Elon Musks Kauf von Twitter: Gefährlicher Alpha-Befreier
Tesla-Chef Elon Musk übernimmt Twitter jetzt wohl doch. Der propagierte Tweet-Liberalismus ist gefährlich.
D ie Tech-Telenovela nähert sich dem Ende. Oder doch nicht. Die Kauf-Frage in der Elon-Musk- Twitter-Beziehung wurde am Mittwoch teilweise geklärt – nun muss der Vorstand des Nachrichtendienstes der Kaufsumme zustimmen. Dann dürfte irgendwann die Telenovela endgültig vorbei sein. Währenddessen werden wir noch eine Staffel bei der Frage der Meinungsfreiheit in der Twitter-Musk-Beziehung verfolgen dürfen. Und sie ist viel wichtiger als der Kaufpreis und die Auswirkungen auf die Börse.
Dass der reichste Mann der Welt die weltweit wichtigste Meinungsmacher-Plattform besitzen und sie unzensiert führen möchte, sollte Anlass zur Sorge sein. Auch bei demokratischen Regierungen. Dass sich hinter einem Teil der Twitter-User in Wahrheit wohl Fake-Accounts oder Bots verbergen, ist kein gutes Zeichen für Meinungsfreiheit und fördert eher das Fake-News-Phänomen.
Ein bisschen Resthoffnung liegt bei den Twitter-Moderator*innen: Vielleicht schaffen sie es trotz der Musk-Übernahme weiterhin, den Hass- und Desinformationsfilter anzuwenden. Mit großer Freude wurde übrigens die Kaufabsicht unter dem Personal nicht unbedingt registriert.
Die transparente Offenlegung von Profilen ist auch keine demokratische Lösung per se: Die Proteste im Iran haben gezeigt, wie gefährlich es für Berichterstatter*innen vor Ort sein kann, wenn ihre Anonymität nicht geschützt wird. Auch Musks Starlink-Satellit kann nicht einfach so als „Schutzengel“ angewendet werden, wenn es an Genehmigungen für die Geräte in den jeweiligen Staaten und dem Kapital dafür fehlt. Die Idee von Musk als Alpha-Befreier ist einfach viel zu naiv.
Wenn der reichste Mann der Welt die Rolle des Meinungsfreiheitsbefreiers übernehmen will, dann sollte er diese Aspekte berücksichtigen. Reiner Tweet-Liberalismus in Zeiten von Cyber-Diplomatie, -Attacken, -Journalismus und -Politik wäre viel zu gefährlich. Aber diese Tech-Telenovela ist ein Anlass, eine gesellschaftliche Debatte über die Notwendigkeit echter Diplomatie und über die unangemessene Macht sozialer Medien anzustoßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“