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Energiewende in SkandinavienDänemark beendet Ölzeitalter

Das größte Öl- und Gasförderland der EU erteilt keine neuen Förderlizenzen mehr. Spätestens 2050 endet damit alle Produktion.

Ölplattform im Gorm Ölfeld in der Nordsee Foto: Moller-Maerks/dpa

Stockholm taz | „Jetzt reihen wir uns in die Schar der Ölnationen ein“, verkündete Prins Henrik von Dänemark am 1. August 1972 stolz, als er symbolisch die Ventile öffnete und das erste im dänischen Sektor der Nordsee geförderte Öl an Land gepumpt wurde. 48 Jahre später stellte das Parlament in Kopenhagen die Weichen für das Ende des dänischen Ölzeitalters. Am Donnerstagabend beschloss eine Mehrheit des Folketing, dass der Staat ab sofort keine neuen Lizenzen zur Suche und Förderung nach Öl und Gas mehr erteilen darf. Spätestens 2050 wird in der dänischen Nordsee kein Öl und Gas mehr gefördert werden.

Von einem „großen Sieg für den Klimakampf“ spricht Frederik Roland Sandby, Vorsitzender der NGO „Klimabewegung“. Mit dem Brexit wird Dänemark das größte Öl- und Gasförderland der EU. Wenn dieses nun ein definitives Schlussdatum für die Produktion der fossilen Rohstoffe festsetze, „sendet das ein starkes Signal an den Rest der Welt“, hofft er. Als „historischen Klimasieg“ bezeichnet auch Helene Hagel, die klimapolitische Vorsitzende von Greenpeace, den jetzigen Beschluss. Es sei ein „kristallklares Signal“, dass Dänemark es ernst meine mit seinen Klimazielen, „wenn wir als relativ großes ölproduzierendes Land erstmals wirklich etwas tun, um die fossile Produktion zu begrenzen“.

Auch der dänische Naturschutzverband reagierte positiv, selbst wenn dessen Vorsitzende Maria Reumert Gjerding „gern ein früheres Enddatum als 2050 sehen würde“. Ähnlich äußerte sich Mai Villadsen, klimapolitische Sprecherin der linken „Einheitsliste“: „Ein wichtiger Schritt, aber natürlich müsste mehr Öl in der Erde bleiben.“ Für ein früheres Förderende hätte der Staat aufgrund der bereits erteilten Lizenzen teure Entschädigungen an die Ölkonzerne zahlen müssen, verteidigt der sozialdemokratische Klimaminister Dan Jørgensen diesen Teil des Parlamentsbeschlusses, hinter dem neben seiner eigenen Partei die Linkssozialisten, Linksliberalen, Konservativen und die Dänische Volkspartei stehen.

Es wird geschätzt, dass Dänemark mit seinem Nordseeöl und -gas seit 1972 rund 70 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben eingenommen hat. Seit Mitte der 2000er Jahre sinkt die Produktion aber stetig. 2018 beliefen sich die Einnahmen nur noch auf knapp über eine Milliarde, 2019 auf rund 800 Millionen Euro. Analysen erklären dies mit global sinkenden Preisen und die im Vergleich zur Offshore-Förderung billigeren Fracking-Technik in den USA. Die offiziellen Schätzungen für die Zeit bis 2050 sind deshalb auch höchst unsicher und bewegen sich je nach prognostizierter Fördermenge zwischen insgesamt 12 und 32 Milliarden Euro. Derzeit hängen noch knapp 10.000 Arbeitsplätze an der Öl- und Gasproduktion. Das Parlament beschloss deshalb bereits 12 Millionen Euro für zusätzliche Umschulungsmaßnahmen bereitzustellen.

Wie schnell sich für die Fossilwirtschaft die Zeiten ändern wird auch daran deutlich: Dieselben Parteien, die nun hinter dem jetzigen Beschluss stehen, hatten noch 2017 Steuersenkungen für die Öl- und Gasförderung in Milliardenhöhe beschlossen. Die Konzerne hatten solche Subventionen gefordert und im Gegenzug versprochen, die ansonsten zunehmend nicht mehr lohnende Produktion bis 2042 weiterhin in Gang zu halten.

Rückblickend wäre es dem Staat wesentlich billiger gekommen, schon damals das Produktionsende zu beschließen. Dafür hatte es seinerzeit aber noch großen Widerstand seitens der Gewerkschaften gegeben, die nunmehr hinter dem jetzigen Beschluss stehen. Derzeit produzieren in der dänischen Nordsee noch 55 Förderplattformen auf 15 Öl- und 6 Gasfeldern.

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6 Kommentare

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  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Dänemark ist, ganz im Gegensatz zu Deutschland, seit vielen Jahren konsequent auf dem richtigen Weg



    Dies ist nur ein weiterer Meilenstein.



    Die Dänen sind uns technologisch weit überlegen und sie haben einen nationalen Energie-Plan, den sie umsetzen.



    Während in Deutschland nicht eine einzige Gemeinde die erfolgreichen, dänischen Nahwärme Konzepte umgesetzt hat, sind in DK Gas- und Ölheizungen seit Jahren verboten, auch im Baubestand.



    Hierzulande wird schon garnicht mehr über das Thema Wärmeewende geredet.



    Dafür haben wir in SH aber einen grünen Umweltminister, der sich am liebsten mit Massentierhaltern ablichten läßt und eine Klima- oder gar Agrarwende nach Kräften verhindert.



    Und Hr Altmayer, der mit Unterstützug der Grünen in Kiel ein Flüssiggas Terminal zur Anlandung von US-amerikanischem Fracking Gas bauen will.



    Es gibt also gar keinen Grund für hier ausgedrückte deutsche Selbstgerechtigkeit.

  • Da hat wohl eine Regierung den world-energie-outlook (WEO) 2019 von der IEA gelesen: Peak-oil 2025.

    Zudem sind die Nordseefelder fast leer gepumpt und es sind bisher keine lukrativen/größere Öl-/Gasvorkommen entdeckt worden. Es ist nicht nur der geringe Preis der Grund, weshalb die Branche auch so ruhig und zufrieden ist.



    Aber trotzdem, eine nette Ankündigung.

  • 2050 ... mh, heute haben wir 2020. Das macht also 30 Jahre. Ein großer Schritt?

    • @Uranus:

      Ergänzung:



      "Es wird geschätzt, dass Dänemark mit seinem Nordseeöl und -gas seit 1972 rund 70 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben eingenommen hat."



      Wieviel Gewinne hat die Ölindustrie gemacht? Wieviel CO2-Emissionen bedeutet die Gesamtfördermenge? Wieviele Schäden sind dadurch verursacht worden? Wieviel wurde/wird von dem Geld für die Begleichung der Schäden eingesetzt? Diese Fragen sind allen Staaten zu stellen, die fossile Energien fördern, handeln und nutzen.

  • Bravo, zur Nachahmung dringend empfohlen! Und doppelt unterstrichen sei die Aussage, dass Subvention von fossilen Energie *unwirtschaftlich* ist! "Rückblickend wäre es dem Staat wesentlich billiger gekommen, schon damals das Produktionsende zu beschließen." Raus aus der Kohle!

    • @rosa :

      Sagen Sie das mal den Norwegern. Ohne das Geld aus der Ölförderung und dem Export von Elektrizität zu Spitzenzeiten nach Europa - Deutschland, wo der Wind halt nicht immer weht und die Sonne nur tagsüber und im Sommer scheint, könnten die sich z.B. die hoch subventionierten E-Autos garnicht leisten.