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Epidemiologin über Osterlockdown„Problematisch, dass wir damit warten“

Zu spät und zu kurz: Epidemiologin Berit Lange zweifelt an der Wirksamkeit des Mini-Lockdowns von Gründonnerstag bis Ostermontag.

Warten auf KundInnen: modische Hasen im Schaufenster Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Manuela Heim
Interview von Manuela Heim

taz: Frau Lange, die fünftägige Osterruhepause: Ergibt das epidemiologisch wirklich Sinn oder ist das hilflose Symbolpolitik?

Berit Lange: Ich bin da zwiegespalten. Wir befinden uns in einer Situation mit deutlich steigenden Fällen, auch Intensivfällen. Die jetzigen Maßnahmen sind also nicht ausreichend. Von daher ist es völlig richtig, sobald wie möglich Kontakte weiter zu beschränken. Diese Osterpause entspricht grundsätzlich auch dem, was wir als Lockdown bezeichnen – also dass wirklich die Leute angehalten sind, zu Hause zu bleiben, weil fast alles geschlossen ist.

Aber …

Dass wir damit warten, halte ich für problematisch und woher die fünf Tage kommen, ist mir nicht verständlich. Ich kenne bislang keine Modellierungen, die diesen Zeitraum als sinnvoll belegen. Man kennt diese kurzen Lockdowns aus Ländern wie Australien und da ist das sicher sinnvoll, um in einem übersichtlichen Infektionsgeschehen versteckte Fälle zu finden. Aber wir sind in einer ganz anderen Situation: Wir haben sehr viele bekannte und unbekannte Fälle. Was man in den fünf Tagen nun macht, ist Folgendes: Man schickt die Leute nach Hause, wo sie enger und länger zusammen sind als ohnehin schon. Das erhöht also gegebenenfalls die Ansteckungen dort. In einem längeren Lockdown von sagen wir 14 Tagen ist das ein geringeres Problem, weil diese Infektionen in den Haushalten bleiben und damit der Effekt des Lockdowns insgesamt nur sehr gering beeinträchtigt wird.

Aber wenn die Menschen nach fünf Tagen wieder mehr Kontakte haben …

Das könnte sogar einen Effekt haben, der der Reduktion von Fällen, die ich durch die Maßnahme erreiche, zuwiderläuft. Diese Ruhetage sind sicher besser als ein Ostern mit Reisen und Feiern. Aber es kommt dann sehr auf die Maßnahmen im Anschluss an.

Im Interview: Berit Lange

ist Leiterin der Klinischen Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung in Braunschweig.

Verschiebt man mit solchen Mini-Shutdowns nicht nur die Infektionsereignisse?

Dass muss natürlich vermieden werden. Insgesamt hat sich gezeigt, dass viele Kontakte ersatzlos wegfallen bei solchen Maßnahmen.

Wenn fünf Tage aus Ihrer Sicht zu kurz sind, sollten wir soweit möglich schon vorher eigenverantwortlich in den Lockdown gehen?

Wenn ich jetzt zum Beispiel mal für sieben Tage einkaufe und nicht nur für drei, das würde auch die Ballungseffekte reduzieren. Je mehr Menschen das so handhaben, umso besser.

Und dann ist nach Ostern alles gut?

Das wohl nicht, auch aktuell sind die Maßnahmen ja für deutlich über Ostern hinaus geplant. Aber jeder Monat, den wir jetzt schaffen, ist gut: Wir werden hoffentlich schneller impfen können, die vulnerablen Gruppen baldmöglichst geimpft haben und Teststrategien etablieren etwa an Schulen und Arbeitsplätzen.

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5 Kommentare

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  • Immer die Schuld nur bei der Politik zu suchen ist arm.



    Wir die gesellschaft sind es die die Kontakte nicht reduzieren. Schauen wir uns doch die letzten 12 Monate an, wann IMMER die Politik einen Lockdown oder gar Shutdown auch nur angedacht hatte, kamen die Bürger und heulten rum. Es ist unser versagen das dies so passiert.



    Schauen wir uns andere Länder an, da wurde weit weniger auf Wirtschaft geschaut, sondern auf die Gesellschaft. Man hat rigoros Shutdowns gefahren wann immer sich neue Infektionsgeschehen in der Gesellschaft offenbarten. Dazu muss man nicht nur ein Inselstaat sein. Auch die haben eine Wirtschaft. ABER dort war die Gesellschaft hinter den Entscheidungen und haben mal 14 Tage Shutdowns mitgemacht. Ergebnis sie haben jetzt relativ uneingeschränktes Leben, können ihn Stadien mit ihrer Lieblingsband feiern. Können in großen Messen für ihre Opfer trauern...

    Solange dies bei uns in den Köpfen der Bürger nicht angekommt. Solange werden wir weiter und weiter und weiter diesem hinterherrennen und von Lockdown zu Lockdown uns bewegen. Mal bisschen mehr und mal bisschen weniger Einschränkungen akzeptieren müssen.

    PS: Von den idiotischen Querpupser die dann auch noch Superspreaderevents fahren ganz zu schweigen. Die gehören wegen Körperverletzung bestraft allesamt!

    • @Daniel Drogan:

      Verraten Sie uns, welches Land allein durch den Shutdown die Pandemie gemeistert hat? Die Deutsche Wirtschaftsstärke soll einen großen Teil der Europäischen Hilfspakete finanzieren, wie soll das ohne entsprechende Rücksicht gelingen?

      Die wirtschaftliche ( und soziale ) Krise ist nur deshalb in Deutschland noch nicht angekommen, weil Unternehmen brav ihre Angestellten bezahlen und nicht kündigen und weil die bis dato üppigen Steuerzahlungen dem Staat Handlungsmacht geben. All das wäre ohne starke steuergenerierende Wirtschaft nicht möglich.

      • @TazTiz:

        Shutdown/Lockdown ist ein Mittel von mehreren die wir mal etablieren müssten.



        Neuseeland hat es Anfang März gezeigt, nach vielen Wochen kam es wieder zu Infektionszahlen in der "community", Auckland ging darauf direkt in einen knapp einwöchigen Lockdown (Alert Level 3), der Rest des Landes in Beschränkungen (Alert Level 2), seit diesem Lockdown gab es keine Infektionen mehr in der Community. Nur noch einstellige Zahlen an den "borders", sprich in den Häfen und/oder Flughäfen. Denn wo bei uns jeder nach dem Test nach Hause fahren darf und man darauf hofft das er zuhause bleibt, ok bei Zugverkehr wäre selbst das irrelevant. Haben andere Länder, wie Neuseeland, Taiwan, Vietnam, Einrichtungen an den Flughäfen installiert oder in "Behördenaufsicht" die Leute gegeben, damit diese nachkontrollierbar nicht den Kontakt mit den Community haben.

        Hier ist jemand noch nicht einmal 1.Kontakt wenn dieser eine MNS trug, als er mit dem Infizierten in Kontakt war. WHAT?!

        Unsere Regeln sind nicht effektiv. Ein Teil wäre nun einen harten Shutdown, oder eben nur Lockdown zu fahren, um die Clusterketten zu sprengen, aber danach muss weiter insbesondere die Einreise, die Pendleraktivitäten viel besser nachverfolgt werden.

        Sonst werden wir auch im Sommer noch mit im Max 10.000 Infizierten pro Tag leben müssen. Wir sind selbst dafür verantwortlich!

  • Ein zusätzlicher Feiertag wird nach einem Jahr der Pandemie der ganz große Bringer. Man sollte den Gründonnerstag später zum Corona Gedenktag küren.

    Ein Tag weniger, an dem tatsächlich geimpft wird, ist zudem eine tolle Idee. Statt brav im Homeoffice oder in Büro zu arbeiten, können die Leute sich nun endlich ausgiebig treffen. Die Tage vorher werden zudem die Supermärkte schön voll sein.

    Will man eigentlich nicht wissen, wo die Pandemie-Treiber sind? Statt mal in Praxi zu schauen, wer hier ständig umherreisen tut, werden irgendwelche Modellrechnungen am Homeoffice-PC der Epidemiologen vollzogen.

  • "Aber jeder Monat, den wir jetzt schaffen, ist gut: Wir werden hoffentlich schneller impfen können, die vulnerablen Gruppen baldmöglichst geimpft haben und Teststrategien etablieren etwa an Schulen und Arbeitsplätzen."

    Wir hatten 12 Monate Zeit um das zu organisieren, Merkel und ihre JaSager haben das aber nicht geschafft. Warum sollten sie es denn jetzt schaffen? Intelligenter oder fähoger sind sie nicht geworden, siehe vd Laien.

    Diese Durchhalteparolen ("Die Zeit ist hart, aner der Sieg ist uns gewiss") sind doch Usinn. Und der Interviewer hier ist handzahm, sollte sich mal ein Beispiel and jeremz Packham nehmen.