Ermittlungen um G20-Proteste: Fahnder suchen Öffentlichkeit
Fotos und Videos mutmaßlicher Straftäter sollen der Hamburger Polizei bei den G20-Ermittlungen helfen.
Damit setzen die Ermittler über fünf Monate nach dem Gipfeltreffen in Hamburg zu einer nach eigenen Angaben „in dieser Größenordnung bisher einmaligen“ Öffentlichkeitsfahndung an, bei der sie 104 Fotos von Personen präsentieren, die sie bisher nicht identifizieren konnten. Die Bilder verbreitet die Polizei auch auf ihrer Internetseite.
Damit Bilder von Verdächtigen veröffentlicht werden dürfen, muss eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen. Es liege in jedem einzelnen Fall ein Beschluss vor, dass es sich um eine entsprechende Straftat handele, erklärte Oberstaatsanwalt Michael Elsner. Meist gehe es um gefährliche Körperverletzung, schweren Landfriedensbruch oder Brandstiftung.
Außerdem stellte die Polizei Videosequenzen besonders schwerer Ausschreitungen vor – darunter Szenen vom Rondenbarg, den Plünderungen im Schanzenviertel und von der Elbchaussee, wo 220 Vermummte die Straße entlanglaufen und Einzelne dabei Autos anzünden.
Mithilfe von Medien
Damit die Fahndung erfolgreich ist, appellierte Polizeisprecher Timo Zill an die Journalisten: „Liebe Medienvertreter, wir haben die Bitte an Sie, dass Sie die Polizei und die Staatsanwaltschaft tatkräftig unterstützen.“ Dass die Polizei auf eine Zusammenarbeit mit den Medien setzt, ist nicht neu. Einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zufolge hat der Hamburger Senat „lokale und überregionale Sender kontaktiert, die über den G20-Gipfel berichtet haben“ – und sie um die Herausgabe ihres Videomaterials gebeten. Der NDR, das ZDF, N24, RTL, Sat.1 und n-tv sowie mehrere Produktionsfirmen haben entsprechende Anfragen erhalten, berichtete Anfang Dezember das Medienmagazin „Zapp“.
Fast alle gaben nur Material raus, das ohnehin ausgestrahlt worden war – allerdings in besserer Qualität. Zudem räumte eine Produktionsfirma ein, unveröffentlichtes Rohmaterial herausgegeben zu haben. Auch der Sender n-tv, der zu RTL gehört, gab 10 Minuten unveröffentlichte Aufnahmen heraus – angeblich aus Versehen.
Polizeichef Ralf Martin Meyer
Insgesamt sind laut Polizei Anfang Juli bis zu 6.000 Gipfelgegner straffällig geworden. Die dafür eingesetzte Soko „Schwarzer Block“ habe bis jetzt 3.340 Ermittlungsverfahren eingeleitet, sagte Polizeisprecher Timo Zill. Mehrere Hundert Beschuldigte seien der Polizei namentlich bekannt.
Hamburgs Polizeichef Ralf Martin Meyer bezeichnet die neue Öffentlichkeitsfahndung auf Twitter als einen Meilenstein: „Wichtig ist es, die Täter schwerer Gewalttaten zur Verantwortung zu ziehen. Dazu bitte ich die Bevölkerung um Mithilfe.“
Linksradikale Reaktion aus Berlin
Vor dem Hamburger Polizeipräsidium verteilte ein Aktivist, der seinen Namen nicht nennen mochte, in Polizeibegleitung Flyer gegen die Beteiligung an Denunziation. Als Reaktion auf die öffentliche Fahndung veröffentlichten Aktivisten aus dem Umfeld des linksradikalen Hausprojekts Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain einen „Aufruf zum Widerstand“ mit Fotos von 54 Polizisten.
Die Beamten sollen im vergangenen Jahr bei der im Nachhinein für rechtswidrig erklärten Räumung der Kneipe „Kadterschmiede“ und den darauf folgenden Sicherungsmaßnahmen beteiligt gewesen sein. Die Verfasser machen die Polizisten für „die Gewalt der drei Wochen der Belagerung“ verantwortlich und schrieben: „Wir freuen uns über Hinweise, wo sie wohnen oder privat anzutreffen sind.“ Der Beitrag wurde veröffentlicht auf der Internetseite Indymedia.
Die Polizei bezeichnete in einem Tweet die Veröffentlichung der Fotos als „NoGo“, der Staatsschutz des LKA leitete „umfangreiche Ermittlungen“ ein. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sprach von einer „unerträglichen Denunziation“ und einem „offenen Gewaltaufruf“ gegen Polizisten.
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