Pläne für neue Druckwasserreaktoren: Macron voll auf Atomkurs

Der französische Staatspräsident will seine Pläne für den Bau neuer Kernkraftwerke vom Typ EPR konkretisieren. Dabei machen die alten AKW schon Ärger.

Blick auf das Atomkraftwerk in Chooz, Frankreich

Die Kühlturme des Atomkraftwerks von Electricité de France in Chooz, Frankreich Foto: Pascal Rossignol/reuters

PARIS taz | An diesem Donnerstag wird der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in einem Werk in Belfort erwartet, das Turbinen für Reaktoren herstellt. Dort will er seine Pläne für den Bau neuer Kernkraftwerke vom Typ EPR präsentieren – und damit bestätigen, dass Frankreich unter seiner Führung voll auf die Atomenergie setzt.

Nachdem die EU-Taxonomie aller Voraussicht nach Atomreaktoren zumindest für eine Übergangszeit als nachhaltig und wichtig für die Einhaltung der Klimaziele bei der CO2-Reduktion anerkennt, sieht sich Macron hier auf gutem Kurs.

Ein Hindernis könnte es allerdings noch geben. Und das besteht nicht in der Klage, die Österreich gegen die Entscheidung der EU-Kommission eingereicht hat, und auch nicht in den empörten Protesten von Atomkraftkritiker*innen. Nein, das Problem ist der Schuldenberg des Energiekonzerns Electricité de France (EDF), der trotz altbekannter Probleme und neuer Sorgen weiter investieren müsste.

Aber letzlich hat bei EDF der französische Staat das Sagen, der mit 84 Prozent Kapitalanteil Hauptaktionär ist. Macron wird sich nicht genieren, neben Investitionen etwa in die Technologie der Mini-Reaktoren auch mehrere Anlagen mit EPR2-Reaktoren in Auftrag zu geben.

Flucht nach vorn

Das Ganze sieht sehr nach einer nuklearen Flucht nach vorn aus, mit der Macron auch in der Kampagne für seine Wiederwahl als Staatschef im April innenpolitisch punkten will. Anders als sein Vorgänger, der Sozialist François Hollande, der einen (sehr langsamen) schrittweisen Ausstieg aus der Atomkraft verkündet hatte, will Macron die Kernkraftwerke weiter laufen lassen. Sie produzieren immer noch fast 70 Prozent des Stroms, und der Präsident will sie auch als wichtigste und angeblich „nachhaltige“ Energiequelle der Zukunft verkaufen. Selbstverständlich hofft er mit dem EU-Label auch auf europäische Subventionen. Was die Schließung der ältesten Akw in Frankreich angeht, bliebe es wohl bei der definitiven Stilllegung von Fessenheim im Elsass.

In Belfort wird Macron auch den Rückkauf einer in seiner Zeit als Wirtschaftsminister von Hollande an General Electrics abgetretenen Alstom-Filiale (GEAST) zur Herstellung der Kraftwerkturbinen Arabella bestätigen. General Electrics hat sich zu Beginn der Woche mit EDF auf die Modalitäten und den Preis geeinigt. Damit wird Frankreich versuchen, diese für die Zukunft der Atomkraft strategisch wichtige Produktion wieder unter exklusive französische Kontrolle zu bringen.

Billig und doch zu teuer

GEAST wird so für Macron auch zu einem Symbol der „nationalen Souveränität“ in der Energieversorgung, die er Mitte Oktober in seiner Grundsatzrede über die Förderung der Technologien von strategischer Bedeutung zur Priorität erklärt hatte.

Der Wert des Unternehmens wird auf mehr als eine Milliarde US-Dollar geschätzt, EDF aber bezahlt lediglich 200 Millionen US-Dollar und übernimmt zusätzlich 73 Millionen Euro an Schulden. Das klingt nach einem guten Geschäft, ist aber für EDF trotzdem ein finanzielles Risiko. Immerhin kämpft der Konzern mit akkumulierten Schulden von 40 Milliarden Euro sowie Problemen wegen der Kostenexplosion des ersten EPR in Flamanville und braucht auch noch Rücklagen für die Entsorgung der heutigen 56 Reaktoren.

2015 hatte man Macron den Vorwurf gemacht, mit der Turbinentechnologie von Alstom verkaufe er das französische Knowhow ins Ausland. Als Präsident wolle er nun noch vor dem Ende seiner ersten Amtszeit diese „Erbsünde“ wiedergutmachen, schreibt Le Monde. Zumindest erwecke der Rückkauf einer Alstom-Filiale, der damals 1.200 Arbeitsplätze gekostet habe, den Eindruck, der Präsident gestehe nun ein, dass der damalige Verkauf ein Fehler gewesen sei. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wollte dies am Dienstag auf dem Rundfunksender France Inter relativieren: „Seien wir bescheiden. Niemand hatte vorausgesehen, wie schwer die Energiekrise werden würde“, sagte er. „Erst jetzt werden wir uns bewusst, wie bedeutend die Herausforderung ist, die Nachfrage nach Energien ohne CO2 ist wesentlich größer als erwartet.“ Mittel- und langfristig sehen Macron und sein Minister keine andere Lösung als die Atomenergie.

Genau in diesen Kontext des forcierten Ausbaus der Atomenergie platzte die Meldung, dass EDF zusätzlich zu den bereits fünf wegen technischer Probleme abgestellten Reaktoren weitere drei für Inspektionen und eventuelle Reparaturen aus dem Betrieb nehmen muss. In allen Fällen soll es um Korrosionsschäden in einem Sicherheitskreislauf gehen.

Der gleichzeitige Ausfall von acht Reaktoren beeinträchtigt die Versorgung mit Elektrizität: Statt bis zu 360 Terawattstunden kann EDF in diesem Jahr laut eigenen Angaben voraussichtlich nur 295 bis 315 TWh Strom liefern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.