EU vor der Wahl: Existenziell für Europa

Beinahe überall in der EU gewinnen nationalistische Parteien Wahlen. Die Europawahl ist eine Abstimmung darüber, wie wir zusammenleben wollen.

Silhouetten von jungen menschen vor einem Banner auf dem "European Elections" steht

Brüssel, 29.04.2024: Ein großes Banner wirbt für die Teilnahme an der EU-Wahl Foto: Virginia Mayo/ap

Es ist eine Wahl. Eine freie, gleiche und geheime. Was für ein Geschenk das doch ist! Vom 6. bis zum 9. Juni sind die Bür­ge­r:in­nen in den 27 Mitgliedsstaaten der EU aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Begeisterung löst das nicht gerade aus. Das Besondere ist zur Selbstverständlichkeit geworden. In Deutschland und in vielen anderen Staaten der EU geht es den Parteien, die sich um Sitze bewerben, in erster Linie um das eigene Land. Für ein starkes Deutschland wird dann geworben, für ein Europa, das nach italienischen Vorstellungen geformt werden möge, oder gegen die Bürokraten da oben in Brüssel. Für ein starkes Europa traut sich kaum eine Partei Werbung zu machen.

Es sind nicht nur Rechtsradikale, die gegen die EU wettern. Im populistischen Reflex ist es leicht, die EU zu kritisieren. Und klar, diese EU macht es ihren Bür­ge­r:in­nen wahrlich nicht leicht. Es gibt keine Liebe für die Brüsselianer, die in den Augen vieler viel zu viel verdienen und viel zu wenig an die denken, die viel zu wenig haben. Und es gibt Hohn und Spott für all die Skandale, die in der ablaufenden Wahlperiode auch das EU-Parlament produziert hat. Als bei der griechischen Sozialdemokratin Eva Kaili, einer der Vizepräsidentinnen des Parlaments, im Zuge von Korruptionsermittlungen Taschen voller Bargeld gefunden wurden, war einer der Tiefpunkte im Ansehen der europäischen Institutionen erreicht. Und wer das brutale Grenzregime der EU abstoßend findet, wird wohl keine EU-Fahne schwenken wollen.

Und doch ist da noch etwas anderes. Es hat etwas mit Freiheit zu tun. Nicht mit der, die rechte Egoisten von Traktoren und Bierzeltpodien herabpredigen, sondern mit wahrer Freiheit. Bei der EU-Wahl geht es nämlich auch ganz grundsätzlich um die Möglichkeit der Menschen, in regelmäßigen Abständen darüber entscheiden zu dürfen, wie sie leben möchten. Die Ukraine verteidigt diese Wahlfreiheit gerade in einem mörderischen Krieg, der seit dem Überfall Russlands im Februar 2022 tobt. Tag für Tag sterben dort Menschen für etwas, was viele in der EU nicht mehr als wirklich existenziell erachten.

Beinahe überall in der EU gewinnen nationalistische Parteien Wahlen. Für sie gibt es nur ein hohes Gut: die Nation. Die Demokratie schätzen sie als Mittel, um an die Macht zu gelangen. Einen Wert an sich hat sie für diese Populisten nicht. Wer bei der Wahl gegen sie stimmt, stimmt für die Demokratie. Und so ist jede Wahl, auch diese Wahl zum EU-Parlament, eine Abstimmung darüber, wie die Gesellschaft in Zukunft zusammenleben wird. Die Bedrohung aus Russland, das nichts unversucht lässt, die Staaten der Europäischen Union zu destabilisieren, zeigt, wie existenziell auch diese Abstimmung bei aller durchaus berechtigten Kritik an der Verfasstheit der EU ist. Europa hat die Wahl – gut so. Sehr gut.

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