Eintritt in Verteidigungsbündnis: Zypern will in die Nato
Mitglied der EU und der Eurozone ist die Republik Zypern schon, aber nicht in der Nato. Nun will sie dem Nordatlantikpakt beitreten. Die Türkei ist dagegen.
Regional, aber auch geopolitisch wäre ein Nato-Beitritt Zyperns ein Paukenschlag. Denn seit der völkerrechtswidrigen Invasion regulärer türkischer Truppen im Sommer 1974 in den Inselnorden und der seither währenden Besetzung von etwa einem Drittel der Inselfläche ist Zypern faktisch geteilt. Rund 160.000 Zyperngriechen wurden aus dem Inselnorden in den Inselsüden vertrieben, Tausende Zyperntürken verließen den Inselsüden in Richtung Norden. Die Zyperngriechen kontrollieren den Inselsüden, die Zyperntürken den Inselnorden.
Die 1983 ausgerufene „Türkische Republik Nordzypern“ wird nur von der Türkei anerkannt. Die Republik Zypern wurde 2004 EU-Mitglied und trat 2008 der Eurozone bei. De jure gehört die ganze Insel zur EU. Die letzten bilateralen Gespräche zur Lösung der Zypernfrage scheiterten Mitte 2017.
Die Türkei will eine Zwei-Staaten-Lösung, das lehnt die Republik Zypern jedoch vehement ab. Der Inselnorden zählt 350.000 Bewohner, die Türkisch sprechen und fast alle Muslime sind. Der Süden hat 900.000 Bewohner, die Griechisch sprechen und fast alle orthodox sind. Nikosia ist die letzte geteilte Hauptstadt der Welt.
Strategische Kooperation mit den USA
Nach Russlands Invasion im Februar 2022 in die Ukraine hat sich die Republik Zypern endgültig von Moskau abgewandt, nachdem Nikosia jahrzehntelang enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zunächst mit der Sowjetunion und später der Russischen Föderation pflegte.
Unterdessen hat Zypern eine strategische Kooperation mit den USA gestartet, wie Zyperns Außenminister Konstantinos Kombos erst kürzlich in einem Interview der taz sagte. Sie beruhe auf sechs Grundpfeilern, darunter in den Bereichen Bildung, Forschung sowie Technologie.
Zu Zyperns strategischer Kooperation mit den USA in nicht-militärischen Feldern ist nunmehr eine strategische militärische Zusammenarbeit hinzugekommen: Wie Christodoulidis diesbezüglich nun bestätigte, wolle Zypern den USA einen Luftwaffenstützpunkt zur Verfügung stellen.
Für die USA wäre ein Beitritt Zyperns zur Nato und der Aufbau eines Stützpunktes für die US-Luftwaffe durchaus bedeutend: Zypern wäre wegen seiner geostrategischen Lage im östlichen Mittelmeer für die Nato ein wichtiges Land, nicht zuletzt, um Russlands Einfluss, Militärpräsenz und militärischen Aktivitäten im Nahen Osten die Stirn zu bieten.
Regierung ohne Entscheidungsbefugnis
Schon jetzt werden die beiden exterritorialen britischen Militärstützpunkte im Inselsüden – Dekelia nahe Larnaka sowie Akrotiri nahe Limassol – während der Krisen in der Region wie jetzt ebenso von den USA genutzt. Die libanesische Hisbollah hatte bereits im Juni damit gedroht, Zypern mache sich zum Angriffsziel, falls es „seine Flughäfen und Basen für den israelischen Feind öffnet“. Dabei hat die Regierung in Nikosia keinerlei Entscheidungsbefugnis für die beiden britischen Stützpunkte auf Zypern. Denn sie sind Staatsgebiet des Vereinigten Königreichs.
Erstmals hatte die griechische Tageszeitung Kathimerini über die Beitrittspläne Zyperns zur Nato berichtet. Darüber habe Christodoulidis bei einem Besuch im Weißen Haus am 30. Oktober mit dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden gesprochen, so Kathimerini. Hernach habe Christodoulidis auch den neuen Nato-Generalsekretär Mark Rutte über Zyperns Beitrittspläne in Kenntnis gesetzt.
Der Haken: das Nato-Schwergewicht Türkei sträubt sich mit Nachdruck dagegen. Ein Nato-Beitritt Zyperns sei „inakzeptabel“ und würde sich negativ auf eine Lösung des Zypernkonflikts auswirken, erklärte das türkische Verteidigungsministerium. Fest steht: Um ein neues Land in die Verteidigungsallianz aufzunehmen, bedarf es der Zustimmung aller 32 Nato-Mitglieder. Will heißen: Auch die Türkei muss ihr Plazet dafür erteilen.
Staatspräsident Christodoulidis erwiderte, es sei ihm klar, dass die Türkei gegen einen Beitritt seines Landes zur Nato sei. Dennoch werde Zypern „zum geeigneten Zeitpunkt“ eine Aufnahme in die Nato beantragen. Wann genau dies erfolgen werde, will Christodoulidis indes noch nicht verraten.
Für den Ende Februar 2023 ins Amt gewählten Ex-Karrierediplomaten Christodoulidis, der nur wenige Monate vor der nunmehr 50 Jahre andauernden Inselteilung auf Zypern zur Welt kam und von 2018 bis 2022 als Außenminister fungierte, ist deren Überwindung das oberste politische Ziel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking