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Entschädigung für AKW-Abschaltung2,4 Milliarden für Atom-Aus

Regierung und Konzerne einigen sich auf Entschädigung für den Atomausstieg. Eine „Irrsinnssumme“ für die Unternehmen, kritisieren die Grünen.

Nichts geht mehr im AKW Krümmel Foto: Michael Danner/laif

Berlin taz | Kurz vor dem 10. Jahrestag der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima haben sich in Deutschland Bundesregierung und Stromkonzerne auf Schadensersatz für den beschleunigten Atomausstieg von 2011 geeinigt. Die Bundesrepublik zahlt danach insgesamt 2,4 Milliarden Euro an die Energieunternehmen Vattenfall, RWE, E.on und EnBW, erklärten die Ministerien für Umwelt, Wirtschaft und Finanzen am Freitag.

Mit der Einigung sind auch alle Klagen der Konzerne vom Tisch. Allerdings müssen die Gremien der Konzerne und die EU-Kommission noch grünes Licht geben und das Geld in einem Nachtragshaushalt vom Bundestag beschlossen werden. Am Atomausstieg bis Ende 2022 ändert sich nichts.

Anlass für das Verfahren war das gesetzlich verfügte Aus für acht deutsche Meiler im Juni 2011. Erst im Oktober 2010 hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung Merkel allerdings die Laufzeiten der AKWs verlängert, nach dem GAU von Fukushima aber ein Moratorium verhängt und die Meiler danach abgeschaltet.

Daraufhin begannen jahrelange Prozesse: Die Konzerne argumentierten, ihnen stünde Schadensersatz für Gewinne aus dem Strom zu, den sie nicht mehr produzieren durften. Das Bundesverfassungsgericht hielt 2016 ihren Anspruch auf Entschädigung für berechtigt, auch wenn es den Ausstieg als zulässig absegnete. 2020 verwarf das Gericht die von der Regierung geplante Entschädigungsregelung und drängte zur Eile.

Klage in Washington erledigt

Nun einigten sich die Kontrahenten außergerichtlich. Damit ist vor allem auch die Klage von Vattenfall vor dem Internationalen Schiedsgericht in Washington in dieser Sache erledigt. Bei einer Niederlage dort hatte der deutsche Fiskus Risiken zwischen 6 und 7 Milliarden Euro befürchtet. Vattenfall bekommt mit 1,4 Milliarden den größten Teil der Zahlungen, weil 2011 seine AKW Krümmel und Brunsbüttel vom Netz gingen, ohne dass deren Strommengen auf andere Kraftwerke übertragen wurden.

RWE erhält 880 Millionen, EnBW 80 Millionen und Eon 42,5 Millionen Euro. Der größte Teil der Summe bezieht sich auf Erlöse aus den entgangenen Strommengen. 142,5 Millionen Euro davon fließen für „entwertete Investitionen“, die an den Standorten im Vertrauen auf die Verlängerung der Laufzeiten zwischen Herbst 2010 und Abschaltung im Sommer 2011 getätigt wurden.

Die Einigung habe einen „bitteren Beigeschmack“, sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Olaf Bandt. „Die offene Frage der Ausgleichszahlungen hat endlich ein Ende gefunden, aber zu einem viel zu hohen Preis.“ Die „überzogenen Zahlungen“ ließen sich nur mit Verzicht von Vattenfall auf eine Klage erklären. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) dagegen meinte, die „Einigung liegt deutlich unter den Vorstellungen der Unternehmen“ und der Summe, die im Schiedsverfahren gedroht hätte.

Vattenfall begrüßt Einigung

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte die Lösung, weil der Staat wie auch beim Kohleausstieg mit „Irrsinnssummen“ die Energiekonzerne finanziere: „Wäre Merkel damals beim rot-grünen Atomausstieg geblieben, wäre gar keine Entschädigung fällig“. Allerdings hätte es nach dem ursprünglichen Ausstiegsplan auch kein schnelles Aus für die AKWs im Jahr 2011 gegeben.

Sie begrüße die „Einigung, die langen Jahren eines teuren und zeitaufwändigen Streits ein Ende bereitet,“ sagte Vattenfall-Chefin Anna Borg. „Deutschland ist ein wichtiger Markt für uns, wir werden fossile Brennstoffe hinter uns lassen und in klimafreundliche Heizsysteme und Erneuerbare investieren.“

An diesem Wochenende wollen Atom-KritikerInnen zehn Jahre nach Beginn der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima an die Gefahren der Atomenergie-Nutzung erinnern. In Berlin veranstalten lokale Initiativen eine Demonstration am Samstag, dem 6. März, am AKW Neckarwestheim bei Stuttgart am 7. März. In etwa 20 Städten sind Mahnwachen geplant.

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7 Kommentare

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  • Man sollte das Atomgesetz sofort dahingehend ändern , das die Versicherungsfreiheit für Atomanlagen aufgehoben wird. Wieso sollten wir diese Industrie weiter subventionieren und alternativen Energien dadurch auch noch Wettbewerbsnachteile bescheren? Das Thema Atomkraft wäre damit ökonomisch sofort ERLEDIGT.

  • Milliarden dafür, zukünftig die Umwelt nicht mehr oder nur etwas weniger zu schädigen, liegt im Trend.

    Noch viel teurer kann es werden, wenn man sich entschließt, auch diejenigen, die die Welt mit Plastikmüll verseuchen, für etwas weniger Umweltentschädigung zu entschädigen.

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    Ulrich Kelber (SPD) gestern auf twitter: "Jetzt wird Deutschland nach einem Vergleich 2,4 Milliarden Euro für etwas zahlen, was 2000/2002 schon einmal entschädigungsfrei vereinbart war."



    twitter.com/Ulrich...367890379794694146

    1998 wurde der vormalige hessische Umweltstaatsekretär Rainer Baake (Grüne), der durch die Auseinandersetzungen um die Sicherheit von Biblis A mit RWE und der Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) mit der Materie bestens vertraut war, Staatssekretär unter Bundesumweltminister Trittin (Grüne) und organisierte musterhaft den Atomausstieg 2000. Radkau/Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft, München 2013, S. 371.

    Bis Frau Bundeskanzlerin Merkel 2010 kam und den AKW-Betreibern mit ihrem nächtlichen&geheimen Atomdeal am Kabinett (Umweltminister Röttgen) vorbei ohne Not Unmengen an Steuergeldern in den Rachen geworfen hat.



    www.lobbycontrol.d...ratischer-politik/

    Ein halbes Jahr später kam mit Fukushima dann der Ausstieg aus dem Austieg aus dem Ausstieg...(Fortsetzung folgt?)

  • „entwertete Investitionen“ - kriegen die Gastronomen jetzt auch Schadenersatz weil die Kack-Regierung erst rumgetönte hat mit entsprechenden Auflagen könnten die Gastronomen weitermachen, die Gastronomen viel Geld in Umbauten investeirt haben und dann flötepiepen ...

    Und die Grünen tönen jetzt auch rum - wo waren die denn 2011 ?



    Ich erinnere mich vage: In der Kiste mit der CDU, nicht wahr ?

  • Einen Superbatzen hat da Merkel und die CDU den gutverdienenden Energieerzeugern da zu kommen lassen. Kein Wunder dass die sich alle freuen über die Einigung. Werden sies doch mind. in der Parteikasse wiederfinden. In DE muss man ebend nur noch mit Schiedsgerichten drohen und schwupp die wupp fliesst das Geld.



    Wie wärs mit einer Klage vorm Schiedsgericht für entgangene Gewinne für nicht aufstellerlaubte Windkraftanlagen, für die nicht Bereitstellung von Wasserstofftankstellen, für den nicht rechtzeitige Bau von Schienen und Digitalinfrastruktur. Was da nicht alles an möglichen Gewinnen entgangen ist...aber ist halt nicht im Sinne und fliesst dann nicht in die richtigen Taschen.

  • Das einzig sinnvolle, was die Konzerne jetzt tun müssen. Steuerzahlers Geld, nicht das der Bundesregierung, die hat keins, in Nachhaltigkeit investieren. Dann könnte man die Zahlungen akzeptieren, die allein auf Schwarzgelb zurückgehen, noch genauer, auf Stefan Mappus, den 15Monate-MP von Ba-Wü. 2 Mia für grünen Strom, dann kämen wir etwas näher an das Gefasel von Altmaier mit seinem Wasserstoff, von dem er keine Ahnung hat. Die Prognosen gehen alle weit in die Zukunft. Da ist noch so gut wie nichts, obwohl es schon vor über 50 Jahren Projekte gab. Desertec jedenfalls ist fast oder auch ganz tot.

  • Insgesamt 2,4 Milliarden Euro, die klar auf Merkels Kappe gehen, und zwar nicht etwa wegen des schnelleren Ausstiegs, sondern wegen der unnötigen Laufzeitverlängerungen kurz vorher.