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Eishockeyduell Kanada-USAPolitische Eiszeit

Der Konflikt zwischen den USA und Kanada setzt sich beim Eishockey fort. Nun treffen die Teams im Finale des Vier-Nationen-Turniers aufeinander.

Faustkampf zwischen Kanadas Sam Bennett (l.) und Brady Tkachuk aus den USA Foto: Graham Hughes/Canadian Press/Zuma Press

A ls das vielleicht größte Spiel seiner Karriere bezeichnet US-Mittelstürmer Jack Eichel das bevorstehende Finale des Vier-Nationen-Turniers der NHL gegen Kanada. Eine Einschätzung, die aufhorchen lässt, hat der 28-Jährige doch erst 2023 mit den Vegas Golden Knights den Stanley Cup gewonnen, die unter Eishockeyprofis weltweit begehrteste Klubtrophäe. In der Nacht auf Freitag (2 Uhr MEZ) repräsentiere er sein Land, erklärte Eichel. „Das ist riesig.“ Und er kündigte an: „Man wird alles sehen, was man im ersten Spiel gesehen hat und noch mehr, denke ich. Es wird großartig werden.“

Offenkundig hat Jack Eichel Freude daran, wenn in ein spektakuläres Feuer noch reichlich Öl nachgeschüttet wird. Denn die sportliche Rivalität, welche die beiden großen Eishockeynationen ohnehin emotionalisiert, wird derzeit durch die aktuelle politische Lage verschärft. Die Zollandrohungen von US-Präsident Donald Trump sowie seine Überlegungen, Kanada könnte künftig als 51. Bundesstaat eingegliedert werden, haben im Nachbarland eine Patriotismuswelle ausgelöst, die auf Abgrenzung setzt. Selbst im frankofonen Québec, wo die regio­nale Identität eine größere Rolle spielt, wiesen jüngste Umfragewerte einen neuen Hang zum Nationalen nach.

Und just dort, in der größten Stadt Montreal, bot die Bühne des Sports vergangenen Sonntag die Möglichkeit, den neuen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Die eigene Nationalhymne wurde vom kanadischen Publikum lautstark geschmettert, die US-Hymne mit massiven Buhrufen begleitet. So wie es in den Wochen zuvor bei Spielen der NHL und NBA andernorts in Kanada erstmals praktiziert wurde.

In der feindseligen Atmosphäre von Montreal zettelten die US-Nationalspieler im Rekordtempo direkt nach dem Auftaktbully drei Faustkämpfe an. Die dabei auffälligen Brüder Matthew und Brady Tkachuk räumten später ein, man habe schon vorab im Team-Gruppenchat verabredet, ein Zeichen zu setzten. Die Kanadier ließen sich nicht zweimal zum Duell bitten. J. T. Miller, der Dritte, der für das US-Team die Fäuste schwang, nannte es „die coolste Erfahrung“ und bilanzierte: „Es gibt viel böses Blut, aber gleichzeitig auch jede Menge Respekt für das andere Team.“

Dezentere Pfiffe in Boston

In der Branche der Eishockeycracks mit ihren ganz eigenen Ehrbegriffen scheinen einige die hinzukommende politische Brisanz eher reizvoll zu finden. Das Finale wird nun nicht allzu weit weg von der kanadischen Grenze in Boston ausgetragen. Dort verlor bereits in der Nacht auf Dienstag die USA ihre bedeutungslose Partie gegen Schweden (1:2) und Kanada bezwang Finnland 5:3. Pfiffe bei der kanadischen Hymne gab es auch vom US-Publikum, aber deutlich dezenter. Das dürfte sich beim Finale ändern.

Es wird spannend zu sehen sein, wie sich die Vereinnahmungsfantasien Trumps bezüglich Kanada und der dort wachsende Unmut auf den Sportbetrieb auswirken. Die NHL etwa kann als Beispiel betrachtet werden, wie die USA sich das Mutterland des Eishockeys untertan gemacht hat.

Bei der Gründung 1917 war die NHL noch eine rein kanadische Angelegenheit mit vier Teams. Aktuell sind nur noch sieben der 32 Teams in Kanada beheimatet. Dabei war im Jahr 2015 die Zahl der kanadischen Profis in der Liga doppelt so hoch wie die der US-amerikanischen. Die besten Kanadier spielen häufig bei Klubs in den USA. Seit 1993 hat kein kanadisches Team den Stanley Cup gewonnen. Die starken Edmonton Oilers könnten das diese Saison ändern. In Kanada würde das wohl auch aus politischen Gründen gefeiert werden.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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