Berlins Klinikbewegung und die SPD: Wer hat sie verraten?
Das Streikrecht sei der SPD heilig, betont die Partei. Doch umsetzen konnte sie es im aktuellen Konflikt nicht. Nun droht der SPD der Super-Gau.

Protest am Montag vor der Vivanteszentrale Foto: dpa
Deutlicher konnte die SPD-Spitze ihre Unterstützung für die Klinikbewegung nicht ausdrücken. Deren Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, sprich die Abschaffung von ausgelagerten Billiglohngesellschaften, sei „Sozialdemokratie pur“, sagte Raed Saleh am Montagabend auf dem Sommerfest der Partei. Und das Recht, für diese Forderungen zu streiken, sei quasi die DNA der Partei: „Dafür stehen wir seit unserer Gründung vor mehr als 150 Jahren.“ Dennoch droht der Berliner SPD ein Super-GAU mitten im Wahlkampf.
Denn ausgerechnet der landeseigene Klinikkonzern Vivantes, dessen Aufsichtsrat von SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz angeführt wird, geht juristisch gegen die geplanten Streiks vor. Am Montag war er damit erfolgreich, an diesen Dienstag werden die Verhandlungen vor Gericht fortgesetzt. Die rechtliche Lage sei kompliziert, gab Saleh vor einer Delegation von Klinikmitarbeitenden zu. Seine Lösung: Man müsse unbedingt miteinander im Gespräch bleiben, miteinander reden.
Mit dieser ausgestreckten Hand will die SPD aber lediglich überdecken, dass sie offenbar in den vergangenen 100 Tagen eben keine Gespräche geführt hat – so lange lief das Ultimatum der Krankenhausbewegung. Und es war jedem klar, dass es zum Streik kommen würde: Die Forderungen der Klinikmitarbeitenden wurden zwar von Rot-Rot-Grün unterstützt, aber umgesetzt wurde davon nichts. Und der Frust unter vielen Beschäftigten bei Vivantes und der Charité ist groß. Streikerprobt sind sie auch, wie die Arbeitskämpfe seit 2015 gezeigt haben.
Wenn der SPD, ihrer Spitzenkandidatin und ihren Senator*innen das Streikrecht also wirklich so wichtig ist wie betont wird, warum haben sie dann nicht im Vorfeld mit den landeseigenen Kliniken geredet und sichergestellt, dass der Arbeitskampf stattfinden kann? Warum wurde die Zeit des Ultimatums nicht genutzt, um im Dialog mit der Klinikbewegung ausgiebig nach Lösungen und Verbesserungen zu suchen?
Die SPD ist jetzt auf Glück angewiesen
Nun ist die Partei auf pures Glück angewiesen. Nur wenn die Gerichte zugunsten des Streikrechts entscheiden, ist die Politik, sprich der Senat überhaupt wieder handlungsfähig. Ansonsten droht eine Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften bis zum Ende des Wahlkampfs, die die Glaubwürdigkeit der SPD erschüttern würde. Vielleicht hat sie die Klinikbewegung nicht verraten, aber zumindest vergessen oder zu lange ignoriert.
Berlins Klinikbewegung und die SPD: Wer hat sie verraten?
Das Streikrecht sei der SPD heilig, betont die Partei. Doch umsetzen konnte sie es im aktuellen Konflikt nicht. Nun droht der SPD der Super-Gau.
Protest am Montag vor der Vivanteszentrale Foto: dpa
Deutlicher konnte die SPD-Spitze ihre Unterstützung für die Klinikbewegung nicht ausdrücken. Deren Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, sprich die Abschaffung von ausgelagerten Billiglohngesellschaften, sei „Sozialdemokratie pur“, sagte Raed Saleh am Montagabend auf dem Sommerfest der Partei. Und das Recht, für diese Forderungen zu streiken, sei quasi die DNA der Partei: „Dafür stehen wir seit unserer Gründung vor mehr als 150 Jahren.“ Dennoch droht der Berliner SPD ein Super-GAU mitten im Wahlkampf.
Denn ausgerechnet der landeseigene Klinikkonzern Vivantes, dessen Aufsichtsrat von SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz angeführt wird, geht juristisch gegen die geplanten Streiks vor. Am Montag war er damit erfolgreich, an diesen Dienstag werden die Verhandlungen vor Gericht fortgesetzt. Die rechtliche Lage sei kompliziert, gab Saleh vor einer Delegation von Klinikmitarbeitenden zu. Seine Lösung: Man müsse unbedingt miteinander im Gespräch bleiben, miteinander reden.
Mit dieser ausgestreckten Hand will die SPD aber lediglich überdecken, dass sie offenbar in den vergangenen 100 Tagen eben keine Gespräche geführt hat – so lange lief das Ultimatum der Krankenhausbewegung. Und es war jedem klar, dass es zum Streik kommen würde: Die Forderungen der Klinikmitarbeitenden wurden zwar von Rot-Rot-Grün unterstützt, aber umgesetzt wurde davon nichts. Und der Frust unter vielen Beschäftigten bei Vivantes und der Charité ist groß. Streikerprobt sind sie auch, wie die Arbeitskämpfe seit 2015 gezeigt haben.
Wenn der SPD, ihrer Spitzenkandidatin und ihren Senator*innen das Streikrecht also wirklich so wichtig ist wie betont wird, warum haben sie dann nicht im Vorfeld mit den landeseigenen Kliniken geredet und sichergestellt, dass der Arbeitskampf stattfinden kann? Warum wurde die Zeit des Ultimatums nicht genutzt, um im Dialog mit der Klinikbewegung ausgiebig nach Lösungen und Verbesserungen zu suchen?
Die SPD ist jetzt auf Glück angewiesen
Nun ist die Partei auf pures Glück angewiesen. Nur wenn die Gerichte zugunsten des Streikrechts entscheiden, ist die Politik, sprich der Senat überhaupt wieder handlungsfähig. Ansonsten droht eine Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften bis zum Ende des Wahlkampfs, die die Glaubwürdigkeit der SPD erschüttern würde. Vielleicht hat sie die Klinikbewegung nicht verraten, aber zumindest vergessen oder zu lange ignoriert.
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Kommentar von
Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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