Debatte über Rentenreform in Frankreich: Zwischen Parlament und Straße

In Frankreich beginnt das Parlament eine Debatte über die Rentenreform. Und die Gewerkschaften mobilisieren zu einem dritten Protesttag.

Der vollbesetzte Saal des französischen Parlaments

In nur zehn Tagen soll Frankreichs Parlament die unpopuläre Rentenreform durchwinken Foto: Christophe Ena/ap

PARIS taz | Am späten Montagnachmittag hat in der Nationalversammlung die Debatte über die umstrittene Rentenreform begonnen – einen Tag, bevor die Gewerkschaften zu einer dritten Protestrunde insbesondere gegen die geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre auf die Straße gehen wollen. In seiner Einleitung erklärte Haushaltsminister Gabriel Attal, es gehe um das Überleben des französischen Rentensystems: „Die Reform oder die Pleite“, so laute die Wahl für die Abgeordneten.

Mehrere Oppositionsfraktionen schlagen vor, die Rentenreform einer Volksabstimmung zu unterziehen. Einer der Anträge kam von Marine Le Pens rechtsextremer Partei Rassemblement national (RN). Diese lehnt die geplante Erhöhung des Rentenalters und die Verlängerung der notwendigen Beitragszeit auf 43 Arbeits- und Beitragsjahre ebenfalls ab, war aber im Unterschied zur linken Opposition, die Seite an Seite mit den Gewerkschaften gegen diese Reform marschiert, in der Öffentlichkeit kaum hörbar. Die extreme Rechte schlägt als Alternative zur Erhöhung des Rentenalters vor, die Französinnen sollten dank staatlicher Förderung mehr (einheimische) Babys gebären.

Die Regierung gewährt den Abgeordneten trotz der weitreichenden Bedeutung der Reform wenig Zeit. In nur zehn Tagen, bis zum 17. Februar, soll die Vorlage debattiert und mit einer Stimmenmehrheit verabschiedet sein. Sonst wird sie aufgrund des von der Staatsführung gewählten Eilverfahrens, gestützt auf den Verfassungsartikel 47.1, für angenommen erklärt und an den Senat weitergereicht. Beiden Parlamentskammern stehen insgesamt nur 50 Tage zur Verfügung.

Da die Abgeordneten der linken Allianz Nupes (Neue Ökologische und Soziale Volksunion) nahezu 20.000 Änderungsanträge eingereicht haben, um so die Debatten unendlich in die Länge zu ziehen, sah Regierungschefin Elisabeth Borne keinen anderen Ausweg als diese verfassungsrechtlich umstrittene Prozedur.

Nur 181 von 577 Abgeordneten wollen bislang zustimmen

Zudem ist es keineswegs sicher, dass sie für ihre Vorlage eine Stimmenmehrheit der insgesamt 577 Abgeordneten erhalten wird. Die drei Pro-Macron-Fraktionen (Renaissance, Modem und Horizons) verfügen nicht mehr über eine absolute Mehrheit. Und mehrere Abgeordnete des Regierungslagers kritisieren die Reform offen als „sozial ungerecht“ oder diskriminierend für Frauen und Senioren.

Borne setzt auf die Stimmen der konservativen Oppositionspartei Les Républicains. Diese ist zwar für die Erhöhung des Rentenalters, fordert aber weitere „Verbesserungen“.

Noch am Sonntag hatte die Premierministerin den zögernden konservativen Abgeordneten in Aussicht gestellt, sie könne ihnen in einem Punkt entgegenkommen: Wer schon mit 20 Jahren erwerbstätig wurde und dann 43 Jahre gearbeitet habe, könne schon mit 63 in Rente gehen. Ob diese geringfügig anmutende Konzession etwas bewirkt, ist noch unklar.

Zu Beginn der Debatte waren laut Medienangaben nur 181 Abgeordnete bereit, der Reform zuzustimmen. Vielleicht aber wird das Schicksal der Rentenreform gar nicht in der Nationalversammlung und danach im Senat entschieden, sondern auf der Straße. Mit Streiks und Demonstrationen am 7. und 11. Februar machen die Gewerkschaften und die politische Linke weiterhin Druck.

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