Emmanuel Macrons Rentenreform: Wider die eigene Vernunft

Noch 2019 hat sich Macron gegen eine Erhöhung des Rentenalters ausgesprochen. Nun will er von den guten Argumenten von einst nichts mehr wissen.

Rote Fahnen über einer Menschenmenge

Protest gegen Macrons Rentenreform am 7. Februar in Nantes Foto: Stephane Mahe/reuters

Nicht immer war Emmanuel Macron für eine Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters von 62 auf 64 Jahre. Noch vor drei Jahren hat er sich im Gegenteil mit guten Gründen dagegen ausgesprochen. Heute möchte er dazu lieber nicht zitiert werden – jetzt, wo seine Regierung mit der Rentenreform in der Bredouille ist. Natürlich scheuen sich die Geg­ne­r*in­nen der von Premierministerin Elisabeth Borne im Parlament verteidigten Reform nicht, diese Argumente nun wieder hervorzuholen.

Aus zwei Gründen hielt es Macron 2019 nicht für ratsam, von den Erwerbstätigen in Frankreich zu verlangen, für eine volle Altersrente zwei Jahre länger zu arbeiten. Diese Maßnahme, so Macron damals, wäre politisch unklug und provozierend: „Sie ist zu direkt, und ich habe versprochen, das nicht zu tun. (Außerdem) wollen wir eine viel umfassendere, tiefer greifende Reform mit der Schaffung eines Punktesystems.“ Die Idee mit einem (undurchschaubaren) Punktesystem zur individuellen Rentenberechnung stieß auf so viel Ablehnung, dass sie rasch aufgegeben wurde.

Kosten bloß verschoben

Macrons zweiter Einwand gegen ein höheres Rentenalter bleibt aktuell: „Solange wir in unserem Land das Problem der Arbeitslosigkeit nicht gelöst haben, wäre es, ehrlich gesagt, geradezu heuchlerisch, die Altersgrenze nach oben zu verschieben.“ Stellensuchende über 50 haben es besonders schwer, Arbeit zu finden. Sie werden auf dem französischen Arbeitsmarkt noch mehr diskriminiert als anderswo. Von den 60- bis 64-Jährigen waren 2021 gerade noch 38 Prozent berufstätig. De facto würde darum mit der Erhöhung des Rentenalters die Zahl der ältesten Langzeitarbeitslosen und der Langzeit-Krankgeschriebenen erhöht und somit Kosten bloß verschoben.

Was Macron 2019 wusste, will Macron 2023 nicht mehr wissen. Da er seit seiner Wiederwahl zum Regieren keine Mehrheit mehr hat und die Unterstützung der Konservativen benötigt, übernimmt er kurzerhand deren ideologische Forderung „Die Franzosen müssen länger arbeiten!“, ohne sich um die Langzeitfolgen für die Betroffenen zu scheren.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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