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Es darf wieder gestreikt werdenDer Kampf geht weiter!

Vivantes muss vor dem Arbeitsgericht eine Niederlage einstecken. Die Vivantes-Beschäftigten dürfen ihren Warnstreik fortsetzen.

Wenn die Politik nicht handelt, müssen eben die Gerichte ran Foto: Timm Kühn

Berlin taz | Einen ersten Arbeitskampferfolg haben die Beschäftigten des kommunalen Krankenhauses Vivantes am Dienstag vor dem Berliner Arbeitsgericht errungen. Das Gericht wies die einstweilige Verfügung zurück, die Vivantes am Montag erwirkt und damit den Streik der Vivantes-Beschäftigten vorläufig verboten hatte. Damit dürfen die Vivantes-Beschäftigten wieder in den Arbeitskampf eintreten.

Die Gewerkschaft Verdi hatte nach dem Auslaufen des von der Krankenhausbewegung gestellten 100-Tage-Ultimatums von Montag bis Mittwoch Warnstreiks in allen 12 Standorten von Charité und Vivantes angekündigt.

Für die Vivantes-Klinikleitung ist das Urteil eine Schlappe. Sie hatte argumentiert, der von Verdi geforderte Tarifvertrag Entlastung (TV-E) verstoße gegen die sogenannte Friedenspflicht, da die im TV-E geforderten Entlastungen bereits im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) „abschließend geregelt“ seien. Die Friedenspflicht untersagt es einer Gewerkschaft, gegen einen ungekündigten Tarifvertrag in den Streik zu ziehen.

Der TV-E sieht Mindestbesetzungen für jede Station sowie einen Belastungsausgleich in Form von Freizeit oder Geld vor, falls diese unterschritten werden. Im TVöD werden dagegen, wie Verdi-Rechtssekretär Steffen Damm ausführte, nur Belastungen wie etwa Nachtschichten oder Überstunden geregelt. Belastungen, die sich aus Unterbesetzungen ergeben, würden nicht behandelt, weshalb der TV-E den bestehenden TVöD lediglich ergänze.

Hunderte Beschäftigte können wieder streiken

Richter Kirsch machte klar, dass ein endgültiges Urteil in der Sachfrage noch ausstehe. Da es sich um ein Eilverfahren handle, so Kirsch, könne das grundrechtlich verbriefte Streikrecht nur eingeschränkt werden, wenn der Verstoß gegen die Friedenspflicht „eindeutig“ sei. Dies sei nach Auffassung des Gerichts aber nur „denkbar, nicht feststehend“.

Noch in einem weiteren Punkt wies das Gericht Vivantes zurecht: Die einstweilige Verfügung hatte auch bemängelt, dass durch den Streik die Notversorgung der Pa­ti­en­t:in­nen nicht gewährleistet gewesen sei. Am Montag war das Gericht dieser Argumentation zunächst gefolgt.

Es habe zu diesem Zeitpunkt noch keine Schutzschrift der Gewerkschaft vorgelegen, dass diese in jedem Fall einen Notdienst sicherstelle, so Richter Kirsch. „Wäre diese zuvor eingegangen, wäre der Antrag zurückgewiesen worden“, sagte der Richter. Nun erklärte er, „alles im allem“ gehe das Gericht davon aus, dass Verdi „genügenden Schutz angeboten“ habe.

Verdi-Gewerkschaftssekretär Tim Graumann sagte der taz, er sei vom Urteil „total beruhigt“. Das Gericht sei der bisherigen Rechtsprechung gefolgt, nach der ein Streik auch im Gesundheitssektor legitim sei, wenn die Gewerkschaft einen Notdienst sicherstellt. Der Arbeitskampf würde nun „geordnet“ wieder hochgefahren. „Am Mittwoch werden mehrere hundert Beschäftigte streiken“, so Graumann. „Ärgerlich“ sei allerdings, dass es Vivantes trotz Niederlage gelungen sei, den Beschäftigten effektiv einen ganzen Streiktag zu nehmen.

Situation lässt auch SPD nicht kalt

Am Dienstagmorgen hatten etwa 200 Ak­ti­vis­t:in­nen der Krankenhausbewegung das Rote Rathaus belagert, wo der Senat am Vormittag über den Arbeitskampf der Krankenhausbeschäftigten beriet. Auf der Bühne der Bewegung erklärte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, der Streik sei „verdammt lang angekündigt“ gewesen. Die offenen Fragen hätten im Vorfeld von den zuständigen Se­na­to­r:in­nen behandelt werden müssen. Jarasch teilte damit in Richtung SPD aus, die die Senatsverwaltungen für Gesundheit und Finanzen innehat.

Regierungschef Michael Müller (SPD) wies solche Vorwürfe auf der Pressekonferenz nach der Senatssitzung zurück. Er habe das 100-Tage-Ultimatum der Beschäftigten nicht einfach so verstreichen lassen, zuletzt habe er „jeden Tag mehrere Gespräche geführt“. Die Lage in den Kliniken ließe auch seine Partei „sicherlich nicht kalt“. „Selbstverständlich“ sei der Senat daran interessiert, „dass sich die Situation für die Beschäftigten verbessert“.

Müller drängte beide Seiten zu Kompromissbereitschaft. Zwar gehe er davon aus, dass sich beide Seiten in den Verhandlungen bereits näher gekommen seien, notfalls bot Müller aber auch an, einen neutralen Vermittler zu besorgen. Das „eigentlich Wichtige“ seien doch die anschließenden Tarifverhandlungen.

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