Energiewende in Frankreich: Renaissance der Atomkraft
Bis zu 14 neue Atomkraftwerke hat Emmanuel Macron angekündigt. Erneuerbare Energien sieht er als Brückentechnologie.
![Präsident Emmanuel Macron spricht vor Menschen in einer Werkhalle. Präsident Emmanuel Macron spricht vor Menschen in einer Werkhalle.](https://taz.de/picture/5388404/14/29443255-1.jpeg)
„Wir nehmen unser Schicksal selber in die Hand“, erklärte Macron mit viel Pathos. Der Bau der neuen Reaktoren sei „die Baustelle des Jahrhunderts“. Die Rückkehr der Atomkraft bedeute zugleich die „Souveränität der Energieversorgung“, fügte er hinzu. Allerdings ist noch nicht einmal der einzige EPR-Reaktor der aktuellen Generation in Frankreich am Netz.
Macron hatte Belfort für seine große Atom-Rede ausgesucht, weil dort die Turbinen für die Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Kurz zuvor gab der französische Energiekonzern EDF den Rückkauf der Turbinenproduktion vom US-Unternehmen GE bekannt. Das Pikante daran: Als Macron noch Wirtschaftsminister war, hatte er selbst den Verkauf der Energiesparte von Alstom an GE genehmigt. Die Opposition hatte vergeblich versucht, dies mit dem Hinweis auf die Sicherheit der Energie-Produktion zu verhindern.
Jetzt führt Macron genau dieses Argument für den Rückkauf ins Feld: Die französische Atomindustrie solle gestärkt werden, um eine unabhängige Energieproduktion zu gewährleisten.
Ein Dutzend Reaktoren sind abgeschaltet
Macron setzt auf Atomenergie, weil sie dem Land eine gute CO2-Bilanz verschafft. Allerdings bringt der alternde Kraftwerkspark viele Probleme mit sich. Derzeit sind etwa ein Dutzend Reaktoren abgeschaltet, teils für Wartungsarbeiten, teils aber auch wegen technischer Probleme. Macron erwähnte dies in seiner Rede als ein Beispiel für die lobenswerte Transparenz des Betreibers EDF.
Es hat allerdings zur Folge, dass die Produktion immer weiter reduziert wird. Derzeit liegt die Kapazität bei gut 61 Gigawatt. „Das entspricht 55 bis 60 Prozent der Kapazität, während bei normaler Funktion 80 Prozent erreicht werden sollte“, sagt Yves Marignac von der Umwelt-Organisation négaWatt.
„Ein so niedriges Niveau haben wir noch nie gehabt“, fügte er hinzu. Tatsächlich musste EDF seine Prognose der Jahresproduktion von 330 bis 360 auf 295 bis 315 Terawattstunden nach unten korrigieren.
EDF hatte für den Bau der ersten sechs Reaktoren bereits Kosten in Höhe von 50 Milliarden Euro veranschlagt. Im Élysée zeigte man sich unverhohlen erfreut, dass die EU-Kommission auf französischen Druck Atomkraft als nachhaltig einstufen will. „Das wird die Finanzierung erleichtern“, hieß es im Präsidentenpalast.
Frankreich verfehlt Ziele bei der Windkraft
Da der erste der neuen Reaktoren frühestens 2035 ans Netz gehen soll, will Macron auch in erneuerbare Energien investieren – was Frankreich weitgehend verschlafen hat, wie der Präsident selber einräumt. Im Jahr 2020 lag Frankreich als einziges EU-Land mit 19 Prozent erneuerbarer Energie hinter seinem selbst gesteckten Ziel von 23 Prozent zurück.
Obwohl Frankreich kilometerlange Küsten am Ärmelkanal, am Atlantik und am Mittelmeer hat, gibt es bislang keinen einzigen funktionierenden Offshore-Windpark. Macron kündigte nun den Bau von insgesamt 50 Offshore-Windparks an.
Auch die Windkapazitäten auf dem Land sollen verdoppelt werden – aber nicht, wie bisher geplant, innerhalb von zehn Jahren, sondern erst bis 2050. Da ist der gesellschaftliche Widerstand zu groß.
Das Problem des Atommülls ist freilich nicht gelöst. Im lothringischen Dorf Bure gibt es 500 Meter unter der Erde ein „Labor“, wo die Lagerung von Atommüll vorbereitet wird. „Das ist das Referenzmodell, das Projekt ist auf gutem Weg“, betont der Élysée. Eine Baugenehmigung ist allerdings noch nicht vorhanden, und die Abklingbecken in der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague sollen bereits 2030 voll sein.
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