Energiepreisbremse der Bundesregierung: Es geht um Grundbedürfnisse
Die Regierung nimmt viel Geld in die Hand – gut so. Gezielte Hilfen sind unrealistisch: Energie ist nicht das richtige Feld für Gerechtigkeitspolitik.
B ürger:innen und Unternehmen blicken mit Angst auf den Winter, weil sie nicht wissen, welche Energiekosten auf sie zukommen. Sie fragen sich, ob sie im Kalten sitzen werden, ob sie ihre Rücklagen aufzehren müssen, ob sie die Produktion aufrechterhalten können, ob Kurzarbeit droht oder sie ihren Arbeitsplatz verlieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz wollte ihnen diese Sorgen nehmen, als er am Donnerstag seinen „Doppelwumms“ ankündigte: einen 200 Milliarden Euro schweren Schirm zur Abwehr der Energiekrise für drei Jahre. Das ist viel Geld. Aber keine Antwort auf die drängende Frage, wie teuer die Krise jede:n Einzelne:n kommt. Und angesichts der 500 Milliarden Euro, die die damalige Bundesregierung 2008 zur Rettung der Banken bereitgestellt hat, ist der „Wumms“ nicht so kräftig, wie er auf den ersten Blick erscheint.
Die Regierung will eine Strom- und eine Gaspreisbremse. Aber wie die genau aussehen sollen, bleibt ebenso unklar wie der Zeitpunkt, ab dem sie gezogen werden. Unternehmen können weiterhin nicht kalkulieren, Privathaushalte bleiben in Unsicherheit. Eines ist allerdings klar: Teurer wird es auf jeden Fall, denn die Preise werden nicht gesenkt, sondern der Anstieg gedeckelt.
Auch wenn 200 Milliarden viel sind – aus dem Topf muss viel finanziert werden: Unter anderem die 34 Milliarden Euro, die mit der Gasumlage ursprünglich von den Kund:innen kommen sollten, sowie die Finanzierung weiterer Ersatzbeschaffungskosten, die Energiekonzerne wegen ausbleibenden russischen Gases haben – viele weitere Milliarden.
Auch Unternehmen, die aufgrund des Krieges in Schieflage geraten und nicht ausreichend von den Energiepreisbremsen erfasst werden, sollen davon profitieren. Wie viel das ist, ist unklar. Die geplante Strompreisbremse soll zwar durch die Abschöpfung übermäßiger Gewinne von Energiekonzernen finanziert werden. Reicht das aber nicht, wird Geld aus dem 200-Milliarden-Topf genommen.
Spannend ist also, wie viel für die Subventionierung der Gaskosten überhaupt übrig bleibt. Um welche Summen es geht, zeigen Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Danach würde ein Gaspreisdeckel allein für die Privathaushalte je nach Modell zwischen 15 Milliarden und 37 Milliarden Euro im Jahr kosten – hinzu kämen gewaltige Summen für Unternehmen. Die Wissenschaftler:innen gehen bei den niedrigeren Kosten von einem Grundkontingent von 5.000 Kilowattstunden pro Haushalt aus, das um 2.000 Kilowattstunde pro weitere Person im Haushalt aufgestockt wird. Deutlich teurer wäre eine Lösung, bei der der Preisdeckel für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs gelten würde. Es ist richtig, dass die Bundesregierung die Energiekosten subventioniert – und zwar spürbar. Von symbolischen Maßnahmen hat niemand etwas.
Dass Energie gespart werden muss, wissen die Bürger:innen, auch wenn die Bundesnetzagentur in aktuellen Meldungen etwas anderes unterstellt. Der Gasverbrauch ist aktuell höher als im vergangenen Jahr. Aber es ist auch viel kälter. Der Vergleich des derzeitigen Verbrauchs mit ähnlich kalten Zeiten zeigt, dass bereits weniger geheizt wird. Den meisten Bürger:innen ist der Ernst der Lage bewusst – eine Preisbremse wird sie nicht vom Sparen abhalten.
Preisexplosion trifft viele
Ein häufiges Argument gegen die Preisbremse ist die „Gießkanne“: Weil auch Wohlhabende profitieren, die hohe Kosten wegstecken oder vielleicht nur auf den dritten Urlaub im Jahr verzichten müssten, sei die Energiepreisbremse sozial nicht treffsicher und sollte durch gezielte Zuschüsse ersetzt werden. Aber was ist in dieser Krise gezielt? Bis das politisch definiert ist, ist der Winter vorbei. Und die Preisexplosion betrifft weite Teile der Gesellschaft.
Der Staat muss auch denen helfen, die ansonsten nicht auf Unterstützung angewiesen sind. Beim Heizen oder Kochen mit Gas geht es um Grundbedürfnisse. In Deutschland gibt es eine krasse Vermögensungleichheit, gegen die dringend etwas unternommen werden muss. Aber die Energiekrise ist dafür nicht das richtige Feld, das muss über eine gerechte Abgaben- und Steuerpolitik erfolgen. Doch da ist die Ampel leider bislang ein Totalausfall.
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