Eagles of Death Metal nach dem Attentat: „Wir rekrutieren Leute für das Leben“
Die Band will so bald wie möglich auf die Bühne des „Bataclan“ zurückkehren. Die Musiker wollen mit dem Song „I love you all the time“ Spenden sammeln.
Mehrere Menschen hätten sich im Umkleideraum der Musiker versteckt, erzählt Frontmann Jesse Hughes. Die Attentäter seien in den Raum gekommen und hätten alle getötet – „außer einer Person, die sich unter meiner Lederjacke versteckte“. Viele Menschen hätten sich tot gestellt, berichtet Hughes. Während er auf der Suche nach seiner Freundin gewesen sei, habe er plötzlich einem der Attentäter gegenüber gestanden. Der Mann habe auf ihn gezielt, die Kugel sei aber gegen den Türrahmen geschlagen.
Auch Tonmann Shawn London sah sich plötzlich einem der Attentäter direkt gegenüber. „Er traf mein Mischpult, die Knöpfe sind überall hingeflogen“, berichtet London. Er habe sich sofort auf den Boden geworfen, während der Attentäter immer weiter geschossen und mit aller Kraft „Allahu Akbar“ (Allah ist groß) geschrien habe.
Hughes guckt in dem Interview kaum nach oben. Er beginnt zu weinen, wenn er sich etwa daran erinnert, wie der von Kugeln getroffene Bandmanager Nick Alexander starb. Er habe nicht nach Hilfe gerufen, „weil er nicht wollte, dass irgendwer anderes verletzt wird“. Gleichzeitig macht sich Hughes selbst Vorwürfe, den Bassisten Matt McJunkins auf der Bühne zurückgelassen zu haben. „Ich fühlte mich so schuldig.“ Er denkt, ein Hauptgrund, warum so viele Menschen getötet wurden, sei, weil so viele ihre Freunde nicht verlassen wollten. „So viele Leute haben sich vor andere gestellt.“
Spenden mit einem Coversong
Bandmitbegründer Joshua Homme war bei dem Auftritt nicht dabei. Als er von dem Angriff hörte, habe er einen Moment gebraucht, um es zu glauben. Während eines Teils des Interviews hält Homme eine Liste mit den Namen der Toten in seinen Händen. „Ich wünschte, ich könnte mit ihren Eltern reden.“ Was er ihnen sagen würde? Josh zuckt mit den Schultern, seine Worte stocken. „Vielleicht ist da gar nichts, was ich wirklich sagen könnte ... vielleicht ist es auch okay, dass es keine Worte dafür gibt, vielleicht sollte es keine Worte dafür geben.“
BandFrontmann Jesse Hughes
Ihre Tour will die Band unbedingt fortsetzen und auch erneut im „Bataclan“ spielen, sobald die Konzerthalle wieder öffnet. „Da haben wir keine wirkliche Wahl“, sagt Homme. Nicht nur die Terroristen, auch sie würden Leute „rekrutieren“ und zwar dafür, Teil des Lebens zu sein, sagt Homme und deutet dabei ein vorsichtiges Lachen an.
Hughes sagt, er könne es gar nicht erwarten, zurück nach Paris zu kommen und dort wieder zu spielen. „Ich will die erste Band sein, die im „Bataclan“ spielt, wenn es wieder öffnet“, betont er. „Unsere Freunde kamen dorthin, um Rock'n‘Roll zu sehen, und starben. Ich will wieder dorthin gehen und leben.“
Die Band rief in dem Interview Musiker dazu auf, ihren Song „I love you all the time“ zu covern – egal in welcher Musikrichtung. Alle Einnahmen daraus will sie spenden und forderte Streaming-Dienste dazu auf, es ihnen nachzutun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neunzig Prozent E-Autos bei Neuwagen
Taugt Norwegen als Vorbild?
Annalena Baerbock in Syrien
Unfreiwillige Misstöne
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Nach Unfällen zu Silvester
Scholz hält Böllerverbot trotz Toten für „irgendwie komisch“
Regierungskrise in Österreich
Auf der anderen Seite der Brandmauer
Rechtsextreme auf freiem Fuß
555 Neonazis mit offenen Haftbefehlen gesucht