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Erfolgreiche AfD-Klage gegen MerkelEs ist so einfach

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Karlsruher Urteil gegen Merkel ist vertretbar. Unverändert können Regierungsmitglieder vor der AfD warnen – wenn sie sich an eine Regel halten.

Ein vertretbares Urteil: Richterin Doris König am Mittwoch in Karlsuhe Foto: Uli Deck/dpa

W ieder einmal hat die AfD beim Bundesverfassungsgericht gewonnen, weil sich Regierungsmitglieder nicht an die vom Gericht postulierte Neutralitätspflicht ge­halten haben. Dass nun auch die damalige Kanzlerin Angela Merkel gemaßregelt wird, kommt also nicht überraschend.

Überraschend ist eher, dass der strikte Neutralitätskurs im Gericht zu bröckeln beginnt. Immerhin drei der acht zuständigen Rich­te­r:in­nen wollten die AfD-Klage diesmal ablehnen. Eine neue Richterin schrieb sogar ein fulminantes Minderheitsvotum, in dem sie die Neutralitätspflicht für Regierungsmitglieder generell ablehnte.

Tatsächlich gibt es gute Argumente gegen die etwas weltfremden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Es ist doch nicht undemokratisch, wenn die Kanzlerin oder ein Minister die Bevölkerung aufrufen, nicht die AfD zu wählen oder sogar gegen die Partei zu demonstrieren. Das ist politische Führung und dafür ist die Regierung gewählt. Die Bür­ge­r:in­nen sind eher irritiert, dass Karlsruhe so etwas verbietet. Allerdings schadet die Karlsruher Rechtsprechung auch nicht, denn sie ist eher symbolisch. Letztlich können auch Regierungsmitglieder vor der AfD warnen, so viel sie wollen – wenn sie jedes Mal dazu sagen, dass sie nun als Par­tei­po­li­ti­ke­r:in oder als Privatperson sprechen. Die Regel ist ganz einfach, man muss sich nur daran halten.

Es kann ja wohl nicht sein, dass das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung ändern muss, nur weil es die Regierungsmitglieder nicht schaffen, eine einfache Regel zu befolgen. Dies wäre weder für die Akzeptanz des Gerichts noch für die Akzeptanz der Demokratie förderlich.

Im Gegenteil dürfte ein gelegentlicher symbolischer Erfolg der AfD in Karlsruhe sogar die Bereitschaft der AfD-Anhänger:innen erhöhen, das Bundesverfassungsgericht auch in anderen Fragen zu akzeptieren, etwa wenn es um die Zulässigkeit von Corona­maßnahmen oder die Rechte von Mi­gran­t:in­nen geht.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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10 Kommentare

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  • & a 🥱 - Gellewelle -

    “ Es ist doch nicht undemokratisch, wenn die Kanzlerin oder ein Minister die Bevölkerung aufrufen, nicht die AfD zu wählen oder sogar gegen die Partei zu demonstrieren.“



    Doch Herr Rath - Das isses eben doch •



    Einfach mal das Grundgesetz nach den Erfahrungen von Weimar & 3. Reich - die hohen Hürden vs Ausgrenzung des (partei)politischen Gegner & die strafrechtliche Bewehrung Lesen - Sich sachlich zu Gemüte führen & spezifiziert Revue passieren lassen. Gellewelle.



    (einschließlich der Rechtsbeugungen post KPD-Verbot “…zwar kandidiere er nicht für die KPD - es sei aber allgemein bekannt - daß er Kommunist sei & als ehemaliger KPD-Funktionär kandidiere!“ usw usf!)*



    All das & entsprechende Reflexion vermiß ich a 🥱 - statt oberflächlichem Nachbeten eines Dissenting vote.

    unterm—— servíce—-



    www.bundesverfassu...15_2bve000420.html



    &



    Dissenting vote Richterin Wallrabenstein zum Urteil des 2. Senats vom 15. Juni & * s.o. too!=>



    de.wikipedia.org/w...rid_Wallrabenstein



    & Däh => Forschungsschwerpunkt Versicherungsrecht als Nachfolgerin von Vossibär!!- 🙀🥳 - gut ooch mezzo



    “. Er wurde 1992 an der Universität München bei Peter Lerche mit einer Arbeit über Rechtsschutz gegen den Richter promoviert.“



    & Peter Lerche?



    “Im Jahr 1958 wurde er an der Universität München als Schüler von Theodor Maunz mit der – 1999 in 2. Auflage erschienenen – Schrift „Übermaß und Verfassungsrecht: Zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Erforderlichkeit“ habilitiert.“



    & Theodor Maunz? - Au Backe - 🤢🤮 -



    Fellowtraveller der Kieler Schule - 😱 -



    Der Speerspitze der Nazi-Juris“prudenz“



    (Der bis Ableben anonym in Dr. Freys



    »Deutschen National & Soldaten-Zeitung« hetzte!)



    ——



    de.wikipedia.org/w...reas_Vo%C3%9Fkuhle



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Peter_Lerche



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Maunz

    Na Mahlzeit

  • 16. Juni - Du liest prä ☕️ - 🙀🥳 -



    de.euronews.com/20...der-corpus-christi



    & schmunzelst:



    “Weil sich Fronleichnam im Kirchenjahr an die Wiederauferstehung Jesu anschließt, nennen einige, ein bisschen böswillig oder sarkastisch Fronleichnam auch "Happy Kadaver".“



    & denkst - E. H. Kantorowicz - Genau!



    (von dem du - wie passend - sein Handexemplar Göttliche Komödie 🎭 Dante Alighieri hütest;)



    “Kantorowicz’ zweites Hauptwerk The King’s Two Bodies ( Die zwei Körper des Königs) ist eine umfangreiche „Studie zur politischen Theologie des Mittelalters“ (so der Untertitel). Er entwirft darin aus der mittelalterlichen Vorstellung eines natürlichen, also sterblichen Körpers und eines übernatürlichen, also unsterblichen Körpers des Königs die Entstehungsgeschichte des modernen Staates, der zwischen der öffentlichen Funktion und der Person, die diese ausübt, unterscheidet.“



    de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Kantorowicz



    & da sag ich mal flott -



    Karlsruhes kluge Entscheidung in bis dato ständiger Rechtsprechung ist die demokratisch rechtsstaatliche Adaption & aufgeklärte Fortschreibung seiner bis heute wirksamen Zwei-Körperlehre - anhand der Vorschriften der Verfassung dieser Republik - dem Grundgesetz •

    unterm—- servíce —



    Von der göttlichen Gnade zur körperschaftlichen Doktrin der Kirche



    Über die mittelalterliche Geburt der Staatslehre bei Ernst Kantorowicz



    Marco Casu



    books.openedition.org/ksp/pdf/1814



    &



    www.forum.lu/wp-co..._325_KmecKohns.pdf



    &



    download.klosterma...2716_leseprobe.pdf



    &



    www.welt.de/welt_p...r-des-Koenigs.html



    “Wie im Mittelalter: Michael Jacksons Leib stirbt, aber die Institution des "King of Pop" währt ewig.;))



    &



    Wem dazu Erving Goffmanns Rollentheorie einfällt - liegt richtig.



    & aus dem Skat



    “Wir sind im Grunde hoch dotierte Staatsschauspieler.“ goutierten auch nicht alle Kollegen!;)☕️

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Ob Frau Wallrabenstein bei Anwendung ihres einschränkenden Ressourcennutzungsverbots über die Ressource "Amtsgewalt" nicht doch zum gleichen Ergebnis käme, lasse ich mal dahinstehen.

    Was mich damals viel mehr störte war die Forderung, dass das Wahlergebnis rückgängig gemacht werden müsse. Wohlgemerkt ein Ergebnis, das in Ausübung des freien Mandats (Artikel 53 der Thüringischen Verfassung entspricht insoweit Art. 38 GG) zustande kam und daher nicht aus (verfassungs)rechtlichen Gründen zu beanstanden war, sondern rein aus parteipolitischen Gründen.

    Wenigstens hat sie nicht zum Sturm auf den Landtag aufgerufen.

  • Wetten dass dieses Urteil anders ausfällt, wenn es um die Mieter:innen oder um die Linkspartei geht?

  • Regierungsmitglieder haben die Pflicht, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und unser friedliches Zusammenleben zu schützen. Daher dürfen, ja müssen sie in diesem Zusammenhang auch vor Parteien oder Personen warnen, die offenkundig geneigt sind, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu demontieren und unser friedliches Zusammenleben zu gefährden. Bei der AFD sehe ich das klar gegeben.

    Unsere Juristen sollten mal nach Polen schauen, was mit dem Rechtsstaat passiert, wenn Rechtspopulisten in Regierungsverantwortung kommen. In der AFD feierte man intern die dortige Disziplinarkammer gegen Richter, die nicht im Sinne der Rechtspopulisten Rechtsprechung betreiben wollten.

    Schützt das BVerfG die AFD, befördert es damit seine eigene Beschneidung.

  • Ach Herr Rath - unser aller Volljurist di taz & hie & da & dorten! Gell!

    “ Es ist doch nicht undemokratisch, wenn die Kanzlerin oder ein Minister die Bevölkerung aufrufen, nicht die AfD zu wählen oder sogar gegen die Partei zu demonstrieren.“



    Doch Herr Rath - Das isses eben doch •



    Einfach mal das Grundgesetz nach den Erfahrungen von Weimar & 3. Reich - die hohen Hürden vs Ausgrenzung des (partei)politischen Gegner & die strafrechtliche Bewehrung Lesen - Sich sachlich zu Gemüte führen & spezifiziert Revue passieren lassen. Gellewelle.



    (einschließlich der Rechtsbeugungen post KPD-Verbot “…zwar kandidiere er nicht für die KPD - es sei aber allgemein bekannt - daß er Kommunist sei & als ehemaliger KPD-Funktionär kandidiere!“ usw usf!)*



    All das & entsprechende Reflexion vermiß ich a 🥱 - statt oberflächlichem Nachbeten eines Dissenting vote.

    kurz - Reiht sich mühelos ein in Entgleisungen zum ehrenamtlichen Element in der Rechtsprechung & Anmerkungen zu Karlsruhe zum 50.



    taz.de/Jahrestag-d...g/!5853439&s=Rath/



    & zitier mal a 🥱 Lovando - Ausriß -



    “ Zumal zur Erklärung - Herr Christian Rath ist - Volljurist &! Journalist - Gellewelle.



    Und da erlaub ich mir an dieser Stelle:



    Zustimmend auf die Einschätzung des Vorlesers Bernhard Schlink zu einer durchaus ähnlichen Kombi hinzuweisen (doch doch 4. Gewalt!)



    “Politiker sind keine Juristen. Auch wenn sie über zwei Staatsexamen verfügen!“

    Vor allem aber! - Christian Rath - war nie - (anders als zB ein Heribert Prantl (AmtsRi StA) - Praktiker. Gelle.…“



    Dess. Merktste hier wieder - & =>



    “ kurz - Die von Herrn Christian Rath kredenzte Fläddlesuppe mager - braucht nicht so heiß gegessen werden - wie gedacht - weil doch eher a weng lau.“ Eben.

    unterm——



    www.bundesverfassu...15_2bve000420.html



    &



    Dissenting vote Richterin Wallrabenstein zum Urteil des 2. Senats vom 15. Juni & * s.o. too!=>



    de.wikipedia.org/w...rid_Wallrabenstein

  • "Es ist doch nicht undemokratisch, wenn die Kanzlerin oder ein Minister die Bevölkerung aufrufen, nicht die AfD zu wählen oder sogar gegen die Partei zu demonstrieren."

    Das stimmt. Frau Merkel hat hier aber nicht im Vorwege dazu aufgerufen, die AFD nicht zu wählen, sondern sie hat nach der Wahl bemerkt; diese sei „unverzeihlich, das Ergebnis müsse rückgängig gemacht werden“.



    taz.de/BverfG-uebe...ich-Wahl/!5861477/

    Damit hat die Kanzlerin, wie viele andere Bundesparteipolitiker()innen, der demokratischen Entscheidung eines souveränen Landesparlaments die Legitimität abgesprochen. Wenn das Schule macht, können wir uns den Föderalismus sparen, und die ganze Wählerei gleich mit.

  • Wenn ich es richtig interpretiere, soll so die Partei als Verfassungsorgan geschützt werden vor der Meinungsmacht der amtierenden Regierung.

    Dafür ist es allerdings wesentlich wichtiger staatliche Veröffentlichungen zu reglementieren, als die Äußerungen von Einzelpersonen, so hochstehend sie auch sein mögen. Wenn zum Beispiel der Verfassungsschutz eine Partei überwacht und das dann medienwirksam in der Welt herumposaunt, dann ist das doch eine viel größere Einmischung der Exekutive. Selbst gegen "ganz sachliche" Veröffentlichungen der Staatsanwaltschaft zu Durchsuchungen kurz vor einer Bundestagswahl sind Sprachfetzen wie Merkels Kommentar irrelevant.

    Sicherlich hätte Merkel hier geschickter sein können, das darf man von dieser erfahrenen Staatsfrau wohl erwarten. Andererseits ist eine Rüge jetzt auch kein großes Drama.

    • @Fabian Wetzel:

      Der erste Satz bringt es auf den Punkt. In der Minute, wo die Regierung ins Amt berufen wurde, ist sie Regierung des ganzen Volkes - nicht mehr der 3 Parteien, die sie gewählt haben und für die sie kandidiert haben.



      Das sieht die Verfassung so vor und genau diese Sichtweise war es auch, die das Land lange vor Grabenkämpfen wie in den USA geschützt hat.

      Wenn dort Richter oder Präsidenten der Meinung sind, die müssten nur für diejenigen Politik machen, die sie gewählt haben, spaltet das immer weiter - und tatsächlich ist auch Ihr Hinweis auf Weimar richtig, wo man die Folgen extremer Spaltung sehen konnte.

    • @Fabian Wetzel:

      @Fabian Wetzel: Im Gegenteil. Wenn der Verfassungsschutz eine Partei überwacht, die Teil des Bundestages und vieler Landtage ist, dann muss das meiner Meinung nach in die Welt hinausposaunt werden. Denn dann brennt etwas, und das müssen alle wissen. Nicht nur die nicht-AFD-Wähler, sondern ganz besonder die AFD-Wähler, damit sie darüber nachdenken, ob ihr persönlicher, demokratischer Einfluss dort wirklich gut aufgehoben ist.