Eskalation der Gewalt in Israel: Synagogen angezündet
Arabische Jugendliche greifen jüdische Einrichtungen an, nationalistische Juden gehen gegen Araber vor. Die Regierung will Ruhe wiederherstellen.
Die Livenachrichten quellen über von Gewaltakten, die vor allem in den jüdisch-arabisch gemischten Städten in Israel ausbrechen. Gruppen palästinensischer Israelis auf der einen und jüdische Gruppierungen wie die organisierte Siedlerjugend, die ultrarechte Organisation Lehava und die rechtsextreme Hooligangruppe La Familia auf der anderen Seite leisten sich heftige Auseinandersetzungen untereinander und mit der Polizei.
Per Liveschalte war der Fernsehsender Channel 11 am Mittwochabend dabei, als in Bat Yam, einem Vorort von Tel Aviv, ein Mob von ultrarechten jüdischen Hooligans, offenbar Mitglieder der Jerusalemer Fußball-Gruppe La Familia, einen 33-jährigen arabischen Mann aus seinem Auto zerrten und auf ihn einschlugen, bis er sich nicht mehr bewegte.
Im Vorfeld der Veranstaltung marschierten Dutzende rechte Aktivisten durch die Stadt und griffen eine Reihe von Geschäften in arabischem Besitz an. Die Randalierer zerschlugen Glasscheiben, warfen Gegenstände und skandierten rassistische Parolen.
Schwere Ausschreitungen in der Hafenstadt Akko
Begonnen hatte alles mit Angriffen palästinensisch-israelischer Jugendlicher in der nördlichen Hafenstadt Akko und in Lod nahe Tel Aviv. In Akko griffen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag fünf israelische Araber einen 30-jährigen jüdischen Mann an, der schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht wurde. Ein 37-jähriger Lehrer, der laut Medienberichten auf die Straßen ging, um seine Schüler davon zu überzeugen, nicht an den Gewaltakten teilzunehmen, wurde ebenfalls angegriffen.
In der gleichen Nacht ging ein Hotel-Restaurant in Akko in Flammen auf. Das Lokal „Uri Buri“ galt auch als ein Symbol arabisch-jüdischer Verständigung. Ein Mann musste mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Gerade Akko galt bisher als eine Stadt im Kernland, in der wenige Spannungen zwischen Arabern und Juden aufgetreten waren.
Im von sozialen Problemen geprägten Lod gingen drei Synagogen in Flammen auf. Im Gegenzug wurde ein muslimischer Friedhof angezündet.
In der Nacht zuvor war dort ein palästinensischer Israeli von einem jüdischen Anwohner erschossen worden. Der Getötete hatte offenbar zuvor gemeinsam mit einer Gruppe anderer junger palästinensischer Israelis Steine geworfen und Mülltonnen angezündet.
Der Minister für innere Sicherheit, Amir Ohana von der Likudpartei, solidarisierte sich mit dem jüdischen Anwohner. „Gesetzestreue Bürger, die Waffen tragen, verdoppeln die Kraft der Behörden, Bedrohung und Gefahr sofort zu neutralisieren“, sagte Ohana. Die Juden hätten in einem Akt der Selbstverteidigung gehandelt, twitterte er.
Ursprünglich hatten die Proteste der palästinensischen Israelis als eine Reaktion auf eine Entscheidung der israelischen Polizei begonnen. Diese hatte zum muslimischen Fastenmonat Ramadan die Stufen vor dem Damaskustor in Ostjerusalem abgesperrt und damit den jungen Muslimen Ostjerusalems ihren traditionellen abendlichen Treffpunkt genommen. Befeuert wurde die Wut durch die Absage der Wahlen im palästinensischen Autonomiegebiet, für die viele Palästinenser Israel verantwortlich machen. Im nur etwa einen Kilometer von der Altstadt entfernten Sheikh Jarrah drohen außerdem palästinensischen Familien Zwangsräumungen.
Grenzpolizei wird verstärkt
Verteidigungsminister Benny Gantz ordnete am Donnerstag eine „massive Verstärkung“ der Grenzpolizei in Städten in ganz Israel an, um eine Welle von Protesten und gewalttätigen Angriffen von Zivilisten sowohl gegen Juden als auch Araber „abzukühlen“.
Die Ereignisse kommen ausgerechnet zu einer Zeit, in der es Chancen auf eine Einheitsregierung gibt, an der auch eine islamisch-konservative Partei beteiligt sein sollte. Doch sowohl die Gewalt auf den Straßen als auch die Eskalationen zwischen der islamischen Terrororganisation Hamas und Israel könnten dies nun zunichtemachen.
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