Eritrea-Festival in Gießen: Generäle und Propagandisten
Die brutale Militärregierung Eritreas will sich wieder in Gießen feiern, die Stadt ist dagegen. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor.
Die Diktatur flog für das Festival in den vergangenen Jahren immer wieder hohe Generäle, Musikgruppen und Propagandisten aus Eritrea ein. Parallel gab es friedliche Proteste gegen die Diktatur, das als das Nordkorea Afrikas gilt und seine Bürger in einem zeitlich unbefristeten Militärdienst versklavt. Im vergangenen Jahr gab es während des Aufbaus zu einem Konzert auch einen gewaltsamen Angriff mehrerer Männer auf Aufbauhelfer – der aber nichts mit dem Gegenprotest zu tun hatte. Das führte zu zahlreichen Verletzten. Die Veranstaltung wurde von der Polizei abgebrochen.
Darum bereitet sich die Polizei dieses Jahr auf einen Großeinsatz vor. Weite Teile Gießens wurden zur Waffenverbotszone erklärt. Der Polizei liegen Erkenntnisse vor, dass eine Gruppe „Brigade N’Hamedu“, die über Tiktok europaweit mobilisiert, mit mehreren hundert Personen das Festival gewaltsam stören will.
Wegen der Gewaltaufrufe und des nach Ansicht der Stadt unprofessionellen Sicherheitskonzeptes des Veranstalters, eines regimenahen Vereins, hatte die Stadt ein Verbot des Festivals ausgesprochen. Das Verwaltungsgericht aber kippte dieses: Die möglichen Störungen seien dem Veranstalter nicht anzulasten. Die Stadtverwaltung hat eine Beschwerde gegen diesen Entscheid beim Verwaltungsgerichtshof Kassel angekündigt.
Auch Regimegegnerinnen sehen sich gefährdet
Dem Verwaltungsgericht liegt aber auch ein Verbotsantrag von zwei oppositionellen hessischen Eritreerinnen vor. Anders als die Stadt begründen sie das Verbot des Festivals inhaltlich: Die propagandistische Veranstaltung diene dazu, die Diktatur in Eritrea zu rechtfertigen. Die Regimegegnerinnen gehen davon aus, dass auf dem Eritrea-Festival Spenden zur Unterstützung des Regimes und zur Finanzierung bewaffneter Konflikte im Nachbarland Äthiopien gesammelt werden, was ein Verstoß gegen internationale Embargos gegen Eritrea wäre.
Zudem legen die Regimegegnerinnen ein Dokument vor, in dem Personen, die gegen die Veranstaltung auftreten, aus Veranstalterkreisen pauschal als „Terroristen“ verunglimpft werden, wodurch sie sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen. In dem Dokument, das der taz vorliegt, ist davon die Rede, dass die Regimeanhänger mit einer Schlägertruppe kooperieren. Dadurch sehen sich die Regimegegnerinnen gefährdet.
Die eritreische Diaspora in Deutschland ist tief gespalten. Auf der einen Seite gibt es die Flüchtlinge, die während des Unabhängigkeitskrieges von Äthiopien bis 1993 flohen. Viele von ihnen glorifizieren Eritrea. Sie wollen nicht wahrhaben, dass sich aus der nationalen Befreiungsbewegung, der sie angehörten, eine Diktatur gebildet hat.
Die zweite Gruppe floh nach der Jahrtausendwende vor der Diktatur, die sie versklavte. Ein großer Teil der Flüchtlinge im Mittelmeer stammt aus Eritrea. Beide Gruppen leben in großer Zahl in Hessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch