Ein Jahr nach Beginn der Massenproteste: Sudans Frauen können stolz sein
Die Sudanesen freuen sich, dass ihre vor einem Jahr begonnenen Massenproteste teilweise Erfolg hatten. Aber sie kämpfen noch mit der Wirtschaftskrise.
Letztlich kam es zur Bildung einer Übergangsregierung aus Zivilisten und Militärs. Der seit August die Regierung führende Premierminister Abdalla Hamdok ist aber um seinen Job nicht zu beneiden. Denn der Ökonom muss nicht nur vorsichtig agieren in einer fragilen politischen Situation, sondern auch die Wirtschaft aus der Krise führen und bewaffnete Konflikte befrieden.
Anfang Dezember forderte die Gewerkschaft SPA, die die treibende Kraft hinter den Demonstrationen gegen al-Baschir war, von Hamdok die Entlassung der Außenministerin und des Ministers für Landwirtschaft. Die hätten laut SPA, die für einen Großteil der Bevölkerung spricht, bisher versagt. Hamdok versprach eine Untersuchung.
Die Sudanesen freuen sich zwar, dass ihre vor einem Jahr begonnenen Proteste teilweise Erfolg hatten. Aber sie kämpfen weiter mit der schweren Wirtschaftskrise. „Wir sind genau vor einem Jahr für bessere Lebensbedingungen auf die Straße gegangen. Aber noch immer reicht das Einkommen bei den meisten nicht zum Leben. Die Preise steigen und wir sind ständig pleite“, sagt der Lehrer Mohamed Al Bakr aus der Hauptstadt Khartum.
Subventionskürzungen führten zum Massenprotest
Die Demonstrationen begannen in der Arbeiterstadt Atbara nördlich von Khartum. Auf Rat des Internationalen Währungsfonds (IWF) strich die Regierung al-Baschir die Subventionen für Getreide und Benzin. Doch das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Arbeiter gingen auf die Straße und schnell folgten landesweite Proteste vor allem von Frauen. Bald forderten sie den Sturz von al-Baschir und die Bildung einer Zivilregierung.
Zwar ist al-Baschir inzwischen im Arrest. Aber die Wirtschaft krankt noch immer an den Jahrzehnten der Korruption und den Folgen internationaler Sanktionen.
Hamdok will jetzt die Benzinsubventionen langsam auslaufen lassen. Die Staatskasse ist leer und der Preis von 10 Cent pro Liter Benzin ist einer der niedrigsten der Welt. Im Gegenzug schlug er eine Verdoppelung des Mindestlohns vor. Die Getreidesubventionen will Hamdok noch beibehalten.
US-Sanktionen gelten noch weiter
Sudan braucht finanzielle Hilfen. „Es verwundert, dass vor allem die Amerikaner nicht stärker helfen. Sie haben unsere Proteste beklatscht, aber dabei blieb es. Sie sollten wenigstens die Sanktionen aufheben“, meint Lehrer Bakr.
Hamdok bat die USA, den Sudan von der Liste der Terrorunterstützerstaaten zu streichen. Das Land steht seit Jahren darauf, weil al-Baschirs Regime unter anderem damals Al-Qaida-Führer Ossama bin Laden beherbergt hatte. Wegen der Sanktionen bekommt der Sudan bei internationalen Organisationen wie dem IWF keine Kredite.
Mohamaed Al Bakr, Lehrer aus Khartum
Die USA und die EU-Staaten misstrauen Sudans Militär. Schließlich hat es eng mit al-Baschir, der auch dem Militär entstammte, kooperiert. Jetzt teilt es mit Zivilisten die Macht.
Seitdem versucht Sudan auch über die Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen international Vertrauen zu gewinnen. So hat die Staatsanwaltschaft begonnen, Verbrechen in der westlichen Region Darfur während des Al-Baschir-Regimes zu untersuchen. Seine 30-jährige Herrschaft prägten Menschenrechtsverletzungen und groß angelegte Korruption. Für letztere wurde er vor Kurzem zu zwei Jahren Arrest verurteilt.
Militär will al-Baschir nicht ausliefern
Aber schwerwiegender sind die Anklagen wegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen in Darfur. Schon 2009 hatte der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag al-Baschir angeklagt. Doch als ihn das Militär absetzte, machte es sofort klar, dass er nicht an den ICC ausgeliefert wird.
Der Darfur-Konflikt hatte 2003 mit einem Aufstand der lokalen Bevölkerung begonnen, die sich vom Al-Baschir-Regime stark marginalisiert fühlte. Er ließ den Aufstand von einer Reitermiliz aus Hirtenvölkern bekämpfen, die mit der bäuerlichen Lokalbevölkerung über den Zugang zu Weiden und Wasserquellen stritten.
Die Janjaweed-Miliz mordete, vergewaltigte und plünderte in Darfur. Mindestens 300.000 Menschen wurden getötet, fast drei Millionen vertrieben.
Die Erfolgsaussichten der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind gering. Mohamed Hamdan Dagalo, bekannter als Hametti, war ein Führer der Janjaweed und ist jetzt einer der mächtigsten Männer im Souveränen Rat, der derzeit höchsten Macht im Sudan. Hametti dürfte versuchen, Ermittlungen gegen sich zu vereiteln, abgesehen davon, dass die anhaltende Gewalt in Darfur ohnehin Untersuchungen behindert.
„Um Frieden und Gerechtigkeit zu erreichen muss Sudans Übergangsregierung die Verbrechen der Vergangenheit aufarbeiten“, fordert Arnold Tsunga, der Direktor des Afrika-Programms der internationalen Juristenkommission. Frieden sei nicht nur notwendig in Darfur, sondern auch in anderen Landesteilen wie den südlichen Nubabergen und am Blauen Nil.
„Es muss sich noch viel ändern“
„Es muss sich noch viel ändern“, sagt die Journalistin Elzahra Ibrahim aus Khartum, die vor allem über Umwelt- und Frauenthemen für ausländische Medien schreibt. Als Beispiel nennt sie die erst vor Kurzem abgeschaffte Kleiderordnung. Die verbot Frauen das Tragen von Hosen und zwang sie, den Kopf zu bedecken. „Zwar wurden die an der Scharia orientierten Kleidervorschriften inzwischen abgeschafft, aber es gibt noch immer ein Gesetz, das Frauen Hosen verbietet“, sagt sie.
Ibrahim hat zwei Kinder und erlebt ständig, wie islamistische Gesetze sie weiter drangsalieren. Sie ließ sich vom Vater ihrer Kinder scheiden, aber fürchtet, das er ihr sie wegnehmen kann. Denn ihr bald sieben Jahre alter Sohn kann ganz legal von ihrem Ex geholt werden.
„Ich kann das zwar gerichtlich versuchen zu verhindern, weil ich auch finanziell für die Kinder sorgen kann. Aber die Verfassung benachteiligt Frauen noch immer,“ sagt Ibrahim.
Wie viele Frauen ihrer Generation ist sie kämpferisch. Nicht nur für ihre Kinder, sondern auch für ihr Land. „Ich hoffe, dass der Sudan ein gutes Land wird. Vor allem für diejenigen, die dafür gestorben sind.“
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