen. Das war beim Abschluss des Atomabkommens, das ihm stets ein Dorn im Auge war.



      Ein Präventivschlag ist nicht erlaubt, wenn die Bedrohung nicht unmittelbar ist. Es gab keine unmittelbare Bedrohung für Israel.



      Und wieso soll sich die gut ausgerüstete, inoffizielle Atommacht Israel überhaupt durch den Iran bedroht fühlen?

      Es geht Israel darum die einzige Atommacht im Nahen und Mittleren Osten zu bleiben und die Region militärisch zu dominieren.

    • @Sam Spade:

      Naja, es riecht schon etwas streng.



      Iran steht traditionell 5 Jahre vor der Atombombe, gerade gab's dazu auch Verhandlungen.



      Netanjahu steht innenpolitisch wegen Gaza-Krieg, Korruptionsanklage und Wehrpflicht unter Druck. Außenpolitisch wird Gaza als Völkermord gewertet, Westjordanland als illegale Annektion, er ist international zur Fahndung ausgeschrieben und das fortwährende Ignorieren der Beschlüsse der Staatengemeinschaft schafft auch keine Freunde.



      Ein Angriffskrieg gegen Iran schafft da hübsche Ablenkung.



      Die gegenseitigen Luftschläge treffen leider immer nur die Falschen.

      Ich frage mich ohnehin, warum Iran überhaupt Inspektoren der IAEA in's Land lässt und ihnen nicht wie Israel den Mittelfinger zeigt.

      • @Limonadengrundstoff:

        Angesichts des planerischen und logistischen Aufwands, die eine solche militärische Operation erfordert, ist die These, das sei eine "hübsche Ablenkung" absolut abwegig.



        Es mag vielleicht für uns Laien so wirken, Experten wie gestern bei Miosga schließen das jedoch aus.