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Echte rechte BildästhetikenDigitalfaschismus in Pastell

Prompt: „Echte Frauen“ und „wahre Helden“. KI-Bilder sind zur visuellen Propagandasprache der neuen Rechten geworden. Wie konnte das passieren?

Futuro-­Vergangenheit im römisch-imperialen Style: Dryden Brown teilte dieses Bild auf Elon Musks Social-Media-­Plattform X Foto: Screenshot: X

Berlin taz | „Echte Frauen sind rechts“, schreibt die Junge AfD Baden-Württemberg kürzlich in einem Social-Media-Post. Den Hintergrund des Schriftzugs bildet ein Porträt einer jungen, blonden, normschönen Frau, die inmitten einer idyllisch anmutenden Berglandschaft in die Ferne blickt. Doch gibt es da nicht einen performativen Widerspruch? Denn die Frau auf dem Bild ist nicht „echt“, sondern KI-generiert – und das ziemlich offensichtlich.

Die sterile Symmetrie ihres Gesichts, die gummiartige Haut und die klaffende Leere in ihrem Blick lassen die Illusion von „Echtheit“ gar nicht erst entstehen. Dieser Widerspruch scheint keine Irritation unter den Followern der Jungen AfD Baden-Württemberg auszulösen.

Text-to-Image-Modelle wie Midjourney, DALL·E oder Stable Diffusion, mit denen auch das Bild dieser „echten, rechten Frau“ generiert wurde, mögen zu Beginn noch über alle gesellschaftlichen Lager hinweg eine leicht nervöse Faszination ausgelöst haben, inzwischen hat ihre Nutzung jedoch eine eindeutige politische Färbung.

Die neue Rechte liebt KI

Es sind vor allem Ak­teu­r:in­nen aus dem rechten Spektrum, die KI-generierte Bilder verbreiten. Nicht selten setzen sie diese für Propagandazwecke ein. Ob „Ghibli“-fizierte Abschiebeszenarien, Gaza als „Riviera of the Middle East“ oder Trump als Papst – die radikale Rechte weltweit liebt KI-generierte Bilder, wie unter anderem der Bildwissenschaftler Roland Meyer herausstellt.

Die Ästhetik von KI sei alles andere als zufällig zur bevorzugten Propagandasprache des digitalen Faschismus avanciert. In der Logik und Funktionsweise von KI-Tools, zumindest in ihrer derzeitigen kommerziellen Form, seien die Voraussetzungen für eine besondere ideologische Affinität mit rechten Bild- und Vorstellungswelten bereits angelegt.

„Eine glückliche deutsche Familie“ – frisch für die taz gepromptet ohne jegliche weitere Eingriffe Foto: Midjourney V.7 via Hennecke AI

Warum? Entgegen ihrer Aura des technologischen Fortschritts, sei KI sogar „strukturell nostalgisch“, so Meyer. Sie produziere nichts anderes als Rekombinationen von bereits vertrauten Mustern – und zwar von solchen, die in der Vergangenheit besonders beliebt waren. Bestehende Tendenzen werden dabei noch verstärkt. Denn kommerzielle KI-Tools werden darauf trainiert, möglichst eindeutige und lesbare Muster hervorzubringen.

Und was wäre eindeutiger und leichter lesbar als das bereits Bekannte, das Normative, das Klischee? Ambivalenzen und Störfaktoren werden beseitigt, während ohnehin schon beliebte Motive eine Idealisierung, Übertreibung, ja Maximierung erfahren. Eine „Ästhetik des Superlativen“, wie es der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich beschreibt.

Die KI speist sich aus schon Vorhandenem

Ein Prompt, also eine schriftliche Anweisung an ein KI-Tool, um ein ­gewünschtes Bild zu erzeugen, vermag dem Nutzer vielleicht das Gefühl vermitteln, etwas Neues zu generieren. Doch sowohl „neu“ als auch „generieren“ ist irreführend. Denn das ­Ergebnis ist ein statistisches Rendering von bereits vorhandenen Motiven und Ästhetiken. Ein Bild, „das sowohl ­erwartet als auch unerwartet ist, sofort lesbar und überraschend zugleich“, so Meyer.

KI-Tools überführen Fantasien in anschauliche Bilder. Auf denen können sich dann gothische Kathedralen, zu erobernde Landschaften und die Helden napoleonischer Historienmalerei zu visuellen (Alb-)Träumen vermengen. Rechte Vergangenheitsfantasien nach imperialer Größe, männlicher Stärke und weiblicher Unterwerfung lassen sich so in eine eindeutige Bildsprache überführen, die zugleich den Anschein des Neuen besitzt.

Darin liegt eine besondere Verführungskraft. So befeuert sie etwa neoimperiale Träume von der Eroberung neuer Territorien, auf denen dann sogenannte Network-States errichtet werden sollen – ultralibertäre Utopien, gestützt auf Blockchain-Technologie und Krypto-Währungen.

Ein Hauch von Kaiserreich umweht diese „glückliche deutsche Familie“ Foto: Midjourney V.7 via Hennecke AI

Diese verheißen ein höchstmögliches Maß an Unabhängigkeit von staatlicher Regulierung. „Reclaim the West“ ist auch der Slogan von Praxis, ein von Peter Thiel finanziertes Start-up, das den ersten solcher Network-States auf dem ressourcenreichen Grönland errichten will.

KI-Bilder sind oft billige Schlagworte als Bilder verkleidet

Durch das Primat der Sprache bedient generative KI dabei das faschistoide Bedürfnis nach Klarheit und Kontrolle. KI-Bilder sind immer nur visuelle Renderings dessen, was sprachlich formulier- und abrufbar ist. Sie sind letztlich oft billige Schlagworte, die sich als Bilder verkleiden.

Faschistische Proganda wurde schon historisch von einer autoritären, sterilen Bildsprache getragen. Die Abstraktion, Uneindeutigkeit und Metaebenen des Expressionismus oder des Dadaismus oder Surrealismus waren etwa den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Sie verfolgten vielmehr einen faschistischen Realismus: Figürliche, heroische und idealisierte Darstellungen von Arbeit, Familie und Natur.

Wer heute „eine glückliche deutsche Familie“ als Prompt bei Midjourney eingibt, erhält Bilder, mit denen die Nationalsozialisten äußerst zufrieden gewesen wären. Blonde Mütter, Väter und Kinder in der Idylle eines Landlebens, wie man es lose zwischen Vorindustrialisierung und Gründung der Weimarer Republik verorten würde, eingetaucht in der konkreten und zugleich suggestiven Naturmalerei wie der eines Caspar David Friedrich.

Rechte Fantasien lassen sich mit KI in eine eindeutige Bildsprache überführen

Dass jene Kulissen nur einer vagen pseudohistorischen Vergangenheit entsprechen, die der US-Literaturtheoretiker Fredric Jameson als pastness bezeichnet und mehr fiktiv als real sind, ist für ihre propagandistische Wirkung unerheblich. Solch eine pastness wurde durch die Bilder oft genug als real inszeniert, um allmählich zu der Vorstellung eines „Originals“ zu sedimentieren, dessen „Wiederherstellung“ die Rechten immer wieder versprechen.

Das Phänomen ist international

Beispiele dafür finden sich inter­national – ob in Donald Trumps vagem „Make America Great Again“ oder den kontrafaktischen Erzählungen der AfD von einer „christlich-abend­ländischen Kultur“ und der Nation als homogene Einheit, die es zu „beschützen“ gilt. Diese Beispiele operieren weniger mit einer realen Vergangenheit als mit ihrer starken Vereinfachung und Idealisierung. Oder wann hat es eine Nation gegeben, die in sich vollkommen ­homogen und widerspruchsfrei war?

Die USA der 1940er und 1950er Jahre – ­jenes nostalgische Trugbild, von dessen „Wiederherstellung“ Trump und seine Anhänger fantasieren – jedenfalls waren denkbar weit davon ­entfernt. So wird auch der Widerspruch im Social-Media-Post der Jungen AfD Baden-Württemberg, eine KI-generierte Frau als repräsentativ für „echte Frauen“ zu platzieren, nur ein scheinbarer. Denn in der Mustererkennung von künstlicher Intelligenz sehen Rechte gerne ein Wahrheitsversprechen.

Die rassistischen und sexistischen Verzerrungen, die KI-Modellen aufgrund ihrer Datenbasis eingeschrieben sind, werden als objektive, auf statistischer Wahrscheinlichkeit gestützte Belege einer unverfälschten, ideologiefreien Realität gewertet. KI zeige die Realität schließlich, wie sie ist. Doch diese vermeintlich unverfälschte Realität ist letztlich auch nur die Summe vieler subjektiver Geschmacksurteile. Die KI „lernt“ ja, wie es euphemistisch heißt, welche Bilder von den Use­r:in­nen als besonders ansprechend empfunden werden.

Eine Recherche des Journalisten und Informatikers Christo Buschek und des Datenexperten Jer Thorp zeigte dabei, dass die 5 Milliarden Bild-Text-Paare, die etwa zum Training der Bildprogramme Stable Diffusion und Midjourney verwendet wurden, von einer sehr spezifischen Nutzergruppe bewertet wurden. Sie bestand vorwiegend aus weißen, männlichen und technikaffinen Mittelschichtsangehörigen aus Europa und Nordamerika. Das ist so erwartbar wie verstörend – ganz wie die Bilder, die KI-Tools erzeugen.

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8 Kommentare

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  • Den Aufstieg des Internets verteidigten seine Befürworter damit, dass es nun darum gehen würde, zu lernen, Informationen zu finden und zu bewerten. Am Ende müssten die NutzerInnen abwägen, prüfen und ihre Schlüsse ziehe. Das Netz sei ein Hilfsmittel, dass allen den Zugang zum Weltwissen möglich mache.

    Die Befürworter der KI versprechen, dass die KI fast alles möglich mache, den Menschen das Leben erleichtere und sie effizienter arbeiten ließe. Die KI nimmt den Menschen das Nachdenken, das Entscheiden und das Schaffen von Texten, Tönen, Bildern usw. ab. Die NutzerInnen behielten natürlich das Recht darauf und die Verantwortung dafür, wie sie mit der KI umgehen.

    Die lange Gewöhnung an medialer Überproduktion, Mangels medienkritischer Bildung und gesetzlicher Regulierungen, ist eine große Zahl (unkritischer) KonsumentInnen einer großen Zahl interessengeleiteter ProduzentInnen ausgeliefert. KI-generierte Inhalte lassen sich von anderen Medieninhalten nur noch unterscheiden, wenn erstere plumpe Fehler enthalten. Auch offensichtlich falsche Inhalte triggern Gefühle und Gedanken.

  • Also erstmal "Faschistische Propaganda wurde schon historisch von einer autoritären, sterilen Bildsprache getragen. Die Abstraktion, Uneindeutigkeit und Metaebenen des Expressionismus oder des Dadaismus oder Surrealismus waren etwa den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge."

    Faschisten gab es auch in Italien und deren künstlerische Produktion war alles andere als steril. In Deutschland war das zugebenerweise etwas anders aber wenn sie an Leni Reifenstahl´s Bildsprache denken auch das war nicht steril oder autoritär.

    Heute sieht das alles nochmal anders aus. Das Titelbild mit dem Legionär und einem Raumschiff deutet doch auf eine Kombination einer Vergangenheit mit der Zukunft hin die wiederum Kontinuität und Fortschritt suggeriert. Plus, wenn man mal steampunk hier mit reinnnimmt, mehr als einer Prise an gothic. Hier wird Zukunft in einer fantastischen Form generiert. Ich finde die Darstellung in dem Artikel etwas zu dünn, und mehr fokussiert auf Vorurteile der Autorin als auf einer echten Analyse. jedenfalls scheinen die Rechten mehr Fantasie zu haben als die Linken, wäre das eine Schlußfolgerung?

  • Hab denselben Prompt bei ChatGPT eingeworfen. Bei mir kommt einen viel alltäglichere, zeitgenössischere Familie raus. Aber natürlich normschön, cis-hetero und vor allem kartoffelig-weiße Bio-Deutsche...

    Das Einzige, was irritiert: Was soll die Deutschlandfahne hinten im Gebüsch? :D

  • Ki produziert fast ausschließlich visuellen Stuhlgang ohne Tiefe.

  • Ganz ehrlich, die Ausgangsfrage "Wie konnte das passieren?" ist doch mehr als albern und naiv.



    Es ist doch nun wirklich nichts neues, das KI-Bildgeneratoren sich an vorhandenen Material orientieren und das gerne Klischees und Stereotypen visualisiert werden - eben auf Basis von Milliarden von Bildern im Netz. Und "faschistischer Realismus"? Ja, den kann die KI selbstverständlich, genauso wie sozialistischen oder kommunistischen Realismus oder Fantasy-Realismus, Gothic-Realismus, SchwarzWeiss-Fotorealismus und was man sonst noch realistisch darstellen könnte. Und über geschicktes Prompten lassen sich auch völlig andere Stile und Inhalte generieren, auch das ist nichts neues. Und Sie beschweren sich jetzt darüber, dass böse Nazis faschistoide Bildinhalte generieren können? Es ist tatsächlich der Sinn der Sache, dass KI nahezu alles visualisieren kann und das wird sich auch nicht ändern.



    Man sollte nicht das Werkzeug verteufeln sondern eher die Bild-Ersteller inhaltlich bekämpfen. Letzteres ist natürlich mühseliger.

  • Entsetzliche Vorstellung. "Tradition" bedeutet, die Frau hat sich zu unterwerfen. Die Kleidung trist, ihr Haarschnitt wie wenn es der Empfehlung Nordkoreas entsprechen muss und sie muss voll dem Rollenbild entsprechen. Bei Widerworten folgen Schläge oder gar der Scheiterhaufen bzw. die Steinigung.

    So habe ich mir die Emanzipation der Frau nicht vorgestellt. Und trotzdem laufen alle weiter rückwärts. Wie gesagt, entsetzliche Vorstellung.

  • Ein hochinteressantes Thema. Aber nicht auf extrem Rechte beschränkt. Auch unter Islamisten, jungen hippen K-Gruppen zeigt sich ein vergleichbarer Zugriff auf KI-Bilder. "Autoritär-romantische Utopien" (aus dem taz-Text taz.de/Ausstellung...elschung/!6005332) vereint das als Begriff.

  • Das, was ich an Beispielen gesehen habe, ließe sich genauso mit Pinsel, Farbe oder Photoshop machen.

    Ich sehe das anders: Während sich die Rechte offen aktueller Technologien bedient, lese ich von der Linken zu KI immer nur Bedenkenträgerei, Besitzstandswahrerei, den heimeligen Blick ins Gestern.

    Es gab mal eine Zeit, da war das anders. Da war die Linke offen für die technologische Zukunft. Heute sucht sie das Heil der Menschen in dem, was man alles nicht mehr tun darf. Solange sie auf diesem Pfad der Tugend bleibt, wird sie selbst gegen die Rechte keine Chance haben.

    Also, liebe tazler, ich möchte gerne einen Artikel lesen, in dem steht, wo und wer überall auf der Welt KI dazu benutzt, damit sie einen gerechertere wird.