piwik no script img

Studie zur AmpelkoalitionZumindest besser als beim ersten Mal

Keine Chaostruppe, aber Luft nach oben: Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung analysiert Aufstellung und Fehler der Grünen in der Ampelkoalition.

Die Ex-Spitzengrünen Nouripour, Lang, Baerbock und Habeck im November 2024 auf dem Parteitag in Wiesbaden Foto: Daniel Kubirski/picture alliance

Berlin taz | Mit den Grünen ist kein Staat zu machen: In der Zeit der Ampelregierung streuten die Koalitionspartner FDP und SPD diesen Vorwurf in der einen oder anderen Form immer wieder. Was die Grünen wollen, wüssten sie selbst nicht. Verhandlungen würden immer wieder unterbrochen, weil die Grünen erst mal untereinander ihre Positio­nen klären mussten. Und sei man sich mit dem einen einig (namentlich: Vizekanzler Robert Habeck), machten die anderen (oft: die Bundestagsfraktion) den Konflikt am nächsten Tag doch wieder auf.

Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung, am Mittwoch veröffentlicht, geht jetzt der Frage nach, wie die Partei in den dreieinhalb Ampeljahren tatsächlich gearbeitet hat. „Strukturen des Fortschritts“ lautet der Titel des 96-seitigen Reports, der Entscheidungen der Ampelzeit nicht inhaltlich bewertet. Stattdessen, so heißt es schon im Vorwort, geht es eben um „die Abläufe, die Technik, die Mechanismen und die formellen wie informell entwickelten Strukturen grünen Regierens“.

Beauftragt hat die Stiftung damit den Politikberater Arne Jungjohann, der selbst einen Grünen-Hintergrund hat, einst für einen Bundestagsabgeordneten und für den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gearbeitet hat. 32 grüne Po­li­ti­ke­r*in­nen und Mit­ar­bei­te­r*in­nen verschiedener Ebenen (Bundesregierung, Fraktion, Parteivorstand, Länder) hat er für die Studie anonymisiert interviewt – im laufenden Betrieb in den Monaten vor dem Ampelbruch.

Es war nicht alles schlecht, urteilt Jungjohann in seiner Auswertung. Ein reiner Chaosladen seien die Grünen in den Regierungsjahren nicht gewesen. Zumal im Vergleich zu ihrer ersten Regierungsbeteiligung ab 1998: Damals seien sie komplett unerfahren gewesen, diesmal hätten sie sich schon in der Oppositionszeit gründlich vorbereitet und seien auch dank Regierungserfahrungen aus den Ländern professionell aufgestellt gewesen.

Zudem bescheinigt er den Grünen, das Prinzip Learning by Doing erfolgreich angewandt zu haben. „Strukturen werden geschaffen, ausprobiert und angepasst. Funktionieren sie nicht, werden sie aufgelöst.“ Habe sich ein wöchentliches Meeting als wenig ergiebig erwiesen, habe man es nach ein paar Monaten wieder abgeschafft und auf andere Formate gesetzt.

Habeck in der Doppelrolle

Allerdings ist Jungjohanns Bilanz nicht nur positiv. Als eine Schwachstelle machte er die Doppelrolle Robert Habecks und seines Wirtschaftsministeriums aus. Zum einen musste Habeck innerhalb der Regierung für seine Fachthemen kämpfen, zum Beispiel die Energiewende. Zum anderen war er als Vizekanzler auch dafür zuständig, Interessen anderer grüner Ministerien durchzusetzen.

Für beides gleichermaßen habe sein begrenztes politisches Kapital nicht immer gereicht, heißt es in der Studie. Parteiintern sei kritisiert worden, dass er „zu sehr für sich und zu wenig für die grüne Seite“ verhandele. Der Vorschlag des Autors für die Zukunft: nicht mehr eine Staatssekretärin mit beiden Aufgaben betrauen (bei Habeck war es Anja Hajduck), sondern die Rollen auf zwei Personen aufteilen.

Überhaupt rät der Autor zu klaren und verteilten Rollen: „Für die Regierungsbeteiligung ist es von Vorteil, wenn Regierende, Fraktion und Partei ein klares Verständnis davon haben, welche Rolle sie jeweils übernehmen sollten, für welche Aufgaben sie verantwortlich sind und welchen Spielraum sie einander zugestehen.“ Wer genau für welche Aufgaben da ist, hätten ihm die wenigsten Ge­sprächs­part­ne­r*in­nen klar skizzieren können – und die wenigen Ansichten, die Arne Junghohann zu hören bekam, „unterschieden sich obendrein nicht unerheblich“, so der Autor wörtlich.

Umstrittenes Spitzengremium

Das gilt auch für die Bewertung des wichtigsten informellen Entscheidungsgremiums der Grünen in der Ampel: In der sogenannten Sechserrunde tauschten sich Habeck, Außenministerin Baerbock, die Partei- und die Fraktionsvorsitzenden regelmäßig aus. Sie sollte die dezentrale Machtstruktur der Grünen widerspiegeln, war aber durchgehend umstritten.

Auch von Jungjohanns Ge­sprächs­part­ne­r*in­nen wurde sie ambivalent beschrieben: von den einen „als Ort von Konkurrenz und Uneinigkeit“, in dem vor allem Robert Habeck kontrolliert und eingehegt worden sei – von andren als professionelles Gremium, das „Differenzen moderiert“ und „für ein geschlossenes Auftreten nach außen sorgt“.

Das vorsichtige Urteil der Studie: Es brauche künftig schlanke Strukturen und ein strategisches Zentrum: „Wollen die Grünen ihre Strategiefähigkeit in der Regierung erhöhen, könnte eine Reform der Sechserrunde – in Struktur, Mandat und Sitzungspraxis – eine Chance dafür bieten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Diese Stiftung wird mit Steuergeldern finanziert und macht jetzt die Arbeit, die die Partei eigentlich selbst machen müsste.



    Wobei es ziemlich unsinnig ist, die Regierungsarbeit nicht auch inhaltlich zu bewerten.



    Denn letztendlich ist diese Regierung daran gescheitert, daß rot grün und FDP inhaltlich von Anfang an keine Gemeinsamkeiten hatten.

  • Ups, seit wann besuchen Grüne Politiker andere Universitäten, als andere Politiker ? Solange an den überwiegenden Universitäten sich die BWLer & VWLer Studiengängen an Neoliberalen Ideologien orientieren, sehe ich da z. Z. auch für die Grünen wenig Besserung in ihren politischen Umsetzungen. Schade eigentlich, sehr Schade sogar.

  • Ist das nicht die Stiftung der Grünen?

    • @J. G.:

      Ja ist es. Ich finde es legitim, dass die Grünen durch ihre Stiftung eine Analyse ihrer Regierungsprganisation durchführen lassen.



      Es wurde oft behauptet dass die Grünen in der Ampel so oft unter die Räder der SPD gekommen sind, weil sie zu konsensorientiert waren. Die Studie zeigt auf, dass es aber an Mängeln der eigenen Organisation lag.

    • @J. G.:

      Daher ist die Erkenntnis "nicht alles war schlecht" schon niederschmetternd. Man kann nur erahnen, was wirklich unabhängige Studien gefunden hätten.