Elon Musks politischer Feldzug: Der Besessene
Elon Musk hat Donald Trump den Weg zurück ins Weiße Haus geebnet, jetzt mischt er sich in Europas Politik ein. Was treibt diesen Mann?
Elon Musk ist vieles. Unternehmer, Tech-Genie, Promi, Politikberater und der Chef-Troll von Twitter, das er in X umbenannt hat. Doch eine seiner Rollen bleibt bis jetzt unterbelichtet: Er ist zum obersten Führer einer transnationalen faschistischen Bewegung geworden. Wie konnte es so weit kommen?
Rund um die Gründung des Bezahl-Dienstleisters PayPal zur Jahrtausendwende hatte sich eine Gruppe von Männern zusammengefunden, die später als „PayPal-Mafia“ bezeichnet wurde. Ihre Mitglieder gründeten in den Folgejahren zahlreiche weitere bekannte und erfolgreiche Tech-Unternehmen, darunter Youtube, Yelp und LinkedIn. Das Selbstbewusstsein dieses Männerbunds lässt sich gut daran nachvollziehen, dass man völlig unironisch Bilder von sich selbst in vollem Mafia-Aufzug für Branchenblätter fotografieren ließ. Die Tech-Bros wollten der Welt zeigen, dass sie eine so eingeschworene wie brutale Männergemeinschaft waren. Zwar sahen die ventilierten Bilder mehr nach Buben-Fasching und weniger nach „Der Pate“ aus – die Botschaft selbst kam aber wohl an.
Dieses megalomanische wie heroische Selbstverständnis wurde auch auf die Politik übertragen. Besonders drei Mitglieder der PayPal-Mafia haben in den letzten 15 Jahren unverhohlen ihren politischen Anspruch klargemacht: David Sacks, Peter Thiel und Elon Musk. Alle drei sind Immigranten, die die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarben, und die jetzt entscheidend die US- wie globale Politik bestimmen.
Thiel und Sacks sind sicherlich die Intellektuellen in diesem Trio. Sie haben bereits 1995 ein Buch namens „The Diversity Myth“ herausgegeben, das, wenig überraschend, belegen soll, wie Weiße durch Programme für mehr Vielfalt benachteiligt werden. An ihren Ansichen hat sich seitdem wenig geändert, besonders Thiels schriftstellerisches Treiben lässt sich gut nachvollziehen. Seine Grundthese lautet, dass Freiheit und Demokratie in einem Konflikt miteinander stehen, der sich nicht mehr auflösen lässt. Thiel entscheidet sich für Freiheit und denkt über Räume fernab der bestehenden demokratischen Ordnung nach.
Der Mars ist für ihn die bessere Erde
Das sind zum Beispiel schwimmende Städte, die auf dem Ozean gebaut werden und zu denen nur Vermögende Zutritt haben. Diese Inseln sollen ohne Regierung, Demokratie und Rechte funktionieren. Ebenso träumt Thiel davon, das Weltall jenseits der Erde zu besiedeln. Es ist genau dieses Denken, das wir einige Zeit später bei Elon Musk wiederfinden, der es jedoch wesentlich massentauglicher macht. Denn wo David Sacks und inbesondere Peter Thiel zu verkopft sind, um als Rampensäue zu fungieren, fehlt es Musk vielleicht an intellektueller Tiefe – doch er begreift, wie man ein Publikum begeistert und wie man populäre Diskurse nutzt oder schafft.
Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Rechtsextremismus und Neue Rechte. Sie lebt in Wien. Unter dem Hashtag #NatsAnalysen erreichte sie auf Twitter/X lange ein breites Publikum, jetzt ist sie vor allem auf BlueSky aktiv.
Musks Radikalisierung hat weit vor seiner Twitter-Übernahme im Herbst 2022 begonnen. Seine Ideologie ist klar von seinen ehemaligen Mitstreitern und deren Grundsatztexten beeinflusst. Mit Twitter/X hat er aber nun endlich das Medium gefunden, das ihm auf seine Art erlaubt, diese Ideologie in die Breite zu streuen. Dabei radikalisieren sich das Medium und sein Besitzer laufend gegenseitig.
Ideologischer Kern ist auch bei Musk die Besiedelung extraterrestrischer Räume, vor allem des Mars. In Musks Vorstellung kommen dabei zwei Komponenten zusammen: Technologiegläubigkeit und Kulturpessimismus. Er sieht die westlichen Gesellschaften im Niedergang und die Klimakrise als unumkehrbar an und bietet als Ausweg die Umsiedlung auf einen anderen Planeten an. Die Implikationen dieser These sind so fantastisch wie drastisch. Denn ob Ozeanstädte oder Marskolonie: Wer hineinkommt, bestimmen Musk und seine Mafia.
Um das Ausmaß der Musk’schen Science-Fiction-Ideen zu verstehen, muss man auf sein zweites wichtiges ideologisches Steckenpferd schauen: die Geburtenraten. Vor allem auf Twitter/X repostet Musk immer wieder faschistische Accounts, die allesamt eine Obsession mit Geburtenraten haben. Es geht dabei weniger um globale Geburtenraten als um die Geburtenraten westlicher und vor allem „weißer“ Länder.
Besessen von Geburtenraten
Das ist kein neues Thema im globalen Rechtsextremismus. Terroristen wie die Attentäter von Christchurch oder Buffalo stellten die Geburtenraten als zentrales Motiv ihrer Taten dar. So beginnt das Manifest des Christchurch-Attentäters mit „It’s the birthrates, it’s the birthrates, it’s the birthrates“.
Der erhobene Vorwurf ist ein doppelter. Er richtet sich gegen nichtweiße oder auch nichtbürgerliche Frauen, die zu viele Kinder bekommen. Er richtet sich auch gegen weiße Frauen, die zu wenige Kinder bekommen. Schuld sind also so oder so Frauen. Die weißen Frauen sind von Feminismus und Selbstverwirklichung verblendet und lassen sich nicht oder mit falschen Männern ein. Die, die mit weißen Männern verheiratet sind, bekommen dann auch noch zu wenige Kinder. Drei Kinder pro Frau ist dabei die magische Grenze. Die Grenze für was eigentlich? Nicht für gesellschaftlichen Wohlstand per se, da Gesellschaften sich auch anders, etwa wie seit Jahrtausenden durch Migration, reproduzieren können. Es ist die Grenze für die Reproduktion wünschenswerter, also weißer, gesunder und bürgerlicher Kinder.
In diesem Vorwurf steckt der Sukkus moderner neofaschistischer Ideologie: Dekadenz, Misogynie, Antifeminismus, Rassismus und Verschwörung. Die Obsession mit Geburtenraten ist auch die Kernthese des Verschwörungsmythos des sogenannten Großen Austauschs, der von der Identitären Bewegung popularisiert wurde. Nun braucht es die Identitäre Bewegung gar nicht mehr: Der reichste Mann der Welt ist der oberste Verfechter dieser These.
Denkt man diese beiden Radikalisierungsstränge des Elon Musk nun zusammen, offenbart sich ein faschistisches Projekt, das so megalomanisch wie abstrus anmutet. Nehmen wir Musk einmal beim Wort. Er möchte den Mars besiedeln, weil er nicht glaubt, dass das Leben auf der Erde eine Zukunft hat. Er steckt viel Energie und Aufmerksamkeit in den technologischen Teil dieses Projekts. Nehmen wir nun an, dass es ihm in absehbarer Zukunft gelingt.
Die Besiedelung des Mars wäre dann in erster Linie keine Frage von Technologie, sondern von Demokratie. Wie viele Menschen können in Musks Utopie auf dem Mars leben? Hundertausend? Eine Million? Eine Milliarde? Wer wählt aus, wer den brennenden und zum Untergang verurteilten Planeten Erde verlassen darf und wer nicht? Oder, anders gesagt: Nach welchen Kriterien wird ein Mann, der sich obsessiv mit den Geburtenraten weißer, westlicher, bürgerlicher, Frauen auseinandersetzt, wählen? Wird eine Frau jenseits des gebärfähigen Alters Teil dieser Besiedelung sein? Werden es arme Menschen sein? Nichtweiße? Menschen mit chronischen Krankheiten sein?
Sein Weltbild ist ein faschistisches
Selbstverständlich ist dieses Projekt eine Science-Fiction-Utopie. Selbstverständlich werden wir alle uns höchstwahrscheinlich keine Gedanken über unser Ticket zum Mars machen müssen. Elon Musk tut dies allerdings. Das dahinter liegende Weltbild ist ein faschistisches. Selbst wenn er nicht dazu kommen wird, dieses auf dem Mars anzuwenden, so liegt dieselbe Weltsicht hinter Musks ganz irdischen Projekten.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Elon Musks Twitter-Übernahme hat ihm eine Plattform gegeben, die noch größer ist als Donald Trumps selbstgestrickte Plattform Truth Social. Musk hat Twitter/X zum Propagandawerkzeug für Trumps Wiederwahl gemacht. Das zeigte sich durch das Entsperren zahlreicher neofaschistischer Accounts, die nicht mehr vorhandene Moderation der Inhalte und die zahllosen Troll- und Bot-Armeen, die die Plattform schwemmen.
Twitter hat Musk aber auch erlaubt, sich an die Spitze zu setzen. Trump sitzt an der Spitze der republikanischen Partei und bald wieder eines mächtigen Staates. Musk hat etwas viel Wertvolleres erreicht: Er ist der Führer der Bewegung hinter den Trump’schen Wahlerfolgen. Längst ist nicht mehr Trump die zentrale Figur, sondern Musk selbst. Das wird in der Zukunft noch zu gröberen Streitigkeiten führen, die der viel ältere Donald Trump wohl nicht für sich gewinnen wird.
Elon Musks Interesse geht aber längst über die USA hinaus: Er versucht, auch in Europa Wahlen zu beeinflussen. Es mutet ironisch an, dass genau das immer der rechte Vorwurf gegenüber progressiven Stimmen war. Aber wie immer im Neofaschismus gilt auch hier: Jeder Vorwurf ein Bekenntnis. In Großbritannien und Italien wuselt Musk längst herum. Auch zu Österreich hat er sich geäußert, sein Wunsch nach einer FPÖ-Regierung geht nun in Erfüllung. Und jetzt ist Deutschland dran.
Der Umgang mit Elon Musk in der politmedialen Öffentlichkeit strotzt vor Hilflosigkeit und jubilierender Unterwürfigkeit. Dabei müsste er längst als das behandelt werden, was er ist: Der ganz irdische Botschafter einer transnationalen, faschistischen Bewegung im Kampf gegen die Demokratie.
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