EU widmet sich dem Radverkehr: „Die Mobilität im Alltag verändern“
Eine gute Rad-Infrastruktur ist für die letzte Meile die beste Lösung, sagt die Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg. Nun soll die EU helfen.
taz: Frau Deparnay-Grunenberg: Der EU-Verkehrsausschuss hat Empfehlungen zum Ausbau des Radverkehrs beschlossen. Was genau empfiehlt er?
Anna Deparnay-Grunenberg: Was wir mit der Resolution zusammengefasst haben, ist die Anerkennung der Radindustrie als bedeutender Wirtschaftsfaktor. Sie spielt eine große Rolle für den Green Deal und für die Verkehrswende. Der Hauptpunkt aber ist: Wir wollen bis 2030 eine europaweite Fahrradstrategie entwickeln. Bis dahin sollen die Kilometer, die mit dem Rad zurückgelegt werden, verdoppelt werden. Das Fahrrad soll als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt und gefördert werden.
Der Radindustrie-Sektor wächst.
Ja, aber er wird oft stiefmütterlich behandelt. In Europa gibt es 900 kleinere und mittlere Unternehmen mit 120.000 Mitarbeitern. Grüne Jobs, die dem Klimawandel entgegentreten. Milliarden Euro werden auch in Forschung gesteckt, nicht nur für E-Bikes.
Ist Europa ein Fahrrad-Kontinent?
Ja. Dazu gehört auch das große Thema der Förderung der Batterie- und Energiepolitik. Dann gibt es Ideen, die Mehrwertsteuersätze zu senken bei allem, was das Fahrrad angeht. Das soll auch für den Verleih und die Reparatur gelten.
Was bringt eine Radstrategie den Radlern konkret?
geb. 1976, ist Grünen-Abgeordnete des EU-Parlaments und Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus.
Sichere Radwege, gute Fahrradparkhäuser, bessere Radmitnahme in Bahnen und leicht verfügbare Leihräder. Alle anderen Mobilitätssysteme kann man gut vernetzen, aber die letzte Meile ist mit einer guten Radinfrastruktur und guten Rädern die beste Lösung. Wir wollen die Mobilität im Alltag der Menschen in den Städten verändern. Da sollen die guten Erfahrungen der Mitgliedstaaten, etwa in Kopenhagen, aber auch in holländischen Städten einfließen, als best practice zusammengefasst werden und als EU-Leitempfehlungen weitergegeben werden. Um das zu fördern, würden wir gern 2024 als Jahr des Fahrradfahrens ausschreiben.
Was empfehlen Sie den Kommunen, die die Strategie umsetzen müssen?
Wir empfehlen ihnen, überall eine Radinfrastruktur zu bauen, die separat ist von der Straßeninfrastruktur für Autos und Lkws. Getrennt vom Straßenverkehr, aber auch von den Fußgängern. Umfragen bestätigen, dass dies die meisten Radfahrer anzieht. Und wir wollen, dass die Radwege durchgehend sind. Wir wollen auch mehr Euro-Velo-Routen ausschreiben, die digital leicht herunterzuladen sind. Das ist etwas, was die EU anstoßen und mitfinanzieren kann.
Rasch soll die Resolution im EU-Parlament abgestimmt werden. Stehen die Chancen gut?
Ja, auch bei uns im Verkehrsausschuss gab es nur eine Gegenstimme. Wir feiern die Resolution, auch wenn einiges herausgefallen ist. Wir wollten zum Beispiel genauere Zahlen zur Höhe der Investitionen hineinschreiben. Das ist nicht durchgekommen.
Sie waren 2021 Präsidentin des Europäischen Jahres der Schiene. Werden Sie 2024 auch Präsidentin des Jahres des Fahrrads?
Das kann gut sein.
Kern des Jahres der Schiene, sagten Sie, sei es, europaweit nachhaltigen Tourismus bei Anreise auf der Schiene in den Blick zu nehmen. Sind Sie da weitergekommen?
Ja. Die Strecken der Nachtzüge europaweit hat sich verdoppelt. Die Vernetzung in Europa ist besser geworden. Der grenzüberschreitende Verkehr ist nicht mehr ganz so schwierig. Die Kommission ist dabei, die vielen kleinen Schwierigkeiten zur Harmonisierung der Schienensysteme anzugehen. Da gibt es riesige Probleme, da die Infrastruktur in vielen Ländern – dazu gehört auch Deutschland – nicht hinterherkommt. Und es gab europäische Fonds für Investitionen in die Schiene.
Arbeiten die europäischen Bahnen jetzt enger zusammen?
Ja, viel mehr als zuvor.
Bahntrassen zu grünen Fahrradwegen: Wird es da einen Rückbau geben?
Da besteht keine Konkurrenz. Wir werden eher in Highspeed investieren müssen. Denn die Nachtzüge allein machen den Fernverkehr nicht attraktiv.
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