piwik no script img

Fernsehmeteorologe leugnet KlimawandelFrance2 feuert Wetterfrosch

Philippe Verdier behauptet in einem Buch, der Klimawandel sei ein „Komplott“ und wird entlassen. Das leistet Verschwörungstheorien Vorschub.

Für Klimaskeptiker ist er jetzt ein Märtyrer: Metereologe Philippe Verdier Foto: afp

Vorhersagen sind eine riskante Sache. Das weiß niemand besser als der Fernsehmeteorologe Philippe Verdier. Jahrelang hat der 47-jährige Journalist den französischen Zuschauern vor der Wetterkarte des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders France2 Regen, Schnee und Sonnenschein prophezeit. Jetzt hat ihn der Sender fristlos gefeuert.

Aber nicht, weil er sich bei seinen Wetterprognosen geirrt hat: Streitpunkt ist das neue Buch Verdiers, in dem er den Klimawandel anzweifelt. Verdier habe seinen Status als Meteorologe bei France2 genutzt, um Werbung für sein Buch zu machen, nennt der Fernsehsender als Grund für die Kündigung. Doch Klimaskeptiker sehen darin einen Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen.

Ein „Komplott“, ein „weltweiter Skandal“ und eine „Höllenmaschine, um uns Angst zu machen“: So bezeichnet der Wetterfrosch von France2 die ganze Klimadebatte im Vorfeld der UN-Klimakonferenz, die Ende des Monats in Paris ansteht. So behauptet Verdier, alle Zweifel seien aus dem Bericht der „politisch manipulierten“ Experten des UN-Klimarats IPCC „ausradiert“ worden. Es scheint, als habe der Meteorologe diesen Bericht niemals angeschaut – denn darin werden sehr ausführlich Ungewissheiten, Fehlermargen und verschiedene Szenarien dargestellt.

Falsch ist unter anderem auch die Behauptung Verdiers, dass diese Experten von ominösen Lobbys bezahlt würden. Und das ist bei Weitem nicht die einzige Behauptung, für die er den Beweis schuldig bleibt oder keine Quelle nennt.

Schnell entsteht der Eindruck, dass Verdier, der sein Buch unbedingt noch vor der Klimakonferenz herausgeben wollte, weitgehend nur vom Hörensagen in Kreisen der Klimaskeptiker ausgegangen ist und für ein bereits hellhöriges Publikum von Verschwörungstheoretikern schreibt. Die halten es ohnehin für eine ausgemachte Sache, dass man ihnen eine störende Wahrheit verbirgt und dafür auch jede und jeden mit einer anderen Meinung zum Schweigen bringt.

Klimawandel? Weniger Heizkosten!

Seine Fans hat Verdier in einem Video im Internet von der Kündigung unterrichtet: „Jeden Abend richte ich mich an 5 Millionen Franzosen, um euch von Wind, Wolken und Sonne zu reden. Aber was wirklich ist, darf ich nicht sagen, weil das nicht der richtige Ort ist: Wir sind Geiseln eines weltweiten Skandals mit der Klimaerwärmung. Diese Höllenmaschine dient dazu, uns Angst zu machen.“

Geradezu peinlich wird das Buch mit dem Titel „Climat Investigation“, wenn Verdier naiv meint, für Frankreich wären doch ein paar Grad Celsius nur von Vorteil: weniger Heizkosten, weniger Pausen für die Bauwirtschaft und eitel Sonnenschein für die Tourismusbranche...

Juristisch sind die Gründe seiner Entlassung fragwürdig. Nun leistet Verdier den Klimaskeptikern, die weiterhin alle möglichen Vorwände finden und erfinden, um die CO2-Emissionen nicht reduzieren zu müssen, einen unschätzbaren Dienst: Mit seiner Entlassung wird er zu ihrem Märtyrer, sein Buch verkauft sich bestens. Wenigstens das war vorauszusehen.

Verdier ist vielen Franzosen bekannt: Seit 2012 war er Chef des Wetterdiensts und gab anscheinend sachkundig Auskunft über das Klima und Unwetterkatastrophen in Frankreich. Sein Video im Internet, in dem er sich als Opfer von Zensur bezeichnet, wurde am ersten Tag schon von Zehntausenden angeschaut. Eine Petition für den Wetterfrosch gibt es bereits.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • War die TAZ nicht auch mal gegen Berufsverbote?

  • Liebe taz-Redaktion, guter Artikel. Aber ich würde mir wünschen, dass ihr Klimawandelleugner wie Philippe Verdier nicht als Skeptiker bezeichnet. Skeptiker sind Leute, die etwas kritisch hinterfragen, das kann man i.d.R. von sogenannten Klimawandel"skeptikern" nicht behaupten.

    Gleichermaßen ungünstig ist es Verschwörungsgläubige als Verschwörungs"theoretiker" zu bezeichnen. Für den häufig verbreiteten typischen Verschwörungsunsinn gibt es meist nur Glaubensätze zu folgen, die von Verschwörungsgurus verbreitet werden. Echte Belege für viele verbreitete Verschwörungsmystiken gibt es i.d.R. nicht. Eine Theorie hingegen versucht die ein Stück der Realität zu beschreiben und es sollte genügend Belege und Hinweise für ihre Richtigkeit geben, um sie als Theorie bezeichnen zu können.

    Skeptiker und Theoretiker klingen für meinen Geschmack zu sehr so, als ob man ihre Behauptungen ernst nehmen sollte. Die im Artikel so Bezeichneten sollte man aber nicht ernst nehmen. Sie verweigern sich Tatsachen und wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind für Fakten nicht zugänglich (ähnlich wie alle möglichen Chauvinisten, Rassisten, Fremdenhasser usw).

    • @Susanna Knotz:

      Woher wissen Sie, dass die Sachargumente der Klimaskeptiker falsch sind?

    • @Susanna Knotz:

      Korrekt, im Sinn einer sachlichen Auseinandersetzung, gar einer wissenschaftlichen Debatte ist das keinesfalls.

       

      Klassiche wissenschaftliche Methodik: These >> Methode>> Falsifikation ist alles was hier weiterhilft.

       

      Das theologische Geschwätz von "Leugner" oder "Gläubigen" ist unter aller Sau, ganz unwissenschaftlich geschrieben.

       

      Auch sei angemerkt dass das Wort "Wahrheit" in einer wissenschaftlichen Diskussion nichts verloren hat. Das gehört gleichfalls in die Sphäre der Theologen.