piwik no script img

Entwurf gegen FachkräftemangelEin kleines bisschen Einwanderung

Das BMI legt einen Entwurf für die Einwanderung von Fachkräften vor. Doch Opposition und Gewerkschaft geht der nicht weit genug.

Geflüchtete in Ingolstadt lernen die Arbeit mit einem Schweißbrenner Foto: dpa

Berlin taz | Ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht, darum haben Politiker*innen in der Vergangenheit hart gerungen. Nun soll das im Koalitionsvertrag versprochene „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ tatsächlich kommen. Das Bundesinnenministerium hat am Montag einen entsprechenden, mit den Bundesministerien für Arbeit und Wirtschaft abgestimmten Referentenentwurf in die Ressortabstimmung gegeben.

Momentan prosperiere die deutsche Wirtschaft, heißt es in dem Entwurf, der der taz vorliegt. Diese „erfreuliche Entwicklung“ trage zugleich dazu bei, „dass Betriebe und Unternehmen bereits heute Schwierigkeiten haben, für bestimmte Qualifikationen, Regionen und Branchen qualifizierte Fachkräfte zu finden“. Die Zahl der offenen Stellen liege derzeit bei 1,2 Millionen. Der Fachkräftemangel habe sich „zu einem Risiko für die deutsche Wirtschaft entwickelt“.

Neben Menschen, die einen Hochschulabschluss haben, soll deswegen nun auch Menschen mit einer qualifizierten Berufsausbildung die Einreise zu Erwerbszwecken ermöglicht werden. Demnach sollen Nicht-EU-Bürger*innen in Deutschland arbeiten dürfen, wenn sie eine „inländische qualifizierte“ oder eine „gleichwertige ausländische“ Berufsausbildung sowie ein konkretes Jobangebot haben und ausreichend Deutsch können.

In begrenzten Fällen sollen Teile der Qualifikation auch in Deutschland erworben werden können. Fachkräfte, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, dürfen zudem für sechs Monate einreisen, um nach einem Job zu suchen.

Eine Neuerung gibt es auch bei der Ausbildungsduldung, durch die zum Beispiel abgelehnte Asylbewerber*innen unter Umständen nicht abgeschoben werden, während sie sich in einer Berufsausbildung befinden. Diese Regelung wird bisher regional sehr unterschiedlich ausgelegt. Immer wieder gibt es Berichte über Firmen, deren Auszubildende von Abschiebung bedroht sind. Der Paritätische Gesamtverband spricht von einem „Flickenteppich bei der Umsetzung“.

„Einwanderungsgesetz ohne Einwanderung“

Das soll nun vereinheitlicht und ausgeweitet werden: Künftig soll die Ausbildungsduldung auch für Assistenz- oder Helferausbildungen gelten. Für eigentlich ausreisepflichtige Menschen, die seit mindestens 18 Monaten einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, soll es zudem die Möglichkeit einer zweijährigen „Beschäftigungsduldung“ geben.

Vom Spurwechsel hingegen, den die SPD sich gewünscht hatte, findet sich in dem Entwurf nichts. Dieser hätte es abgelehnten Asylbewerber*innen ermöglicht, aus dem Asylrecht ins Einwanderungsrecht zu wechseln – und so doch noch auf eine Bleibeperspektive hoffen zu können. Wie das Innenministerium bestätigte, soll der Gesetzentwurf voraussichtlich am 19. Dezember vom Kabinett beschlossen werden.

Das ist Flickschu­sterei, kein um­fassendes Konzept

Annelie Buntenbach, DGB

Unter anderem den fehlenden Spurwechsel kritisierte Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand scharf. Sie nannte den Entwurf „kurzsichtig und integrationsfeindlich“. Wer seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, brauche auch guten Zugang zum Arbeitsmarkt. „Mit dem angekündigten umfassenden Konzept hat diese Flickschusterei nichts zu tun.“

Auch die Oppositionsparteien im Bundestag kritisierten das Vorhaben. Von einem „halbherzigen Bekenntnis zur Fachkräfteeinwanderung“ sprach der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae und forderte ein Punktesystem. Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke kritisierte, die Vergabe von Rechten dürfe eben „nicht von der ökonomischen Verwertbarkeit von Menschen abhängen“.

Die Grünen-Politikerin Filiz Polat sprach von einem „Einwanderungsgesetz ohne Einwanderung“: Es würden zwar „Einwanderungswege gezeichnet“, diese allerdings „so verbaut und unbegehbar gemacht“, dass „kaum jemand darüber kommen“ könne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Wenn ich mir die Anforderungen an die zukünftigen „Nutzmigranten“ so ansehe, dann lassen die einstigen Geschehnisse um den Schuster Wilhelm Voigt, bitter grüßen.



    Naja, und wenn der Amtsschimmel hält was er gemeinhin verspricht, dann müssen wir wenigstens keine Sorge darüber tragen, dass wir nach der EU subventionierten Vernichtung der lokalen Agrarmärkte, nun auch noch die Arbeitsmärkte der Fachkräfte- „Geberländer“ leersaugen, damit es bei uns so bleiben kann, wie wir es scheinbar so lieben.

  • Das ist ein Mißverständnis.



    Es geht um die Rechte von Flüchtenden, und um das Asylrecht.



    Also nein zu Ankerzentren und den letzten beiden Asylpaketen!

  • Die Arbeitgeber pflegen diese Kampagne des "Fachkräftemangels", um die Gehälter, die ohnehin nur in wenigen Branchen gestiegen sind, auf unterirdische Maße zu drücken. Das steht in den Berichten der Bundesanstalt für Arbeit, aber man kann es auch sonst erfahren. Ob man da jubeln soll?

  • Die Schwellen- und Entwicklungsländer brauchen ihre wenigen qualifizierten Fachkräfte für die eigene sozioökonomische Entwicklung!

    Es darf von diesen Ländern keine Entwicklungshilfe für die Reichtums- und Konsummetropolen geleistet werden!

    Auch müssten sich in Deutschland qualifizierte Migranten verpflichten, an der ökonomischen und sozialen Entwicklung ihrer Herkunftsländer aktiv mitzuarbeiten!

    • @Reinhold Schramm:

      Das heißt, hier ausbilden, und dann, mit Startkapital versehen, zurückschicken. Oder Ausbildungsbetriebe im Herkunftsland aufbauen. Das ist effektive Bekämpfung von Fluchtursachen.



      Leider schwierig, dafür Mehrheiten zu bekommen.

      • @Gregor Tobias:

        Nur so kann die wirtschaftliche Massenflucht beendet werden. Dazu gehören aber auch gleichberechtigte Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und ein Ende der Unterstützung der korrupten Eliten in den Herkunftsländern.

  • "Diese Regelung wird bisher regional sehr unterschiedlich ausgelegt. Immer wieder gibt es Berichte über Firmen, deren Auszubildende von Abschiebung bedroht sind."

    Auch wenn es hier steht, halte ich dies, man beachte auch das Wort "bedroht" (Wer füllt hier aufgrund welcher Wahrnehmung den Inhalt?), für 'düchdichen' Unfug. Was war zuerst da, Henne oder Ei - Tatbestand der Ausbildungsduldung erfüllt, oder nicht erfüllt, und trotzdem eine Ausbildung aufgenommen?

    Problematisch ist hier der Tatbestand, etwa, "konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung stehen nicht bevor"; 's Problem bräuchte es nicht, wenn die Arbeitgeber mal ein wenig flinker wären.