Reform Schwangerschaftsabbrüche: Vom Kopf auf die Füße

Neuseeland reformiert seine Abtreibungsgesetze. Künftig werden dort Schwangerschaftsabbrüche bis zur 20. Woche legal sein. Und Deutschland?

Eine Demonstrantin beim Frauentag 2019 in Berlin hält ein Plakat. Darauf steht: Mein Leben. Mein Körper. Meine Wahl

Demonstrantin beim Frauentag 2019 in Berlin Foto: Stefan Boness/Ipon

In Neuseeland werden Schwangerschaftsabbrüche bis zur 20. Woche künftig nicht mehr verboten sein. Das hat das Parlament am Mittwoch entschieden und damit den ungewollt schwangeren Neu­see­län­de­r*in­nen die Entscheidungsberechtigung übertragen.

Eine Abtreibung nach der 20. Woche wiederum wird möglich sein, sofern ein*e Ärz­t*in den Abbruch für die „gesundheitlich angemessene Entscheidung“ hält. Bisher waren Abtreibungen in Neuseeland nur aufgrund von Gefährdungen für die psychische und körperliche Gesundheit der Schwangeren legal, dafür musste die Schwangere zwei Ärz­t*in­nen finden, die ihr dies bestätigten.

Das bisherige Gesetz von 1977 sah Strafen von bis zu 14 Jahren Gefängnis für Ärz­t*in­nen vor. Gesundheitsminister Andrew Little betonte nach der Abstimmung, endlich könnten Schwangerschaftsabbrüche wie Gesundheitsfragen und eben nicht mehr wie Straftaten behandelt werden.

Verschiedene Zeitungen kommentierten, dass jetzt endlich auch Neuseeland, wie die meisten reichen Nationen, keine Beschränkungen mehr in dieser frühen Schwangerschaftsphase habe.

Rüge für Deutschland

Deutschland, eine der reichsten Nationen der Welt, verbleibt hingegen in diesem kleiner werdenden Grüppchen: Der Paragraph 218 steht im Strafgesetzbuch im Abschnitt Straftaten gegen das Leben. Ein Verstoß kann mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden.

Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche gelten hier seit 1995 zwar als „rechtswidrig, aber straffrei“, aber da ist eben etwas anderes als legal. Die Bedingungen der Straffreiheit – eine verpflichtende Beratung und eine Bedenkzeit von drei Tagen – sind im internationalen Vergleich eher ungewöhnlich.

Diese Regelungen und die Verankerung der Abtreibungsgesetze im Strafgesetzbuch widersprechen den Menschenrechten und der UN-Frau­en­rechts­kon­ven­tion. Der Ausschuss zur Umsetzung der UN-Frau­en­rechts­kon­ven­tion hat die deutsche Regierung erst Anfang März für ihre fehlende Kooperation zur Beseitigung dieser Missstände explizit gerügt.

Das Recht auf den eigenen Körper und die Streichung der Paragrafen 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch war in Westdeutschland seit Ende der 1960er Jahre eine der Hauptforderungen der feministischen Bewegung. In der DDR galten Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche seit 1972 als Recht der ungewollt Schwangeren.

Weg mit dem Paragrafen 218!

In West- und im wiedervereinigten Deutschland verhinderten die CDU/CSU und das von ihnen angerufene Bundesverfassungsgericht zweimal im Namen des „ungeborenen Lebens“ eine weitgehende Liberalisierung.

Deutschland verbleibt in einem immer kleiner werdenden Grüppchen

Ob Schwangerschaftsabbrüche als Straftat oder als medizinische Leistung gelten, ist kein banaler Unterschied, sondern hat konkrete Auswirkungen auf den Zugang zu Abbrüchen, auf die Finanzierung und auf das Wohlbefinden der ungewollt Schwangeren.

Zurzeit verschlechtert sich die Situation für ungewollt Schwangere, vor allem durch einen Mangel an Ärz­t*in­nen, die bereit sind, Abbrüche durchzuführen. Diese Bereitschaft liegt auch an der juristischen und gesellschaftlichen Bewertung von Abtreibungen. Ist es ein medizinisches Verfahren, das der Gesundheit der Pa­tien­t*in dient oder ist es eine Straftat gegen das Leben, die nur unter bestimmten Bedingungen nicht verfolgt wird?

Die meisten Ärz­t*in­nen haben ihren Beruf gewählt, um Menschen gesund zu erhalten und Leben zu retten. Die Definition durch das Strafgesetz behauptet aber, dass sie mit einem Schwangerschaftsabbruch genau das Gegenteil tun würden.

Diesen Zustand stellt eine Gesetzesreform wie jene in Neuseeland vom Kopf auf die Füße – und rückt die ungewollt Schwangere und ihre Bedürfnisse in den Fokus der empathischen ärztlichen Aufmerksamkeit. Und so gilt heute wie vor 50 Jahren: Weg mit dem Paragrafen 218!

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