Ebola-Epidemie in Westafrika: Der Kampf um die Ziffer Null
Die Neuinfektionen sinken. „Jetzt nicht nachlassen“, warnt der Ebola-Sonderbeauftragte. Hilfsorganisationen fordern niedrigere Impfpreise.
Es war seine fünfte Reise in die Ebolagebiete Westafrikas binnen vier Monaten. Als Walter Lindner, soeben aus der liberianischen Hauptstadt Monrovia zurückgekehrt, am Freitag in Berlin vor die Presse trat, da verkündete er erfreut, sein Job als Ebola-Sonderbeauftragter der Regierung könnte sich schneller als gedacht erledigt haben: „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels.“
„Wir hoffen, die Epidemie in der ersten Jahreshälfte in den Griff zu kriegen“, sagte Lindner. In Guinea, Liberia und Sierra Leone erkrankten derzeit – erstmals seit dem Sommer – weniger als 100 Personen neu pro Woche. Noch im Herbst hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zu 800 Neuinfektionen pro Woche gezählt. Die internationale Hilfe wirke, „wenn auch spät“: Es gebe genug Personal, Behandlungszentren und Betten.
Lindner mahnte, „nicht nachzulassen“. Es gelte, „den Kampf der Absenkung der Neuinfektionen auf die Ziffer Null zu gewinnen“. Jeder Fall müsse verfolgt, Ansteckungswege erforscht und Infizierte in entlegenen Gebieten entdeckt werden.
Laut WHO sind in Guinea, Liberia und Sierra Leone bisher von 22.057 infizierten Menschen 8.795 gestorben. Ein Land gilt als ebolafrei, wenn 42 Tage lang kein neuer Fall aufgetreten ist.
Denkbar sei, sagte Lindner, dass die Nothelfer von Bundeswehr und Rotem Kreuz sich ab März schrittweise zurückzögen – um das Feld den humanitären Helfern zu überlassen. Deren Aufgaben sind immens: Fast ein Jahr lang waren viele Schulen komplett geschlossen. Handel und Wirtschaft – schon vor der Ebolakrise gehörten Liberia, Sierra Leone und Guinea zu der Gruppe der 15 ärmsten Länder weltweit – sind vielerorts zusammengebrochen. Tausende Ebola-Waisen, stigmatisiert und aus ihren Heimatdörfern verstoßen, leben in Auffanglagern. „Was“, fragte Lindner, „kann man diesen Kindern bieten?“
Drei Millionen Todesfälle vermeiden
Eine der Lehren aus Ebola müsse die sein, künftig noch stärker die Bildungs- und Gesundheitssysteme zu unterstützen und zu kontrollieren, „dass das Geld für den Wiederaufbau nicht in die falschen Kanäle gerät“. Zudem müsse das Frühwarnsystem zur Erkennung von Epidemien verbessert werden. Gegen Ebola dürften bald die ersten beiden Impfstoffe zugelassen werden; derzeit werden sie in den von Ebola betroffenen Ländern an Menschen getestet.
Impfstoffe gelten als wirksames Mittel zur Senkung der Kindersterblichkeit. Am Dienstag tagte in Berlin hierzu die internationale Geberkonferenz für die Impfallianz Gavi. Ziel war, bei öffentlichen und privaten Geldgebern 7,5 Milliarden Dollar einzusammeln, um weitere Impfprogramme für Kinder in den 73 ärmsten Ländern zu bezahlen. Die geforderte Summe kam zusammen. Norwegen gab 715 Millionen Euro, die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates 1,5 Milliarden Dollar.
Mit dem Geld sollen bis 2020 rund 300 Millionen Kinder geimpft werden. Laut WHO können so etwa 3 Millionen Todesfälle vermieden werden. Die erste Phase des Programms war 2000 angelaufen, dabei wurden etwa eine halbe Milliarde Kinder immunisiert. Noch immer aber sterben jedes Jahr 6,3 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag – die Hälfte davon an Krankheiten, die leicht behandel- oder vermeidbar wären.
Das zugesagte, öffentliche Geld wird die Kassen der Pharmaindustrie füllen. Ärzte ohne Grenzen hatte kürzlich vorgerechnet, dass die Kosten für die von der WHO empfohlenen Impfungen seit 2001 wegen teurer neuer Impfstoffe explodiert sind. Ein Kind vollständig zu immunisieren, ist seitdem 68-mal so teuer geworden.
Hilfsorganisationen fordern deshalb niedrigere Impfstoffpreise, eine Offenlegung der Preiskalkulation der Hersteller und einen effizienteren Einsatz der Mittel. Ärzte ohne Grenzen und Oxfam kritisieren zudem den Einfluss der Pharmaindustrie in den Entscheidungsgremien der Impfallianz. Eine politische Initiative, die Firmen zu Preissenkungen zu zwingen, gibt es jedoch nicht – ebenso wenig wie Bemühungen, eine öffentlich finanzierte Forschung ohne Profiterwartung aufzubauen.
So bleibt nur die Hoffnung auf freiwilliges Entgegenkommen der Pharmafirmen. Die Unternehmen MSD und NewLink Genetics kündigten an, ihren Ebola-Impfstoff nach einer Zulassung den Gavi-Staaten zum „Not for Profit“-Preis zu verkaufen. Der Pharmariese Pfizer reduzierte den Abgabepreis eines wichtigen Impfstoffs gegen Pneumokokken um 9 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!