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Emissionshandel verschobenWarum Europa den CO2-Preis retten muss

Kommentar von

Gerhard Hübener

Europa war angetreten, ein verständliches Modell zur CO2-Reduktion zu entwickeln. Nun aber gewinnen Subventionen und Ordnungsrecht an Gewicht.

Deutschland ist für fast ein Viertel der Emissionen bei Heizung und Verkehr verantwortlich Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

D er Beschluss des EU-Umweltrates zur Verschiebung des Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (ETS 2) auf das Jahr 2028 wirkt auf den ersten Blick politisch vernünftig: Haushalte und Mittelstand seien am Limit, die erwarteten Preissprünge sind schwer verkraftbar, die Länder brauchen mehr Zeit, um sich anzupassen. Und diese Anpassung ist nicht in einem Jahr zu leisten.

Das Problem sind die sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in den Mitgliedstaaten. Je unsicherer aber die Höhe zukünftiger CO2-Preise sein wird, desto wichtiger sind Ordnungsrecht und Subventionen. Die Krux: Damit wird Klimapolitik ineffizient, bürokratisch und teuer. Und so sollte sie ja eigentlich nicht sein.

Der Beschluss ist Folge eines Konstruktionsfehlers im ETS 2. Einem EU-weit einheitlichen CO2-Preis stehen sehr ungleiche Durchschnittseinkommen in den jeweiligen EU-Ländern gegenüber. Die sogenannte Lenkungswirkung ist deshalb in ärmeren Mitgliedstaaten stärker als in reichen – obwohl letztere deutlich mehr Emissionen verursachen. Es war nur eine Frage der Zeit, dass dieser Punkt zum politischen Sprengstoff werden würde.

Wenn Höchstpreise nun an die schwächeren Mitgliedstaaten angepasst werden, würde der CO2-Preis in Deutschland sogar sinken. Die Motivation, in moderne Heizungen oder E-Autos zu investieren, würde erneut schwächeln. Deutschland ist aber für fast ein Viertel der Emissionen bei Heizung und Verkehr verantwortlich.

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Niedriger Preis = hoher Förderbedarf

Je niedriger der Preis, desto höher müssen die Zuschüsse zum Ausgleich fehlender wirtschaftlicher Motivation ausfallen. Niedrige CO2-Steuern bedeuten aber weniger Einnahmen für die Fördertöpfe. Ein Dilemma, welches gerade für ärmere Staaten kaum auflösbar ist.

Klar ist, dass Förderung und CO2-Preis sich ergänzen müssen. Wichtig ist nur, was im Mittelpunkt stehen soll: die Lenkung über den Preis – oder Förderprogramme. Das Ergebnis einer Studie der ETH Zürich zu den Kosten der beiden Extremvarianten Förderung oder Lenkung ist eindeutig: Die Lenkung über den CO2-Preis ist um bis zu fünfmal kostengünstiger als der Weg über die punktuelle Förderung.

Die Förderung wirkt eben nur dort, wo gefördert wird, während die Lenkung über den Preis auf jede energierelevante Entscheidung von Haushalten und Unternehmen Einfluss nimmt.

Deutlich steigende CO2-Preise sind nur durchsetzbar, wenn die Verbraucher die notwendigen Modernisierungen wie zum Beispiel mittels Wärmepumpe bereits umgesetzt haben – oder einen Kostenausgleich per Klimageld erhalten. Wir erinnern an die Ampel: Das Scheitern des Klimageldes war einer der Gründe für den Vertrauensverlust in eine sozial gerechte Klimapolitik.

Die klimagerechte Modernisierung von Heizungen und Gebäuden wird allerdings kaum in wenigen Jahren erledigt sein. Klimainvestitionen brauchen Zeit. Der CO2-Preis wirkt aber sofort und wird die Verbraucher bis weit in die Mittelschicht belasten. Deutlich steigende CO2-Preise sind in der Praxis nur umsetzbar, wenn Vertrauen in den Ausgleich der Mehrkosten besteht.

Das Klimageld könnte auch nach sozialen Kriterien gestaffelt werden. Reichere Haushalte sind eher in der Lage, sich aus den Belastungen „hinauszuinvestieren“. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat ein solches Modell vorgeschlagen. Die unteren 30 Prozent der Bevölkerung würden das volle Klimageld behalten, im mittleren Einkommensbereich wird es abgeschmolzen und bei den oberen 30 Prozent nahezu vollständig abgeschöpft.

Was Europa festlegt – und was die Staaten regeln sollten

Die Frage ist, wie Europa aus dem Dilemma von einheitlichen CO2-Preisen und sehr unterschiedlichen Durchschnittseinkommen herauskommen kann.

Klar ist, dass aus sozialen Gründen ein Preisdeckel kaum zu vermeiden ist. Aber muss dieser europaweit gelten? Schließlich stehen Heizung und Verkehr nicht im internationalen Wettbewerb. Ebenso scheinen Mindestpreise notwendig zu sein, um ein Absinken des Preises wie in Deutschland zu vermeiden.

Die Lösung aus diesem Dilemma ist möglich, wenn Europa sich auf Definition, Überprüfung und Sanktionierung klarer CO2-Minderungsziele beschränkt. Und die Mitgliedstaaten einen national angepassten Preiskorridor (mit jährlich steigendem Mindest- und Höchstpreis) festlegen. Mit der Notwendigkeit, die Preise entsprechend der Erreichung der Klimaziele nachzujustieren. Das ist schon jetzt gängige Praxis in der Schweiz.

Wenn ein schmaler Korridor wegen der Planbarkeit besser ist als ein breiter, landen wir in der Konsequenz bei der CO2-Steuer. Hier ist statt Mindest- und Höchstpreis nur ein Wert abzustimmen. In der Schweiz existiert seit 2008 eine CO2-Steuer mit Rückzahlung von 70 Prozent der Einnahmen an Verbraucher und Wirtschaft. Die restlichen 30 Prozent werden für Klimaschutzinvestitionen verwendet. Der Steigerungspfad ist per Gesetz auf Jahre hinaus festgelegt. Bei Nichterreichung der Minderungsziele wird die Steuer nachjustiert. Der CO2-Preis liegt inzwischen bei 120 Euro pro Tonne. Die Schweizer sind so zufrieden mit dem Modell, dass sie das Gesetz mehrfach per Volksabstimmung bestätigt haben.

Natürlich ist es schwierig, das Paket noch einmal aufzuschnüren. Dagegen sprechen zwei Dinge: zum einen der Beschluss, den Start des ETS 2 zu verschieben. Zum anderen die berechtigte Angst vor dem Scheitern eines zentralen europäischen Klimainstruments.

Tatsächlich fehlt ein Lösungsansatz, wie die globalen Klimaziele wirtschafts- und sozialverträglich umzusetzen wären. Europa war angetreten, eine Blaupause für wirtschafts- und sozialverträglichen Klimaschutz zu liefern. Das Schweizer Modell mit Klimageld und klaren Reduktionszielen könnte ein solches Modell sein.

Dieser Beitrag basiert auf Gerhard Hübeners neu erschienenem Buch „Den Tanker umsteuern. Wie eine Umverteilung der Abgabenlast den Weg in eine nachhaltige Gesellschaft freimacht“ (oekom 2025).

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2 Kommentare

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  • Fragt sich nur, was hier schon wieder das Gedankenspiel mit der "sozialen Staffelung" des Klimageldes soll. Selbst das DIW räumt ein, dass damit keine Härtefälle verhindert werden und die Notwendigkeit bestehen bleibt, für diese gesonderte Maßnahmen zu ergreifen.



    So eine Staffelung ist wieder total willkürlich und macht den ganzen Ansatz mit dem Klimageld kaputt, der ist an sich schön einfach und für alle verständlich.

  • Der CO2-Preis ist elegant, kann kostengünstig sein und ist in bei theoretischen funktionierenden Märkten die optimale Lösung, vgl. bereits Pigou-Steuer.



    Nur muss er auch kommen, seltsame Ausnahmeregelungen und Geschenke an die Großindustrie sollten eben nicht laufen und evtl. muss im Rahmen der WHO auch mal CO2-Dumping abgeschöpft werden.



    Da z.B. sinnvolle Verbote mit zeitiger Ansage zu machen, hat also schon noch einen Punkt, flacht das ganze verträglicher ab, verteilt es ggf. sozialer; und das Kneifen wie jetzt ist dann auch nicht so erwartbar.