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Ende für Volksbegehren zum MietenstoppAm Ende muss der Bund ran

Patrick Guyton
Kommentar von Patrick Guyton

Letztlich wird Karlsruhe darüber entscheiden, ob Länder Mieten in Eigenregie deckeln dürfen.Wenn nicht, muss die Stunde der Bundespolitik schlagen.

Trotz Erfolg beim Unterschriftensammeln: Erstmal kein Volksbegehren „6 Jahre Mietenstopp“ Foto: Sigi Jantz/Mieterverein München

D ie bayerische Verfassung ist ein schön zu lesendes Werk. Darin steht in Artikel 106, Absatz 1 der ebenso einfache wie eindeutige Satz: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.“ Spätestens seit Donnerstag wissen die Bürger Bayerns, welche Bedeutung diese Aussage für das konkrete Leben hat: Im Zusammenhang mit dem Volksbegehren „Sechs Jahre Mietenstopp“ sei sie „irrelevant“, sagte Bayerns Verfassungsgerichtspräsident Peter Küspert wörtlich. Sprich: Verfassungslyrik.

Für die Mieter in München und anderen Städten, von denen viele existenzielle Angst haben und fürchten, die nächste Erhöhung nicht mehr zu verkraften, ist das Urteil ein Schlag. Die rechtlichen Winkelzüge, mit der das Mietenstopp-Bündnis ein Landesgesetz formen wollte, mögen kühn gewesen sein. Sie haben dem trocken-analytischen Blick der Verfassungsrichter nicht standgehalten, die das Volksbegehren nicht zuließen.

Dass es aber so weit gekommen ist, dass 52.000 Bürger unterschrieben haben und bei Zulassung die Landesregierung in arger Schwierigkeit gesteckt hätte, zeigt die Dimension des Problems. Bundesrecht geht vor – doch mehr Differenzierungen für Länder und Regionen sind dringend nötig. München oder Berlin sind nicht die Oberpfalz oder die Lausitz. Darauf muss der Bund eingehen und daran arbeiten, wie das zu verändern ist. Wenn die Mieten nicht einmal für sechs Jahre eingefroren werden können, dann schreitet die Gentrifizierung immer weiter voran, und dann verlässt auch die finanzielle Mittelschicht die Städte.

Der bayerische Mietenstopp und der Berliner Mietendeckel hängen zusammen, auch wenn sie sich inhaltlich unterscheiden. Letztlich wird Karlsruhe darüber entscheiden, ob Länder so etwas in Eigenregie dürfen. Wenn nicht, dann muss die Stunde der Bundespolitik schlagen. Für CDU/CSU und erst recht für den neuen großen Kümmerer Markus Söder reicht es dann nicht mehr, phrasenhaft von mehr Neubau und der Selbstregulierung des Marktes zu reden. Und ansonsten wegzuschauen.

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Patrick Guyton
Autor
Lebt in München, schreibt über mögliche und unmögliche bayerische Begebenheiten. Jahrgang 1967, aufgewachsen im Stuttgarter Raum. Studierte in München und wurde dort zum Journalisten ausgebildet. Es folgten viele Jahre als Redakteur in Ulm, zuständig für Politik und Reportagen. Nun frei atmend und frei arbeitend in der Bayern-Metropole.
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13 Kommentare

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  • Wer will schon in Neubauten wohnen? Die stürzen doch ein!

  • Und wieder mal ein Presseartikel über die Tätigkeit dieses "Verfassungsgerichts" ohne Erwähnung der extremen Parteilichkeit seiner Richter, auch nicht über die immerhin drei Gegenstimmen (Wie sind denn diese drei Nicht-CSU-Parteigänger an ihre Ämter gelangt ?) und ihr Votum...

  • Sich auf staatliche Preisregulierung festzulegen ist Augenwischerei: so wird keine einzige neue Wohnung geschaffen. Fehlende Wohnungen, sprich wenig Angebot bei viel Nachfrage, sind aber der Grund für steigende Preise.



    Und warum wird nicht ausreichend gebaut? Weil gerade auch linke Regulierungswut, Volksbegehren gegen jeden Bauplatz und vermeintlicher Klimaschutz am Bau die Preise in die Höhe treibt. Das wiederum treibt die Mieten - und am Ende präsentiert man sich mit Preisdeckeln als Retter der selbst verschuldeten Misere.

    Gerade in Berlin hat unter roter Regierung der Ausverkauf der Sozialwohnungen begonnen. Einst billigst verramscht fehlt nun das Regulativ am Mietenmarkt. Aber anstatt die Fehler einzugestehen und wieder Sozialwohnungsbestand aufzubauen um das langfristig zu verbessern, erklärt sich der Sheriff von Nottingham lieber einfach selbst zu Robin Hood um sich bei den Opfern seiner eigenen Politik einzuschleimen.

    Was für ein Hohn. Die TAZ legt das aber nicht offen, nein, sie macht die Märchenstunde der Pseudo-Robin Hood Nummer lieber mit. Was ist schon wirksame Politik gegen Populismus? Gibt es ein Problem, dann vereinfacht ein personifiziertes Feindbild die Sache erheblich. Spaltung ist viel einfacher und lukrativer als eine mühsame, langfristige Verbesserung - und bringt auch mehr potenzielle Abonnenten, da man sich als deren „Anwalt“ gerieren kann. Das mag die Leserin.

    • 0G
      09399 (Profil gelöscht)
      @hup:

      Die Regulierung der Mieten soll gar keine neuen Wohnungen schaffen - denn das geht nur mit Neubau. Was der Mietendeckel aber leistet: Die Begrenzung der inzwischen rein spekulativ in die Höhe getriebenen Mieten.



      Die Maximalmieten in Berlin haben nichts mehr mit den Kosten für einen nachhaltigen Betrieb der Wohnungen und Häuser zu tun. Investor*innen kaufen Immobilien und spekulieren auf Wert- und Mietsteigerungen. Dank Mietendeckel ist dieser Preisspirale, die für viele Mieterinnen und Mieter nicht bezahlbar ist, jetzt zumindest vorläufig ein Ende gesetzt.



      Auf der anderen Seite ist der Bau von Sozialwohnungen natürlich weiterhin unbedingt notwendig! Da gebe ich Ihnen recht. Es bringt aber nichts, Mietendeckel und Neubaupolitik gegeneinander zu setzen. Beides sind notwendige Maßnahmen, um Mieter*innen zu entlasten und die Luft aus der Spekulationsblase zu lassen.



      Dass es eine rot-rote-Regierung war, die große Wohnungsbestände der öffentlichen Hand privatisiert hat ist ein Skandal. Es bedeutet aber nicht, dass daraus nichts gelernt wurde.



      Und schließlich: Der Mietendeckel ist ein Instrument, das zu großen Teilen ein Zugeständnis an die Mieter*innen ist. Ohne den Druck von zahlreichen Initiativen (40.000 Menschen auf der großen Mietenwahnsinns-Demo 2019) wäre das so nie beschlossen worden.



      Und was die verkauften Bestände betrifft: Das sollte zügig rückgängig gemacht werden. Mit Deutsche Wohnen & Co. enteignen liegt ein entsprechender Vorschlag vonseiten der Mieter*innen ja schon vor ;)

      • @09399 (Profil gelöscht):

        solange die innenstadt bezirke beliebter sind als die außenbezirke müssen sie auch teurer sein..... das ist einfach logisch deer preis ist der einziege faktor der die nachfrage regulieren kann

    • @hup:

      Es gibt keinen Mangel an existierendem potentiellem Wohnraum , aber einen eklatanten Mangel an Raum, der zum bezahlbaren Wohnen zur Verfügung steht. Das aber ließe sich politisch lösen. Bisher scheint sich darum jedoch nur die Linke zu kümmern, während die anderen Parteien zusehr mit der Wohnungswirtschaft verbandelt zu sein scheinen.



      Wenn ich das Argument Neubau höre kriege ich das Kotzen. In Großstädten wird bereits verdichtet bis zum Gehtnichtmehr. Zu Lasten der Lebensqualität der Bewohner, der Infrastruktur und des sozialen Gleichgewichts. Und dabei werden alle Schlupflöcher ausgenutzt um so wenig wie möglich Sozialwohnungen zu bauen. Auf der anderen Seite stehen hunderte Gebäude und Wohnungen als Spekulationsobjekte leer.



      Kommen Sie mir also bitte nicht mit Angebot und Nachfrage.

      • @Abreger:

        Ich habe jetzt nichts in ihrem Posting gelesen was den Preiseffekt von Angebot und Nachfrage in Frage stellt, im Gegenteil. Man müsste auch nicht nur urban nachverdichten - aber das Credo ist immer noch, dass sich Städte nicht auf Kosten „der Natur“ in die Fläche ausdehnen dürfen - irgendwo muss man aber bauen für eine zunehmende Bevölkerung (trotz Geburtenrückgang), und die Neubürger wollen halt Partout nicht in Sachsen in leerstehende Dörfer ziehen.



        Nachverdichtung ist ebenfalls primär eine Idee von Grünen und Linken.

  • Grundsätzlich sollte man die Höhe der Mieten vom Einkommen der Mieter*innen abhängig machen.

    • @C.O.Zwei:

      Was das für die Wohnungssuche einkommensschwacher Mieter bedeutet, kann man sich leicht ausmalen...

  • Markus Söder und Mietendeckel?



    Der Staatswohnungsverkäufer Nr. 1 soll den Mietzins begrenzen. Das wird wohl nix werden. Is scho in Bayern nix worn.



    Ob Patrizia bald wieder neue Flächen geschenkt bekommt?

  • Na wir haben doch schon die bundesweite Mietpreisbremse. Das sich sowas mit einem Mietenstopp/Mietendeckel beist liegt wohl klar auf der Hand. Der Bund reguliert doch bereits.

    • 0G
      09399 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Die Mietpreisbremse ist leider ein zahnloser Tiger geblieben. Sie hat den verschärften Anstieg der Mieten zumindest in Berlin nicht wirklich bremsen können.



      Mit hohen Renovierungskosten kann die Mietpreisbremse umgangen werden. Außerdem sind die Kappungsgrenzen so hoch, dass oftmals auch bei heftigen Mieterhöhungen die Mietpreisbremse nicht zieht - falls die Mieterinnen und Mieter sie trotz der hohen Hürden überhaupt zur Anwendung bringen.



      Deshalb braucht es zusätzlich zur bundesweiten Mietpreisbremse auch lokale (Berliner) Regulierung, die diese Defizite der Mietpreisbremse behebt - eben den Mietendeckel.

      • @09399 (Profil gelöscht):

        Wenn die Mietpreisbremse ein zahnloser Tiger sein sollte, dann ist es Sache des Bundes dies zu ändern. Da der Bund Regelungen zur Begrenzung von Miethöhen aufgenommen hat, ist das Land in dieser Frage nunmahl ausgeschlossen.