Ende einer Ära beim FC Bayern: Die große Abschiedsmesse
Er hat fertig: In der Münchner Olympiahalle dankt ein ergriffener Uli Hoeneß als Präsident des FC Bayern ab. Es gibt Blasmusik und Standing Ovations.
Er hat noch keinen Ton gesagt, da muss er schon kämpfen, mit den Tränen der Rührung. Fünf Minuten vor der Zeit ist Uli Hoeneß losmarschiert Richtung Podium, das er zum letzten Mal als Präsident betritt und drei Stunden später als Aufsichtsratsmitglied verlassen wird. Handgestoppte zwei Minuten 30 lässt er die erste von zig Standing Ovations der 6.091 Vereinsmitglieder in der Olympiahalle auf sich niedergehen, ruckelt kurz am Mikro, meint „Irgendwann müssen wir mal anfangen“ – um dann doch noch eine weitere Minute im Fan-Gesang zu baden: „Uli Hoeneß, du bist der beste Mann!“, schallt es durch die keineswegs proppenvolle Halle.
Und er hat immer noch keinen Ton gesagt, da wird es noch härter für ihn: Vom Scheinwerferkegel eingefangen, bringen Franck Ribéry, Arjen Robben und Basketball-Boss Marko Pešić die drei jüngsten Pokale quer durch die Halle hoch zum Podium – eine gelungene Überraschung und großes Gefühlskino für Hoeneß, bei dem der Kehlkopf jetzt viel zu tun hat. Um 19.08 Uhr ist er dann endlich dran – und schon fertig mit den Nerven. Kein Wunder, dass er seine Wiederwahl gleich versehentlich im Jahr 1916 datieren wird. Es ist ja auch alles ein bisschen viel auf einmal.
Um Punkt 22 Uhr packt Uli Hoeneß seinen Papierkram zusammen, nickt kurz ins Auditorium und tritt tatsächlich ab, nimmt unten beim Fußvolk Platz, wenn auch in Reihe eins. 43 Minuten später heißt der neue Präsident Herbert Hainer, sein Sitznachbar, gewählt bis 2022, mit 79 Nein-Stimmen und 36 Enthaltungen. Der war in seiner Bewerbungsrede erstmal über die Dörfer gegangen: „Der FC Bayern ist der beste Klub in der Welt.“ Sein Credo: Werte stärken, Tradition leben. Sein Mantra: „Wir bleiben Mia san mia!“ Sein Versprechen: Sachverstand, Netzwerk und Leidenschaft. Sein großer Traum: ein Bayern-Sieg im nächsten Finale dahoam 2022. So was will er hören, der Bayern-Fan. Eine der ersten Amtshandlungen Hainers: der Antrag, Hoeneß zum sechsten Ehrenpräsident des deutschen Rekordmeisters zu ernennen. Abgestimmt wird erst gar nicht.
Die große Abschiedsmesse des Mr. FC Bayern. Am Merchandisingstand gibt es Hoeneß-Gedächtnis-Trikots mit der Zehn, seiner Rückennummer zu aktiven Zeiten. Später wird das ganze Präsidium und auch Adabeis wie Edmund Stoiber sich ein solches Leiberl übers Anzughemd würgen, was dann schon wieder lustig aussieht. Davor spricht der Scheidende nochmal, ruft die künftige Chef-Riege zur internen Geschlossenheit auf („Die Gegner sitzen draußen, die dürfen nicht zu Hause sein. Ihr müsst ein starkes Team bilden, ihr müsst stark sein“), fordert, der Verein müsse „sozial sein, selbstbewusst sein, nicht arrogant“.
„Mia san Uli!“
Und er erzählt von einer sonntäglichen Fahrt am 6. Juli 1970 mit seinem BMW 2002 von Ulm nach München, zu seinem neuen Arbeitgeber, dem FC Bayern: „Auf der Schellingstraße bin ich glatt über rot gefahren, habe einen Crash gebaut und mir gedacht: ‚Das geht ja gut los!‘“ Die Granden Beckenbauer, Maier und Müller siezte er auf dem Platz nicht lange, und als Manager sei es sein Glück gewesen, dass es den Kalle Rummenigge gab: „Den habe ich für elf Millionen verkauft – seitdem hat der FC Bayern nie mehr Schulden gehabt.“ Mit den Worten „Es war eine wunderschöne Zeit. Das war's! Ich habe fertig. Danke.“ setzt die nächste Ovation ein, rund drei Minuten 30, sogar ein Bühnen-Bussi für Frau Susi ist drin.
Uli Hoeneß über seine Zukunft
Es folgt Karl-Heinz Rummenigge, seines Zeichens ein wahres Sedativum von einem Redner. Er würdigte einmal mehr die Verdienste von Hoeneß („Du, lieber Uli, hast diese Mia-san-mia-Maschinerie am Laufen gehalten wie kein anderer“) und schloss seine Ausführungen nach gefühlt siebeneinhalb Stunden mit den Worten „Mia san Uli!“ Hoeneß bedankte mit einem vergifteten Kompliment: „Ich wusste gar nicht, dass du so emotional sein kannst!“ Woraufhin Rummenigge immerhin Schlagfertigkeit bewies: „Verarschen kann ich mich selber.“
Neu-Präsident Hainer schließt die historische Versammlung dann endlich um 0.30 Uhr. Zu Ende ist es aber noch nicht: Aufmarsch der Blaskapelle „14 Hoibe“ aus Höslwang. Für den alten und den neuen Präsidenten geht es zu Humtata-Klängen noch flott zur Pressekonferenz, wo Hoeneß ganz ergriffen meint: „An den Abend werde ich noch lange denken.“ Im Terminkalender stehe jetzt erst mal nix: „Das hat es ja noch nie gegeben.“ Zu den Auswärtsspielen werde er nicht mehr fahren, wolle sich nirgends aufdrängen: „Ich werde jetzt nicht zwei Mal die Woche an die Säbener Straße fahren und schauen, ob die Wimpel noch da sind.“ Schon klar: Solche Texte werden fehlen.
Und dann, kaum ist es 1.06 Uhr und die Veranstaltung keine sechs Stunden und elf Minuten alt, ist Uli Hoeneß endlich in Rente. Zumindest offiziell. Wie hatte er gerade noch gesagt: „Jetzt kann ich meine Meinung ja viel deutlicher sagen.“
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