Energieausschuss der AfD: Sammelbecken der Klimaskeptiker
Nach taz-Recherchen dominieren Leugner des Klimawandels den Energieausschuss der Anti-Euro-Partei. Und die wollen noch mehr.
BERLIN taz | Dem Parteivorsitzenden war die Sache offensichtlich unangenehm: Als bei einer Pressekonferenz der Alternative für Deutschland (AfD) im Juli Stephan Boyens als Mitglied der Energie-Arbeitsgruppe der Partei den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel infrage stellte, relativierte Bernd Lucke diese Aussage sofort. Es handele sich um eine „persönliche Meinung“. Die Partei hingegen stelle „nicht grundsätzlich infrage, dass es wissenschaftliche Evidenzen gibt, dass CO2 ein Klimakiller ist“, sagte der AfD-Chef.
Doch die angeblich „persönliche Meinung“, dass der Mensch keinen relevanten Einfluss auf das Klima hat, ist in der Partei weit verbreitet. Von den 15 Mitgliedern des „Bundesfachausschusses Energiepolitik“, der für das Thema zuständig ist, gehören nach taz-Recherchen mindestens zwölf eindeutig zum Lager der Klimaskeptiker.
Darunter ist etwa Michael Limburg, Vizepräsident des Europäischen Instituts für Klima und Energie EIKE, die wichtigste Stimme der deutschen Klimaleugner. Im Internetdiskussionsforum des Instituts ist ein großer Teil der AfD-Arbeitsgruppe aktiv und wirbt dort teilweise für die Mitarbeit in der Partei.
Klar positioniert hat sich auch Günter Keil, der zunächst als Sprecher der Gruppe agierte. Er unterschrieb – ebenso wie zwei weitere der heutigen AfD-Energieexperten – 2009 einen offenen Brief, in dem Kanzlerin Angela Merkel aufgefordert wird, sich von der „Pseudoreligion“ des Klimawandels zu distanzieren, weil es „keine CO2-kausal begründbare globale Erwärmung“ gebe. Ähnlich argumentierte Keil in einem Aufsatz für das Magazin NovoArgumente.
Öko-Märchenbuch und Klimawahn
Robert Schregle, AfD-Bundestagskandidat aus Passau, auch er Mitglied im Bundesfachausschuss Energie, verbannt Klimaschutz im Internet ins „Öko-Märchenbuch“, denn: „Ein Einfluss auf das Klima ist nicht möglich.“ Und Klaus Peter Krause, früher FAZ-Redakteur und jetzt ebenfalls Mitstreiter im AfD-Energieausschuss, polemisiert im neurechten Magazin eigentümlich frei gegen „Klimawahn“ als „neue Religion“.
Die AfD-Pressesprecherin Dagmar Metzger teilte dazu mit, der Bundesfachausschuss Energie könne nicht eigenmächtig Positionen festlegen, sondern sei nur ein „Beratungsgremium“ für den Vorstand. Doch diese Beratung scheint zu fruchten. Die stellvertretende AfD-Vorsitzende Frauke Petry sagte im August in einem Interview mit der Thüringischen Landeszeitung, die Partei sollte „eine Diskussion über CO2 als Klimakiller beginnen“. Denn: „Viele Wissenschaftler sind da äußerst skeptisch.“
Und auch Parteichef Bernd Lucke, der den Klimaskeptikern im Juni noch entgegengetreten war, äußert sich mittlerweile anders. In einem Interview mit dem Anti-Energiewende-Verein NAEB, das nach Auskunft der Betreiber offiziell autorisiert wurde, sagte er Ende August zum Einfluss von Kohlendioxid auf das Weltklima: „Wie groß dieser Effekt ist, ist wissenschaftlich umstritten. Möglicherweise ist er kleiner als bislang gedacht.“
Das offizielle AfD-Programm zur Bundestagswahl widmet der Energiepolitik nur wenige Sätze. Der Klimawandel wird dort nicht thematisiert. Auch ein ausführlicheres Positionspapier stellt ihn nicht infrage. Einige Mitglieder wie EIKE-Vizepräsident Limburg sind darüber enttäuscht. „Es ist bedauerlich, dass die Partei da noch so zögerlich ist“, sagte er der taz. „Ich bemühe mich, das zu ändern.“
Ulrich Wlecke, AfD-Bundestagskandidat in Nordrhein-Westfalen und ebenfalls im Energieausschuss aktiv, hält die Zurückhaltung hingegen für strategisch klug. Angesichts der verbreiteten öffentlichen Meinung sei „der Glaube an CO2 als Klimatreiber nicht so schnell zu erschüttern“, schreibt er auf seiner Webseite. Darum plädiert Wlecke dafür, auf solche Debatten derzeit zu verzichten – „so notwendig sie langfristig auch sind“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin