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ElektromobilitätIm Kleinstwagen zur Verkehrswende

Leichter, effizienter, elektrisch: In Spanien wird ein Nanocar als Gegenmodell zum fossilen Kleinwagen entwickelt. Eine Testfahrt.

Für Gelsenkirchener kaum vorstellbar: ein S04 mit Potenzial Foto: Autoren-Union Mobilität/Silence

Maastricht taz | Es surrt elektrisch, ist schwarz-weiß und die Leute am Straßenrand gucken etwas komisch, wenn es vorbeifährt. Wahrscheinlich, weil sie nicht wissen, was das Ding sein soll. Zwischen Maastricht und Aachen ist es an diesem Tag noch recht kühl. Trotzdem macht es Spaß, mit dem Silence S04 über die kleinen Landstraßen zu cruisen. Der Name des spanischen Herstellers ist selbsterklärend: Der Zweisitzer ist flüsterleise. Die Anwohner im hübschen Dorf Vroendaal bekommen von uns kaum etwas mit, als wir es passieren.

Abgeholt haben wir den Stillen bei einem Autohändler im niederländischen Landgraaf. Der Besitzer ist stolz darauf, ein Pionier zu sein und das Kleinst­auto im Showroom stehen zu haben. Er schwärmt davon, dass man den Silence auch längs parken kann. Auf einen herkömmlichen Parkplatz passen zwei der Elektroflitzer.

Rund um Maastricht begegnen uns viele Mini Cooper, die mit ihrem Namen längst nicht mehr viel gemein haben. Ihre Erscheinung passt zum Mantra der deutschen Autoindustrie: Entgegen allen Klimaschutzzielen werden Autos immer größer und schwerer, auch solche mit Elektromotor.

Laut Kraftfahrtbundesamt war 2023 jede dritte Neuzulassung in Deutschland ein sogenanntes Sport Utility Vehicle, ein SUV. Die Berliner Soziologen und Mobilitätsforscher Weert Canzler und Andreas Knie haben in zahlreichen Studien gezeigt, dass das heutige Fahrzeugdesign nicht zum Klimaschutz passt, trotz Elek­trifizierung. Das Klima braucht nicht nur emissionsfreie Antriebe, sondern auch weniger Autos und eine sparsamere Nutzung von Ressourcen.

Bei Elektroautos ist weniger mehr

Nanocars könnten diese bieten. Durch ihre Größe verbrauchen sie weniger Energie, ein Gewinn für die Umwelt und den eigenen Geldbeutel. Der Silence S04 wiegt etwa 520 Kilogramm und verbraucht 10 Kilowattstunden auf 100 Kilometern. Mittelklasse-Elektroautos verbrauchen oft das Doppelte. Weniger ist hier also wirklich mehr.

Downsizing funktioniert also – und macht Spaß. Das liegt auch daran, dass sich der Silence S04 ein bisschen wie ein Go-Kart fährt. Bis 50 km/h beschleunigt er schnell und schafft in der Spitze auf der flachen Stadtautobahn bei Heerlen knapp 90 km/h.

Eine Besonderheit des Nanocars von Silence ist die Batterie. Sie ist kleiner als bei anderen E-Autos und benötigt dadurch wesentlich weniger Material. Der Hersteller gibt die maximale Reichweite mit 149 Kilometern an. Außerdem kann man die Batterie zum Aufladen aus dem Auto herausnehmen. So kann sie im Büro an der normalen Steckdose aufgeladen werden und wäre nicht abhängig von öffentlichen Ladesäulen. Allerdings sollte man die Batterien nicht ohne Aufzug in den 5. Stock schleppen, dafür sind sie zu schwer: Jede der beiden Batterien wiegt 41 Kilogramm. Das Aufladen über die normale Steckdose dauert zudem deutlich länger, laut Hersteller etwa sieben bis neun Stunden.

Unsere Testfahrt führt uns weiter auf kleinen Landstraßen in die Nähe von Kerkrade, direkt an der niederländisch-deutschen Grenze. Der ÖPNV ist hier nicht auf allen Strecken eine gute Alternative zum Auto. Besonders Grenzpendler brauchen damit oft länger. Und die niederländische Fahrradinfrastruktur ist zwar im Vergleich zu Deutschland ausgezeichnet, viele Pendlerstrecken sind aber selbst mit dem Pedelec zu weit. Im Winter frieren dann auch noch die Finger am Lenker ein. Im Nanocar von Silence ist es gemütlich warm. Pendeln von Maastricht nach Aachen wäre damit ganzjährig möglich.

Die kleine Fahrzeugkategorie versteckt sich hinter der technischen Bezeichnung L7e. Das sind Leichtfahrzeuge mit 90 km/h Höchstgeschwindigkeit, die nicht alle Sicherheitsanforderungen eines Kleinwagens erfüllen müssen. Der Silence und ähnliche Fahrzeuge stehen also eher in der Tradition der Kabinenroller als der eines klassischen Autos. Mehrere chinesische Anbieter sind bereits mit elektrischen Kabinenrollern auf dem deutschen Markt, jedoch mit optisch eher rustikalen Angeboten. Die ansprechendste Neuheit kommt aus der Schweiz, der neue elektrische Microlino, der das Design der Isetta aus den 1950er Jahren aufgreift. Auch der fährt in der Spitze bis zu 90 km/h, wie der Silence S04. Gerade für Berufspendler ist das wichtig. Kleinstfahrzeuge, die nur 45 km/h fahren, sind auf der Landstraße wenig hilfreich.

Ein Tempolimit fördert kleine Autos

Auf unserer Testfahrt im Heuvelland liegt das Tempolimit jenseits der Autobahn ohnehin bei 80 km/h. Eine vergleichbare Regelung auf deutschen Bundes- und Landstraßen wäre für innovative, leichtere Fahrzeugkonzepte ein Segen.

Rund um Maastricht sehen wir viele Häuser mit Photovoltaik auf dem Dach. Ihre Bewohner könnten sich quasi ihr Benzin selber machen. Das gleicht nach mehr als 100 Jahren Abhängigkeit von Ölkonzernen tatsächlich einer Unabhängigkeitserklärung. Und ist umso besser umsetzbar, je effizienter ein Fahrzeug ist. Fährt eine Pendlerin beispielsweise 50 Kilometer am Tag ins Büro und zurück, wären das bei einer 5-Tage-Woche im Jahr 11.500 Kilometer, also 1.150 kWh Strom. Das kann bereits eine kleine Photovoltaik-Anlage mit vier Modulen im Jahresdurchschnitt produzieren. Diese Art der Autarkie ist der tatsächlich revolutionäre Unterschied zum fossilen Kleinwagen.

Am Ende der Testfahrt stelle ich den Stillen wehmütig beim Autohändler ab. Warum sind Autos dieser Art nicht schon viel weiter verbreitet?, frage ich mich. Zum einen haben sie ein Imageproblem. Das Auto wirkt nicht unbedingt cool, es erinnert eher an die kleinen Fahrzeuge mit 45 km/h Höchstgeschwindigkeit, die man zum Teil mit einem Zweirad-Führerschein fahren darf.

Glaube an die Zukunft der Nanomobilität

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Hinzu kommt: die Ignoranz der großen Hersteller. Die meisten Leichtfahrzeuge werden von Mittelständlern in kleineren Stückzahlen gebaut. Die Autos sind daher verhältnismäßig teuer. Der Silence S04 aus Barcelona kostet mehr als 16.000 Euro, der Microlino aus der Schweiz fast 20.000 Euro. Für diesen Preis gäbe es aber auch einen neuen konventionellen Kleinwagen oder ein kleineres gebrauchtes elektrisches Auto. Die sind im Moment auch wegen der hohen staatlichen Förderung aus den vergangenen Jahren günstig.

Für die eigentliche Innovation, die elektrischen Nanocars, hat sich die Bundespolitik bisher noch nicht interessiert. Trotz der hohen Effizienz gibt es dafür bis heute keine Förderung, weder in Deutschland noch in den Niederlanden. Silence probiert es trotzdem, zusammen mit ersten Autohändlern. Sie glauben an die Zukunft der Nanomobilität.

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15 Kommentare

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  • Endlich mal kein Elektropanzer!



    Könnte ein guter ÖV-Ersatz auf dem flachen Land sein, wo man jetzt für 49 € jeden Bus nehmen kann, der nicht fährt.



    Für viele Fahrten reicht so ein selbstfahrender Einkaufswagen völlig. Das, was die Industrie bisher bietet, ist der reine Overkill.



    Bleibt der Preis. Der ist wirklich happig. Ein 49-€-mässiges Subventionsmodell ist weder wünsch- noch finanzierbar.

  • Es gibt ein wirtschaftliches Problem mit Klein(st)wagen: Die Automobilindustrie kann nicht sehr viel Geld pro abgesetzter Einheit verdienen - ganz im Gegensatz zu SUVs und prall ausgestatteten Mittel- oder Oberklassewagen. Darum werden auch durchaus durchdachte Konzepte wie der Smart von Mercedes eingestampft und stattdessen ökologisch absolut unsinnige Fahrzeugkonzepte beworben. Dabei muss man sich zwar als Hersteller ordentlich verrenken, um dies zu rechtfertigen, aber mithilfe der Werbemschinerie kann man dann immer noch sagen: der Kunde will das so…

  • So ein Wägelchen darf maximal 8.000 Euro kosten, aber er kostet das Doppelte. Die Batterie kostet um die 1500 Euro und 14.500 für den Rest des Wägelchens? Der ist winzig, hat standardmäßig kein ABS, keine Airbags, keine Klimaanlage, kein Nichts.

    Für 16.900 Euro gibt es den gerade überarbeiteten Dacia Spring. Ein Auto mit 4 Sitzen, mehr Reichweite, viel mehr Alltagstauglichkeit und Variabilität und vollständiger Sicherheitsausstattung.

    In China gibt es die 3. Generation des Wuling Mini EV (klein aber immerhin ein 4sitziges Auto) für ca. 6.000 Euro. Es muss doch möglich sein, so etwas hier für 8.000 Euro auf den Markt zu bringen.

  • Das Fahrzeug schließt eine Lücke aus E-Lastenrad und E-SUV und ist damit eher Ergänzung als Alternative. Als Drittfahreug sicherlich eine Nice-to-have.

  • So ein Miniauto ersetzt doch höchstens ein Roller?! Wo bleibt das kompakte Elektroauto für jeder das nicht die 30.000 Euro marke überschreitet womit mensch mit ein bisschen Kompromiss Bereitschaft alles machen kann??

  • Prinzipiell machen E-Minis natürlich wesentlich mehr Sinn als E-SUVs oder Teslas. Allerdings wird der Energiebedarf hier etwas unterschätzt, es gibt 20% Ladeverluste, Batteriealterung. 10 kWh auf 100 km entsprechen bei 1.2 Stunden Fahrzeit (80 km-h) einer Durchschnittsleistung von 8.3 kW, oder 11,3 PS. Rennen kann man damit nicht gewinnen. Schliesslich: Die Sonne scheint tagsüber wenn die Besitzerin bei der Arbeit ist und nicht laden kann. Woher soll der Strom dann kommen? Vor allem wenn auch kein Wind weht? Und Solarstrom einfach einspeisen in der Hoffnung dass irgendjemand ihn brauchen wird geht auch nur begrenzt. In Deutschland sind wir ja schon soweit dass wir bis zu 25% des Verbrauchs importieren müssen und den überschüssigen Strom tagsüber z.T für negative Preise "verkaufen" müssen.



    Und zuletzt; das subjektive Sicherheitsgefühl in einem Mini-Auto, oder besser der Mangel an demselben. Sollte man nicht unterschätzen, vor allem in Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen. Und natürlich der Preis.

    • @Gerald Müller:

      Bitte bei der Wahrheit bleiben, wir müssen keinen Strom importieren, wir tun es, weil es billiger ist.

      • @Surfbosi:

        Stimmt. Wir könnten auch Kohle verbrennen. Voll öko natürlich...

      • @Surfbosi:

        Natürlich müssen wir Strom importieren, weil wir nämlich nicht mehr genügend fossile Kapazitäten haben um den Gesamtbedarf abdecken zu können wenn der Wind nicht genug weht und die Sonne nicht scheint, schauen Sie sich doch mal das Agorameter an www.agora-energiew.../05.05.2024/hourly



        Habeck hat doch gerade wieder einige Kohlekraftwerke stillgelegt. Das macht sich also auch bemerkbar und kostet eine Menge Geld.

  • Ach ja, verschwiegen wird mal wieder, dass die Dinger einfach kaum einer kaufen möchte. Höchstens als Drittwagen. Das liegt nicht an den bösen Konzernen, sondern an den aufgeklärten Konsumenten. Ist so meine Erfahrung als bewusster „Downsizer“.

  • Kleines Auto, kleine Akkus, kleine Reichweite. So einfach ist das. Wird dann anstelle des Fahrrades genommen, ist ja auch ökologisch.

  • NCAP Crashtest bewusst verschwiegen?



    So sehr ich für kompakte kleine Autos bin, so sehr habe ich Bedenken, dass man schon bei einen Auffahrunfall mit 50km/h im Auto zerquetscht wird. Ich würde da nicht einsteigen.



    Aber in Städten ist man eh mit dem Bus und der Strampe besser unterwegs. Also kann ich den Sinn dieses Fahrzeugs für Innenstädte nicht verstehen, und für die Landstraße ist es mir zu unsicher.

    • @Rudi Hamm:

      Dieser Crashtest ist garnicht wirklich anwendbar auf Fahrzeuge der Klasse L7e. Wie auch bei einspurigen Krafträdern, die gerne mal mit 250 über die Autobahn flitzen. Daher auch kein Argument.

      Aber warum sonst würde es Motorräder und Mofas geben? Da ist plötzlich ein Sicherheitsgefühl gegeben, soviele wie auf unseren Straßen rumrollen.

    • @Rudi Hamm:

      Ich halte kleinere bezahlbare E-Autos für kurze und mittlere Strecken schon für eine gute Alternative.

      Gerade hier (in Schleswig-Holstein) auf dem flachen Land wo de ÖPNV nichtso engmaschig ausgebaut ist.

      Ich als alter Mann sehe mich da eher in einem kleinen E-Fahrzeug, als bei Wind und Wetter auf dem Lastenfahrrad..... bei dem im Übrigen die "Knautschzone" beim Chrash noch etwas ungünstiger ausfallen dürfte.

    • @Rudi Hamm:

      Das kommt in der Stadt auf das Ziel an und darauf, wie viel man zu schleppen hat. Köln hat nicht überall die Berliner Ringsysteme. Rein ins Zentrum und im spitzen Winkel wieder weit raus kann sehr lange dauern. Und dann die Zuverlässigkeit. Hier fallen gern mal drei oder vier Bahnen nacheinander aus, das ist dann eine volle Stunde.