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Einbruch beim sozialen WohnungsbauHamburg investiert in Investoren

Die Zahl der genehmigten Sozialwohnungen ist 2021 massiv eingebrochen. Nun will Hamburg Investoren mit aufgestockter Förderung zum Bauen bewegen.

Wohnungsmisere in Hamburg: Die Zahl der genehmigten Sozialwohnungen bricht ein Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hamburg taz | Schönreden wollte Hamburgs neue Stadtentwicklungssenatorin Karin Pein (SPD) die Dienstag vorgestellte Bilanz der Wohnraumförderung für das vergangene Jahr nicht. „Wir haben das Ziel nicht erreicht, das ist nicht gut“, sagte Pein. Denn: Hamburg hat im Jahr 2022 statt der jährlich anvisierten 3.000 nur 1.884 günstige Wohnungen bewilligt. Damit die Zahl wieder steigt, will Pein Investoren nun mit einer ordentlichen Aufstockung der Förderung zum Bauen bewegen. Ob das der richtige Weg ist, bezweifelt allerdings die Linke.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 10.400 Wohnungen bewilligt, das ist etwa so viel wie jeweils in den zwei Jahren zuvor. Doch der Anteil besonders günstiger Wohnungen ist im Vergleich zu den Vorjahren massiv abgesackt: Zwischen 2015 und 2019 konnte die Stadt noch durchgehend mehr als 3.000 bewilligte geförderte Wohnungen vermelden, 2020 und 2021 waren es knapp 3.000.

Von den 1.884 Bewilligungen waren mehr als 1.500 im sogenannten 1. Förderweg bezuschusst – hier ist der Mietpreis bislang auf 6,90 Euro pro Quadratmeter begrenzt. Die Miete für die übrigen Wohnungen – im 2. Förderweg – darf Mieter:in­nen maximal neun Euro pro Quadratmeter kosten. Positiv vermelden konnte Pein am Dienstag immerhin die wieder gestiegene Zahl fertiggestellter geförderter Wohnungen von 1.895 in 2021 auf 2.430 in 2022.

Die insgesamt ernüchternde Bilanz sieht Pein in „schwierigen Rahmenbedingungen“ begründet: Die steigenden Zinsen, der Krieg in der Ukraine, eine hohe Inflation und der andauernde Fachkräftemangel wurden am Dienstag als Ursachen genannt.

Mehr Geld, auch für Sanierungen

Darauf will Pein, die erst seit Dezember Stadtentwicklungssenatorin ist, nun mit einer deutlichen Erhöhung der städtischen Förderung reagieren. Über die Hamburgische Investitions- und Förderbank soll der Fördertopf zum Bauen um zwölf Prozent erhöht werden. Ziel sei, dass Investoren weiter fest mit einer Rendite von vier bis fünf Prozent rechnen können, wenn sie vergleichsweise günstigen Wohnraum schaffen.

Darüber hinaus können sich Investoren künftig über einen sehr niedrigen Zins für Darlehen über einen langen Zeitraum freuen: „Einen Zins von einem Prozent auf 30 Jahre gibt es so nicht am Markt“, sagte Pein dazu.

Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, sieht damit für die Zukunft einen „kräftigen Schub bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus“.

Die in Hamburg mitregierenden Grünen hoben am Dienstag hervor, dass künftig auch verstärkt die Sanierung von Gebäuden gefördert werden soll. „Damit sorgen wir für einen historischen Schub beim Klimaschutz“, sagte Olaf Duge von der grünen Bürgerschaftsfraktion. Auch hier soll die Förderung bei der Investitions- und Förderbank um zwölf Prozent ausgebaut werden. Bei energetischen Sanierungen soll die Förderung zusätzlich steigen.

Die Linke bezeichnet die Bilanz als „Bankrotterklärung im Sozialwohnungsbau“ und glaubt nicht, dass der aufgestockte Fördertopf helfen wird, den bestehenden hohen Bedarf an günstigem Wohnraum zu decken. „Die Genehmigungen sind so tief in den Keller gefallen, dass kein Lichtblick zu sehen ist“, sagte die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann. „Die Stadt muss endlich mehr selbst bauen.“ So könne die Stadt als Trägerin einer „Bauhütte“ den sozialen Wohnungsbau selbst vorantreiben – und wäre unabhängiger von Investoren.

Insgesamt gibt es in Hamburg knapp 80.000 Wohnungen mit Sozialbindung. 2007 etwa waren es noch 118.000. Weil jedes Jahr mehrere tausend Wohnungen aus der Bindung fliegen – öffentlich geförderter Wohnraum hat eine Mietpreisbindung üblicherweise nur über 30 Jahre -, ist der Hamburger Senat unter Druck, dass die Zahl nicht weiter sinkt. Und es sind noch immer mehr als 400.000 Haushalte in der Stadt, die eine Sozialwohnung beanspruchen dürften.

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4 Kommentare

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  • Im Vergleich mit Berlin schneidet Hamburg sogar noch gut ab. 3000 Sozialwohnungen pro Jahr seit 2015 und im letzten Jahr nur knapp 1900.



    Berlin hat zwischen 2016 und Q3 2022 ca. 9000 Sozialwohnungen gebaut. Macht im Schnitt weniger als in Hamburg bei fast der doppelten Einwohnerzahl.



    SPD und Grüne in HH sollten an ihrem Weg festhalten. Da kommt am Ende mehr rum, als wenn Die Linke mitregiert.

  • Ich weiß nicht, warum man in der Politik meint, man müsse immer den Profit orientierten Wohnungskonzernen hinter her rennen..

    Soweit mir bekannt, nehmen auch die Wohn-Genossenschaften derzeit keine neuen Mitglieder mehr auf ( nicht mal auf die Wartelisten)..

    Heißt: gezielte Vergabe von Bauflächen und ggf. eine finanzielle Unterstützung der Genossenschaften könnten sehr hilfreich sein...in jeder Hinsicht..

    (P.S. das Recht auf Wohnen gehört nach m.E. zu den Grundrechten. Privaten Investoren ist aber nur an ihrer Rendite gelegen

    -> finde den Fehler..)..

  • Die Wohnungsnot in Deutschland ist fast so groß wie in der Weimarer Republik, aber alle Parteien, außer der Linken, verweigern sich einer Diskussion zur Lösung der Problematik. Die jetzigen katastrophalen Zahlen, waren schon vor einem halben Jahr abzusehen.



    Die Bau-Wahlversprechen von Scholz sind bundesweit Makulatur und bleiben es, wenn sich seine Bauministerin weiterhin weigert, den sozialen Wohnungsbau mit einem riesigen finanziellen Pusch zu fördern, dass ein Bündnis für Wohnen aufgrund von Studien fordert. Der Staat müsste massiv in den Bau von Wohnungen einsteigen, was in der Weimarer Republik üblich war.



    Scholz, Bauministerin Geywitz und die Hamburger SPD haben keine Konzepte für das bauliche Gemeinwohl, obwohl das den Kern der SPD-Politik ausmachen müsste.

    Milliarden über Milliarden Euro gehen in den Ukrainekrieg, in ein Land, das auch bei einem Frieden die ukrainischen Flüchtlinge aus Deutschland nicht wird aufnehmen können. Und zwar aus ökonomischen Gründen und der großen Zerstörungen. Viele ukrainische Männer werden nach einem Frieden zu ihren Familien nach Deutschland ziehen. Hierfür müsste schon jetzt ein Bauprogramm für ukrainische Familien aufgelegt werden, aber Politik verharrt regungslos in einer Verhaltensstarre. Und das obwohl sehr viele Flüchtlinge in Deutschland privat untergebracht sind.

    Tausende von Flüchtlingen aus anderen Ländern leben in Großstädten und wo auch immer in Containersiedlungen, Behelfswohnheimen und haben - mit welchem Bauprogramm auch immer - überhaupt keine Chance, jemals eine Sozialwohnung zu bekommen. Was das für negative Konsequenzen für Integration haben könnte, wird ebenfalls politisch verdrängt und nicht vernünftig diskutiert.

    Nicht zu vergessen: auch Bezieher von normalen mittleren Einkommen haben keine Chance auf eine bezahlbare Wohnung.

  • Linke habe es schon immer gewußt: Auch der Hamburger Drittelmix ist nicht sozial genug und neoliberal. Lasst uns endlich wieder so tolle Stadtteile bauen wie Mümmelmannsberg, Steilshoop oder Osdorfer Born mit 100% Sozialbau und alles schön staatlich. Hatte sich damals doch voll bewährt. Schade nur, dass so viele taz-Leser wegen zu hohen Einkommens dort nicht werden hinziehen können, obwohl sie es doch so gerne täten.