Erneute Diskussion über Paragraf 219a: SPD will 219a nun doch abschaffen
Noch kein Jahr alt ist die Reform des Paragrafen, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Nun schwenkt SPD-Frauenministerin Giffey um.
Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Johannes Fechner, fordert gegenüber der taz eine Abschaffung oder deutliche Einschränkung des Paragrafen.
Paragraf 219a verbietet die „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche, ist aber so weit gefasst, dass sich Ärzt*innen auch strafbar machen, wenn sie öffentlich darüber informieren, welche Methoden des Schwangerschaftsabbruchs sie durchführen. Bis Anfang des Jahres war selbst die öffentliche Angabe, dass eine Ärztin den Eingriff ausübt, verboten.
Nachdem aber im November 2017 die Ärztin Kristina Hänel wegen Informationen auf ihrer Webseite zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, forderten SPD, Grüne, Linke und die FDP eine Abschaffung oder zumindest weitreichende Reform des Paragrafen. Rechnerisch hätte es dafür eine Mehrheit gegeben. Doch dann gingen SPD, CDU und CSU erneut eine Große Koalition ein – und die Union wollte an dem Paragrafen unbedingt festhalten.
Verworrener Kompromiss
Am Ende einigten sich die Koalitionspartner auf einen Kompromiss. Der gilt seit dem Frühjahr, hat aber keine Klarheit gebracht. Während in Kassel das Verfahren gegen zwei Gynäkolog*innen eingestellt wurde, sind Hänel und die Berliner Ärztin Bettina Gaber nach neuer Rechtslage verurteilt worden. Gaber hat am Mittwoch Verfassungsbeschwerde eingereicht – sie und ihre Anwälte sehen durch den Paragrafen unzulässige Eingriffe in die Meinungs-, Äußerungs- und Informationsfreiheit.
Frauenministerin Giffey hatte den Kompromiss während der Bundestagsdebatte im Februar noch verteidigt und als „Fortschritt“ bezeichnet. Am Donnerstag nun sagte die Frauenministerin in einer Pressemitteilung, es sei „nach wie vor eine schwierige Situation“. Die jetzige Rechtslage sei eine Kompromisslösung, bei der „beide Koalitionspartner an den Rand ihrer Möglichkeiten gegangen“ seien. Als Bundesfrauenministerin sei sie „für eine weitergehende Lösung eingetreten“, das tue sie auch weiterhin.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion Fechner sagte der taz, die Änderung ginge nicht weit genug. Ziel bleibe es, dass Ärzt*innen sachliche Informationen über den Eingriff „ohne Einschränkung weitergeben dürfen.“
Nur sechs SPD-Abgeordnete stimmten dagegen
Besonders empört zeigte sich der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Auf Twitter lobte er am Donnerstag zwar den Vorstoß des CDU-Gesundheitsministers Jens Spahn, sogenannte Konversionstherapien zu verbieten, kritisierte aber im gleichen Atemzug: „Es wäre aber ebenfalls richtig, sich für Frauen einzusetzen, die in ihrer psychischen Not eine Abtreibung wollen, und deren Ärztinnen jetzt weiter vom Gericht verfolgt werden.“
Zurückhaltender äußerte sich ein Sprecher des ebenfalls SPD-geführten Bundesjustizministeriums auf taz-Nachfrage. „Wir beobachten, wie die veränderte Regelung angewandt wird und welche Auswirkungen diese hat“, so der Sprecher.
Sowohl Lauterbach als auch Fechner hatten bei der Abstimmung im Bundestag für die Reform des Paragrafen gestimmt. Keiner von beiden gehörte zu der kleinen Gruppe von gerade mal sechs SPD-Abgeordneten, die Ende Februar mit Nein votiert hatten.
Grüne: „Giffeys Bankrotterklärung“
Entsprechend verhalten reagieren Grüne, Linke und FDP nun auf die Forderungen aus der SPD. Er könne „nichts von irgendwelchen Bemühungen der SPD erkennen, den Paragrafen noch einmal anzugehen“, sagte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae der taz. Sollten die Sozialdemokrat*innen aber doch noch auf sie zukommen, „dann sind wir bereit“. Es sei „ein Unding, Ärzte in einer solchen Weise zu kriminalisieren und betroffenen Frauen den Zugang zu wichtigen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche so zu erschweren“.
Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, nannte Giffeys Statement knapp ein Jahr nach der Reform eine „Bankrotterklärung“. „Wenn sie wirklich etwas verändern will, muss sie nicht reden, sondern handeln und einen konkreten Vorschlag vorlegen“, sagte Schauws der taz.
Auch Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, fordert eine politische Lösung, statt auf das Bundesverfassungsgericht zu warten. Der Kompromiss biete „keinerlei Rechtssicherheit“, Ärzt*innen würden „weiterhin kriminalisiert“.
Anders klingt es aus der Unionsfraktion. Deren rechtspolitischer Sprecher Jan-Marco Luczak sagte auf taz-Nachfrage, der Union sei wichtig gewesen, dass bei der Neuregelung des Paragrafen „der Schutz des ungeborenen Lebens gewährleistet“ sei, „kommerzielle Werbeinteressen“ hätten dahinter zurückzustehen. Gleichzeitig habe man den „berechtigten Informationsinteressen“ ungewollt Schwangerer Rechnung tragen wollen. Beide Anliegen seien verwirklicht, sagte Luczak. „Weiteren Handlungsbedarf sehen wir nicht.“
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