Elektromobilität: Im Kleinstwagen zur Verkehrswende
Leichter, effizienter, elektrisch: In Spanien wird ein Nanocar als Gegenmodell zum fossilen Kleinwagen entwickelt. Eine Testfahrt.
Abgeholt haben wir den Stillen bei einem Autohändler im niederländischen Landgraaf. Der Besitzer ist stolz darauf, ein Pionier zu sein und das Kleinstauto im Showroom stehen zu haben. Er schwärmt davon, dass man den Silence auch längs parken kann. Auf einen herkömmlichen Parkplatz passen zwei der Elektroflitzer.
Rund um Maastricht begegnen uns viele Mini Cooper, die mit ihrem Namen längst nicht mehr viel gemein haben. Ihre Erscheinung passt zum Mantra der deutschen Autoindustrie: Entgegen allen Klimaschutzzielen werden Autos immer größer und schwerer, auch solche mit Elektromotor.
Laut Kraftfahrtbundesamt war 2023 jede dritte Neuzulassung in Deutschland ein sogenanntes Sport Utility Vehicle, ein SUV. Die Berliner Soziologen und Mobilitätsforscher Weert Canzler und Andreas Knie haben in zahlreichen Studien gezeigt, dass das heutige Fahrzeugdesign nicht zum Klimaschutz passt, trotz Elektrifizierung. Das Klima braucht nicht nur emissionsfreie Antriebe, sondern auch weniger Autos und eine sparsamere Nutzung von Ressourcen.
Bei Elektroautos ist weniger mehr
Nanocars könnten diese bieten. Durch ihre Größe verbrauchen sie weniger Energie, ein Gewinn für die Umwelt und den eigenen Geldbeutel. Der Silence S04 wiegt etwa 520 Kilogramm und verbraucht 10 Kilowattstunden auf 100 Kilometern. Mittelklasse-Elektroautos verbrauchen oft das Doppelte. Weniger ist hier also wirklich mehr.
Downsizing funktioniert also – und macht Spaß. Das liegt auch daran, dass sich der Silence S04 ein bisschen wie ein Go-Kart fährt. Bis 50 km/h beschleunigt er schnell und schafft in der Spitze auf der flachen Stadtautobahn bei Heerlen knapp 90 km/h.
Eine Besonderheit des Nanocars von Silence ist die Batterie. Sie ist kleiner als bei anderen E-Autos und benötigt dadurch wesentlich weniger Material. Der Hersteller gibt die maximale Reichweite mit 149 Kilometern an. Außerdem kann man die Batterie zum Aufladen aus dem Auto herausnehmen. So kann sie im Büro an der normalen Steckdose aufgeladen werden und wäre nicht abhängig von öffentlichen Ladesäulen. Allerdings sollte man die Batterien nicht ohne Aufzug in den 5. Stock schleppen, dafür sind sie zu schwer: Jede der beiden Batterien wiegt 41 Kilogramm. Das Aufladen über die normale Steckdose dauert zudem deutlich länger, laut Hersteller etwa sieben bis neun Stunden.
Unsere Testfahrt führt uns weiter auf kleinen Landstraßen in die Nähe von Kerkrade, direkt an der niederländisch-deutschen Grenze. Der ÖPNV ist hier nicht auf allen Strecken eine gute Alternative zum Auto. Besonders Grenzpendler brauchen damit oft länger. Und die niederländische Fahrradinfrastruktur ist zwar im Vergleich zu Deutschland ausgezeichnet, viele Pendlerstrecken sind aber selbst mit dem Pedelec zu weit. Im Winter frieren dann auch noch die Finger am Lenker ein. Im Nanocar von Silence ist es gemütlich warm. Pendeln von Maastricht nach Aachen wäre damit ganzjährig möglich.
Die kleine Fahrzeugkategorie versteckt sich hinter der technischen Bezeichnung L7e. Das sind Leichtfahrzeuge mit 90 km/h Höchstgeschwindigkeit, die nicht alle Sicherheitsanforderungen eines Kleinwagens erfüllen müssen. Der Silence und ähnliche Fahrzeuge stehen also eher in der Tradition der Kabinenroller als der eines klassischen Autos. Mehrere chinesische Anbieter sind bereits mit elektrischen Kabinenrollern auf dem deutschen Markt, jedoch mit optisch eher rustikalen Angeboten. Die ansprechendste Neuheit kommt aus der Schweiz, der neue elektrische Microlino, der das Design der Isetta aus den 1950er Jahren aufgreift. Auch der fährt in der Spitze bis zu 90 km/h, wie der Silence S04. Gerade für Berufspendler ist das wichtig. Kleinstfahrzeuge, die nur 45 km/h fahren, sind auf der Landstraße wenig hilfreich.
Ein Tempolimit fördert kleine Autos
Auf unserer Testfahrt im Heuvelland liegt das Tempolimit jenseits der Autobahn ohnehin bei 80 km/h. Eine vergleichbare Regelung auf deutschen Bundes- und Landstraßen wäre für innovative, leichtere Fahrzeugkonzepte ein Segen.
Rund um Maastricht sehen wir viele Häuser mit Photovoltaik auf dem Dach. Ihre Bewohner könnten sich quasi ihr Benzin selber machen. Das gleicht nach mehr als 100 Jahren Abhängigkeit von Ölkonzernen tatsächlich einer Unabhängigkeitserklärung. Und ist umso besser umsetzbar, je effizienter ein Fahrzeug ist. Fährt eine Pendlerin beispielsweise 50 Kilometer am Tag ins Büro und zurück, wären das bei einer 5-Tage-Woche im Jahr 11.500 Kilometer, also 1.150 kWh Strom. Das kann bereits eine kleine Photovoltaik-Anlage mit vier Modulen im Jahresdurchschnitt produzieren. Diese Art der Autarkie ist der tatsächlich revolutionäre Unterschied zum fossilen Kleinwagen.
Am Ende der Testfahrt stelle ich den Stillen wehmütig beim Autohändler ab. Warum sind Autos dieser Art nicht schon viel weiter verbreitet?, frage ich mich. Zum einen haben sie ein Imageproblem. Das Auto wirkt nicht unbedingt cool, es erinnert eher an die kleinen Fahrzeuge mit 45 km/h Höchstgeschwindigkeit, die man zum Teil mit einem Zweirad-Führerschein fahren darf.
Glaube an die Zukunft der Nanomobilität
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Hinzu kommt: die Ignoranz der großen Hersteller. Die meisten Leichtfahrzeuge werden von Mittelständlern in kleineren Stückzahlen gebaut. Die Autos sind daher verhältnismäßig teuer. Der Silence S04 aus Barcelona kostet mehr als 16.000 Euro, der Microlino aus der Schweiz fast 20.000 Euro. Für diesen Preis gäbe es aber auch einen neuen konventionellen Kleinwagen oder ein kleineres gebrauchtes elektrisches Auto. Die sind im Moment auch wegen der hohen staatlichen Förderung aus den vergangenen Jahren günstig.
Für die eigentliche Innovation, die elektrischen Nanocars, hat sich die Bundespolitik bisher noch nicht interessiert. Trotz der hohen Effizienz gibt es dafür bis heute keine Förderung, weder in Deutschland noch in den Niederlanden. Silence probiert es trotzdem, zusammen mit ersten Autohändlern. Sie glauben an die Zukunft der Nanomobilität.
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