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Energieexperte zu Solaranlagen aus China„Fürs Klima eher positiv“

China subventioniert seine Solarindustrie – und über Exporte auch die deutsche Energiewende. Gut fürs Klima, sagt Energieexperte Volker Quaschning.

Qualitätsprüfung eines Solarmoduls: China dominiert den globalen Solarenergiemarkt Foto: Muyu Xu/reuters
Anja Krüger
Nick Reimer
Interview von Anja Krüger und Nick Reimer

wochentaz: Herr Quaschning, in Deutschland werden immer mehr Solaranlagen gebaut, die Installationszahlen klettern von Rekord zu Rekord – und die einheimischen Modulhersteller gehen in die Knie. Wie kann das sein?

Volker Quaschning: Momentan läuft der solare Ausbau in Deutschland auch deshalb so gut, weil die Module aus China extrem billig geworden sind. Es gibt gigantische Überkapazitäten in China, die Solarwirtschaft wird vom Staat subven­tio­niert. Was im Grunde bedeutet: Der chinesische Staat subventioniert auch die deutsche Energiewende. Und die läuft derzeit ganz gut ohne nennenswerte eigene Modul-Wertschöpfung. Zur Jahresmitte wurden hierzulande knapp 7.000 Megawatt neu installiert, bis Jahresende sollen es mindestens 13.000 werden. Schon im vergangenen Jahr wurde fast doppelt so viel installiert wie 2022. Das ist nicht schlecht aus deutscher Sicht. Die Hersteller hierzulande produzieren zu teuer.

Bild: Jürgen Heinrich/imago
Im Interview: Volker Quaschning

Jahrgang 1969, seit 2004 Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Er gilt als einer der Vor- und Weiterdenker der Energie­wende und hat eine Reihe von Büchern zu dem Thema verfasst. Der Inge­nieurs­wissenschaftler ist Mitinitiator der Scientists for Future und betreibt einen eigenen Youtube-Kanal mit mehr als einer Million Aufrufe pro Jahr: youtube.com/c/VolkerQuaschning.

Die chinesische Regierung steckt Geld in den hiesigen Solarboom?

Ja. Momentan fahren wir gut damit. Dadurch beschleunigen wir die Energiewende. Würden Solarmodule viel teurer, würden wir wieder weniger Solaranlagen installieren. Die Energiewende würde langsamer laufen. Die aktuelle Situation ist für den Klimaschutz, für die Energiewende und für Deutschland eher positiv.

Die Hersteller in Deutschland kommen nicht an gegen die chinesische Konkurrenz, sie können mit den Preisen nicht mithalten. Wieso nicht?

Der chinesische Markt ist im Vergleich zu dem, was wir in Deutschland noch produzieren, mehr als hundertmal größer. Und der chinesische Markt wächst, wir gehen dieses Jahr von einem Wachstum von 40 Prozent aus. Das heißt, die Lücke wird immer größer. Allein über die Größe haben Hersteller in China einen Wettbewerbsvorteil, weil sie billiger produzieren können. Wer konkurrenzfähig bleiben will, muss in dieser Geschwindigkeit mit dem Weltmarkt mitwachsen. Die großen Konzerne in China investieren massiv in dieses Wachstum: Alle zwei, drei Jahre bauen sie neue Fabriken, die moderner sind, effizienter sind und so den Preis pro Modul senken können. Und wer groß ist, der hat eine ganz andere Verhandlungsposition auf dem Weltmarkt – beispielsweise beim Einkauf der Rohstoffe für die Produktion.

Mehr als 90 Prozent der in Deutschland installierten Module kommen aus China. Droht damit ein ähnliches Desaster wie bei der Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas?

Wir können den Gedanken ja mal durchspielen: China überfällt die Republik Taiwan, ein veritabler Handelskrieg ist die Folge. China und der Westen versuchen sich gegenseitig wehzutun. China liefert uns keine Solarmodule mehr. Für Deutschland wäre die Konsequenz, dass die Energiewende ins Stocken gerät und Kohlekraftwerke zwangsweise länger laufen müssen. Zwar wird dadurch der Klimaschutz erschwert. Aber richtig weh tut das vielen nicht, die Wirtschaft läuft ja weiter, und wir haben dadurch erst mal kurzfristig keine wirtschaftlichen Nachteile in Deutschland. China hingegen hätte erhebliche Schmerzen! Natürlich müssten die solaren Produk­tions­betriebe runtergefahren werden, Arbeitsplätze in China gingen flöten, der wirtschaftliche Schaden wäre vermutlich größer als in Deutschland. Das heißt, China würde den Klimaschutz torpedieren, aber sich wirtschaftlich damit sehr stark schaden.

Wie würden Sie denn „wehtun“?

Wenn ich in China an der Regierung wäre, würde ich mir andere Produkte für einen Lieferstopp aussuchen, zum Beispiel Computerchips. Jede Solaranlage braucht einen Wechselrichter und jeder Wechselrichter einen Computerchip. Wenn ich also nicht will, dass Solaranlagen gebaut werden, dann boykottiere ich Computerchips. Damit treffe ich dann auch gleich die Autoindustrie, den Maschinenbau, praktisch alles.

Wenn – aus welchen Gründen auch immer – keine Solarmodule mehr aus China nach Deutschland kämen, wäre das aber doch das Ende der Energiewende in Deutschland.

Zumindest das temporäre Ende des Solarenergieausbaus. In diesem Fall müssten hier Fabriken aufgebaut werden. Das dauert zwei Jahre Minimum; vier bis fünf Jahre, wenn man pessimistisch rangeht.

Sie sind also der Meinung, dieses Risiko könne man eingehen, weil es unwahrscheinlich ist, dass es eintritt?

Ja. Wir haben ja auch den Vorteil, dass die Module extrem preiswert sind. Ich denke, das Risiko, dass China uns bei Solarmodulen boykottiert, ist überschaubar.

Die hiesigen Hersteller haben von der Ampelregierung Hilfen gefordert. Nachdem klar ist, dass die nicht kommen, wandern Hersteller wie der Schweizer Konzern Meyer Burger aus Deutschland ab. Was ist von der Branche noch übrig?

Fast nichts. Deutschland hatte in den 2000er Jahren mal einen Weltmarktanteil im höheren zweistelligen Prozentbereich. Heute ist es viel weniger als 1 Prozent. Damals kamen viele Solarmodule, die irgendwo auf der Welt installiert wurden, aus Deutschland. Heute gibt es nur noch wenige Modulhersteller: Heckert in Chemnitz, Solarwatt in Dresden, Aleo im brandenburgischen Prenzlau, Axitec und AxSun in Baden-Württemberg.

Wie hat Deutschland es geschafft, in den 2000er Jahren einen so hohen Weltmarktanteil zu erreichen?

Den Anfang finden wir beim Strom­ein­spei­se­ge­setz 1991. Erst damit war es überhaupt möglich, mit Sonnenlicht produzierten Strom ins Netz der Stromkonzerne einzuspeisen. Damals war die Technologie aber wahnsinnig teuer. Bundesweit begann der Boom im Jahr 2000 mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Koalition.

Dieses Gesetz – abgekürzt EEG – legte die Kosten zum Bau von Wind-, Biomasse- und Solarkraftwerken auf alle Stromverbraucher um. Warum war das eine Initialzündung?

Weil es für Planungssicherheit sorgte. Investoren konnten ihre Kredite kalkulieren, die steigende Nachfrage senkte die Herstellungskosten und stimulierte die Forschung: Solarzellen haben heute gut den doppelten Wirkungsgrad, kosten aber nur noch 10 Prozent dessen, was sie vor einem Vierteljahrhundert kosteten.

Die Zäsur kam mit der Koalition aus Union und FDP ab 2009?

Union und FDP strichen die Vergütung für Solarenergie so dramatisch zusammen, dass der Markt um 85 Prozent einbrach. Und weil mit diesem Einbruch der Heimatmarkt verloren ging, schlitterten die deutschen Solarfirmen massenhaft in die Pleite. Fairerweise muss man dazu sagen, dass zuvor der Ausbau deutlich schneller voranging, als selbst die rot-grüne Vorgängerregierung beabsichtigt hatte. Das führte dazu, dass relativ hohe Stromkosten über die EEG-Umlage produziert wurden. Deshalb gab es viel Widerstand gegen die Energiewende nicht nur von den klassischen Energiekonzernen.

Wie könnte die Solarindustrie hierzulande wiederbelebt werden?

Das würde sehr hohe Summen kosten. Es ist eine Illusion zu sagen: Wir nehmen jetzt mal eine Milliarde Euro in die Hand, und dann haben wir auf Dauer eine wettbewerbsfähige Solar­industrie. Man müsste auf europäischer Ebene richtig klotzen, um hier so eine große Solarindustrie aufzubauen, die von den Stückzahlen her mit China konkurrieren könnte. Diese Ambi­tio­nen gibt es auf europäischer Ebene nicht. Dort gibt es das Ziel, dass 40 Prozent der hier verwendeten Solarmodule in Europa gefertigt werden sollten. Das heißt auch, dass 60 Prozent weiterhin aus China kommen. Aber sinnvoll wäre das Ziel, eine Produktion von 120 Prozent zu erreichen, also über die Selbstversorgung hinaus zu produzieren, sodass europäische Hersteller den Kampf um die Exportmärkte aufnehmen könnten. Dann hätten die Hersteller preislich eine Chance. Das wäre aber sehr teuer. Das wird von keiner Partei gewollt und ist politisch nicht in der Diskussion.

Immerhin gibt es in Deutschland noch eine solide Forschungslandschaft auf dem Gebiet der Sonnenkraft. Könnte Deutschland durch Innovation wieder vor die Bugwelle kommen?

Wir stehen in den kommenden zwei, drei Jahren vor einem Technologiewechsel. Bei der jetzigen Solartechnik sind wir technologisch am Limit. Wir verwenden derzeit Silizium als Rohstoff. Die nächste Generation der Solarzelle wird eine andere Technologie sein, die effektiver ist. Derzeit werden sogenannte Perowskit-Tandemsolarzellen sehr stark gehypt. Das ist eine Kombination aus Silizium und dem Material Perowskit. Durch die Kombination beider Materialien lassen sich viel höhere Wirkungsgrade erzielen. In China schielen alle großen Hersteller auf diese Technologie. Es gibt auch in Deutschland ein Start-up, das in diesem Bereich voranzugehen versucht. Wenn die deutsche Regierung unabhängiger werden will, wäre es sinnvoll, auf die neue Technologie zu setzen und zu sagen: Wir ballern da jetzt mal richtig rein.

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5 Kommentare

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  • Ich denke, Abhängigkeit durch PV-Module ist nicht vergleichbar mit Gas, weil Gas ein Brennstoff ist, der verbraucht wird. Module sind Investitionsgüter, einmal aufgebaut liefern sie 25-30 Jahre Strom aus der Sonne. Die Abhängigkeit kann also nur den Zubau behindern, nicht unsere Stromversorgung.



    Was die europäischen Hersteller früher / bisher geliefert haben, ist gemessen an den derzeitigen Installationszahlen im einstelligen Prozentbereich, und vermindert die Abhängigkeit unwesentlich.

    Das EU-Ziel mit 40% Modulfertigung, aber ebenso der Vorschlag von über 100%, ist wenig robust, wenn nicht auch die Zellen hier gefertigt werden, und Halbleiterfertigung ist viel aufwändiger und teurer als die fertigen Zellen zu verdrahten und hinter Glas zu kleben.

    Aus meiner Sicht wäre es klug, bei den derzeit billigen Modulpreisen eine strategische Reserve an Modulen anzukaufen (bis zu einem Jahr Zubauvolumen, sei es durch EU oder D), um bei "Lieferengpässen" bzw. Sanktionen nicht sofort auf dem Trockenen zu sitzen.

  • Die Argumente zu den Boykottmöglichkeiten Chinas kann ich nicht nachvollziehen.



    1. Wenn China keine Solarmodule an D liefert soll das China schaden, obwohl der Markt in China 100 mal so groß ist?



    2. Weiterhin soll es für China zielführender sein keine Mikrochips für Wechselrichter mehr zu liefern, da dann in D keine Solaranlagen mehr gebaut werden könnten. D



    Dann wird D auch keine Solarmodule mehr kaufen, womit wir bei 1. wären.

    Dann würde mich noch interessieren, wenn alle zwei-drei Jahre neue Solarmodulfabriken gebaut werden, was passiert mit den Alten?

    • @0 Substanz:

      1. China würde zweifellos nicht speziell D boykottieren, wirksam wäre nur ein Boykott der EU insgesamt oder sogar alle westlichen Länder. China braucht auch Devisen um Güter zu importieren bzw. im Ausland zu konsumieren (z.B. auf Reisen - tun wohlhabende Chinesen gerne).



      2. guter Punkt, aber der Schaden der feindlichen Wirtschaft wäre ein Vielfaches. In einem Handelskrieg will man genau das. Bei entsprechendem Schmerz werden Forderungen nach Lockerung laut.

      Die neuen Fabriken kommen zu den vorhandenen dazu, der jährliche Ausstoß an Zellen und Modulen wächst momentan massiv (ich vermeide das Wort exponentiell, da es mathematisch wohl nicht zutrifft). China macht im Inland große Fortschritte bei der Energiewende, aber hat immer noch viel vor sich.

      • @Münchner KE:

        Eventuell habe ich es unübersichtlich formuliert. Deshalb:

        Warum ist es für China besser über den Umweg über Mikrochips weniger Solarmodule zu verkaufen als direkt den Export von Solarmodulen zu beschränken?



        Schon klar, daß die Mikrochips mehrere Bereiche treffen, für mich ist nur die Argumentation im Interview nicht nachvollziehbar.

  • Und wieder wird die Energiewende auf die Stromproduktion (ca 18%) reduziert. Die anderen 82% bleiben erstmal.