Entgleisung von US-Präsident Biden: Eines Bolzplatzes unwürdig
US-Präsident Joe Biden beschimpft einen Journalisten als „dummen Hurensohn“. Dabei wurde er vor allem gewählt, weil er nicht Donald Trump ist.
Ja, es geht in gesellschaftlichen Debatten ziemlich hart zu. Aber „Emotion gehört dazu“, wie Hertha-Trainer Tayfun Korkut über die Fans sagte, die am Wochenende das Training der glücklosen Hauptstadtkicker unterbrachen und den Spielern eine Ansage machten: „Ihr reißt euch jetzt am Riemen, sonst zünden wir die nächste Stufe.“
Emotionen gehören dazu. Aber auch „stupid son of a bitch“, zu Deutsch: „dummer Hurensohn“? Nein, das hat keiner der Fans zu einem Hertha-Spieler gesagt, sondern der US-Präsident Joe Biden am Montagabend über den Reporter Peter Doocy von Fox News, der gewagt hatte, ihn nach den möglichen Auswirkungen der hohen Inflation auf die Kongresswahl im Herbst zu fragen.
Dafür hätte Biden bei uns auf dem Bolzplatz früher großen Ärger bekommen. Beleidigen, Grätschen, Nackenschelle, all das war dort im Rahmen des Möglichen. Aber bei „Hurensohn“ war Schluss mit lustig.
Biden ging zu weit
Auch wenn deutsche Medien sich jetzt in kultureller Übersetzung üben – „Das englische ‚son of a bitch‘ gilt in den USA als weniger schlimme Beleidigung als die wörtliche deutsche Übersetzung ‚Hurensohn‘“ – und die alternative Übersetzung „dummer Scheißkerl“ vorschlagen: Der demokratische Präsident, der seinen Wahlsieg vor allem der Tatsache zu verdanken hat, dass er nicht Donald Trump ist, ging mit dieser Aussage in einer journalismus- und frauenfeindlichen Gegenwart zu weit.
Ob die Inflation eine „politische Bürde im Vorfeld der Midterms“ sei, ist natürlich eine rhetorische Frage, deren Antwort der Fragesteller schon kennt. Genauso wie ARD-Reporterin Valeska Homburg die Antwort erahnen konnte, als sie BVB-Stürmer Marco Reus nach dem Ausscheiden aus dem DFB-Pokal letzten Dienstag gegen Zweitligist FC St. Pauli fragte: „Jetzt sind Sie nicht mehr im Pokal dabei, in der Liga sind die Bayern ein bisschen enteilt, in der Champions League raus – das ist erst mal nicht so toll, ne?“
Reus antwortete auf die Frage, die viel herausfordernder formuliert ist als jene an Biden, genervt, aber noch beherrscht mit Gegenfragen: „Wo sind die Bayern jetzt enteilt? Sechs Punkte, richtig. Sollen wir jetzt aufgeben, oder was?“ Und bewies in puncto Pressearbeit bessere Eignung für ein politisches Amt als einer der mächtigsten Politiker der Welt. Vielleicht sollte Biden mal einen Bolzplatz besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei