Entzug der Akkreditierung bei G20: Mögliche Einflussnahme der Türkei

Die Kritik am Vorgehen gegen die Journalisten wächst. Mehrere Betroffene waren früher in der Türkei festgenommen worden.

Menschen stehen zwischen Absperrgittern und werden von einem Polizisten kontrolliert

Nicht alle kamen durch Foto: Martin Kaul

BERLIN taz | Stecken ausländische Geheimdienste hinter dem Ausschluss von JournalistInnen von Berichterstattung beim G20-Gipfel? Diesen Verdacht schürte am Dienstag ein Bericht der ARD. Zwei Journalisten, denen die bereits erteilte Akkreditierung in Hamburg wieder entzogen wurde, waren im Oktober 2014 kurzzeitig in der Türkei festgenommen worden. Chris Grodotzki von Spiegel Online und der auch für die taz tätige Björn Kietzmann von der Agentur Action Press fotografierten damals die Gefechte um die syrische Grenzstadt Kobani.

Die Vermutung, dass die Türkei Einfluss genommen hat, wird durch weitere Fälle erhärtet: Auch der für die Junge Welt tätige Fotograf Willi Effenberger, der ebenfalls die Akkreditierung verloren hat, war schon einmal in der Türkei festgenommen worden. Er hatte in der kurdischen Stadt Diyarbakır fotografiert, sagte er der taz. Zwei weitere Betroffene waren zuvor ebenfalls in der Türkei tätig gewesen.

Betroffen vom nachträglichen G20-Ausschluss war auch der türkischstämmige Journalist Adil Yigit, der für das Online-Medium Avrupa Postasi arbeitet und auch schon für die taz geschrieben hat. Yigit, der in Hamburg bereits zuvor Schwierigkeiten mit dem türkischen Konsulat hatte, teilt den Verdacht, dass die Türkei Einfluss genommen hat: „Ich glaube, dahinter steht die türkische Seite“, sagte er der taz. „Der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan war mit Erdoğan am Donnerstag in Hamburg. Ich habe von beiden Fotos gemacht und berichtet“, sagt Yigit. „Ich glaube, dass der türkische Geheimdienst das an die deutschen Kollegen weitergegeben haben könnte.“

Der Verdacht sorgt auch in der Politik für Aufregung. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki drohte am Dienstag sogar mit einem Untersuchungsausschuss. „Der schlimme Verdacht, dass Interventionen des türkischen Geheimdienstes zum Entzug von Akkreditierungen beim G20-Gipfel geführt haben sollen, muss schnellstmöglich und umfänglich aufgeklärt werden“, forderte Kubicki. Bundespresseamt und Bundesinnenministerium müssten erklären, wie es zu „diesem seltsamen Sinneswandel gekommen ist“.

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich empört. „Sollte sich der Verdacht erhärten, dass ausländische Geheimdienste Einfluss auf diese Listen hatten, dann haben wir einen Skandal erster Güte“, erklärte er. „Gastgeber für ausländische Despoten zu sein, beinhaltet nicht, sich ihrer die Demokratie verachtenden Sitten anzupassen.“

Ex-Datenschutzbeauftragter

„Die ungeschützte Weitergabe und Verwendung der Listen ist ein schwerer Datenschutzverstoß“

Nur deutsche Behörden

Regierungssprecher ­Steffen Seibert hatte am Montag bestätigt, dass 32 Journalisten ihre Akkreditierung wieder entzogen werden sollte. In neun Fällen sei dies umgesetzt worden. Einen Einfluss ausländischer Dienste bestritt Seibert am Dienstag. Grund für die Maßnahme waren demnach „Sicherheitsbedenken, die ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden resultierten“, teilte er mit. Die Namen seien „an die Zugangskontrollstellen übermittelt worden“.

Dort waren die Namenslisten teils offen einsehbar; auch das sorgte für scharfe Kritik. „Die ungeschützte Weitergabe und Verwendung der Listen ist ein schwerer Datenschutzverstoß“, sagte der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar der ARD. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands äußerte ebenfalls Kritik daran, „dass Polizisten mit den Papierlisten durch Hamburg zogen, dass die Namen für jeden lesbar waren, der nahe genug an die Polizisten heran kam“.

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