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EU-SondergipfelEuropa muss an zwei Fronten kämpfen

Beim Sondergipfel in Brüssel drängen die Strafzölle von Donald Trump auf die Agenda. Europa will sich gegen die USA und Russland wehren.

Die Frisur sitzt: Olaf Scholz in Brüssel Foto: Yves Herman/reuters

Brüssel taz | Eigentlich stand die Verteidigung der Ukraine und Europas gegen Russland auf dem Programm. EU-Ratspräsident António Costa wollte beim EU-Sondergipfel am Montag in Brüssel die 27 Mitgliedstaaten auf deutlich höhere Rüstungsausgaben einschwören. Nato-Generalsekretär Mark Rutte warnte die Europäer sogar vor einem Krieg.

Doch es drängte überraschend ein anderes Thema nach vorn: die Strafzölle, mit denen US-Präsident Donald Trump nun auch Europa droht und die Frage, wie darauf zu reagieren sei. Statt gegen Russland muss sich die EU wohl zuerst gegen die USA verteidigen – zumindest wirtschaftspolitisch.

„Mit der EU wird es definitiv passieren“, sagte Trump am Sonntag. Die europäische Politik sei „fürchterlich“, das US-Handelsbilanzdefizit liege über 300 Milliarden Dollar. Zölle seien nur noch eine Frage der Zeit, so Trump. Deutlicher hätte die Warnung aus Washington kaum ausfallen können.

Doch die EU-Chefs wiegeln ab. Europa sei ein „starker Wirtschaftsraum“, der weiter auf „Kooperation“ setze, sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz in Brüssel. Sollte es zu US-Strafzöllen kommen, so werde die EU reagieren, betonte Scholz. „Das müssen und werden wir dann auch tun“.

Auch Frankreich erwägt Gegenmaßnahmen

Auch der französische Staatschef Emmanuel Macron schloss Gegenmaßnahmen nicht aus: Wenn die EU „bei Handelsthemen angegriffen würde, müsste sich Europa als selbstbewusste Macht Respekt verschaffen und reagieren“, unterstrich er. Wie diese Reaktion aussehen könnte, blieb aber offen.

Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump bereits Zölle eingeführt. Zur Vergeltung verhängte die EU Zölle auf US-Jeans, Motorräder und Whiskey. Das waren jedoch eher symbolische Maßnahmen. Um Trump abzuschrecken, müsste Europa diesmal schwereres Geschütz auffahren – und endlich Klartext reden.

Dazu waren die Staats- und Regierungschefs jedoch nicht bereit. Im Gegenteil: Die Außenbeauftragte Kaja Kallas rief zu Zurückhaltung auf. „Wir brauchen Amerika, und Amerika braucht uns auch.“ Sie betonte, es gebe „keine Gewinner in Handelskriegen“.

Polen will „dumme Handelskriege“ vermeiden

Polens Regierungschef Donald Tusk forderte, alles zu tun, „um diese völlig überflüssigen und dummen Handelskriege zu vermeiden“.

Tusk, Kallas und viele andere EU-Chefs sehen die Gefahr vor allem im Osten – in Russland. Mit Trump und den USA wollen sie sich nicht anlegen. Der Sondergipfel ging denn auch schnell zur Tagesordnung über und sprach, wie von Gastgeber Costa geplant, über Rüstung und Verteidigung.

Trump und europäische Verteidigungskosten

Auch bei diesem sensiblen Thema zeichneten sich keine schnellen Ergebnisse ab. Dabei steht die EU unter enormem Druck. Trump verlangt, dass die Nato-Staaten fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung stecken. Rutte unterstützt diese Forderung. Die bisher angepeilten zwei Prozent reichten nicht aus, erklärte er der Bild-Zeitung. „Es wird viel, viel, viel mehr als zwei Prozent.“

Das Problem: Viele EU-Länder, darunter Schwergewichte wie Spanien und Italien, erreichen bisher nicht einmal dieses Ziel. Deutschland schafft zwei Prozent auch nur knapp – mithilfe eines Sondervermögens, also Schulden.

Die EU erwägt nun zwar, nachzuhelfen und einen eigenen Verteidigungsfonds aufzulegen. Doch wie dieser finanziert werden soll, ist unklar, sogar die Zuständigkeit ist umstritten. Für Verteidigung sind laut EU-Vertrag allein die Staaten zuständig. Brüssel kann allenfalls mit Rüstung nachhelfen.

Wie das aussehen könnte, haben die EU-Chefs am Montag bis in den späten Abend hinter verschlossenen Türen diskutiert. Beschlüsse waren nicht vorgesehen. Im besten Falle würde der Sondergipfel mit Empfehlungen für ein Verteidigungs-Weißbuch enden, hieß es in Brüssel.

Damit wird aber erst im März gerechnet. Dann will die EU-Kommission ihren Plan vorlegen. Bis zur Umsetzung dürften einige Jahre vergehen. Während Trump immer lauter droht, spielt die EU auf Zeit.

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4 Kommentare

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  • Diamanten entstehen ja tatsächlich unter extremen Druck.

    Vielleicht entsteht unter den chaotischen Verhältnissen unserer Welt schon bald ein Pax Europaea, welches das Licht unserer Zivilisation bildet.

    Nicht Washington, nicht Peking, sondern Brüssel.

  • Aufrüsten war immer schon eine schlechte Idee und Kriegswirtschaft eine Blase. Die 'besten' Kriege sind die kürzesten, wäre Zeit bei der klaren Kante mit Russland anzufangen.

  • Bei der Diskussion sollten wir eine Sache immer im Auge behalten: In der EU wohnen fast so viele Menschen wie in den USA und Russland zusammen. Wenn wir als EU-Bürger zusammenhalten, sind wir ein Schwergewicht, wenn wir uns aber auseinanderdividieren lassen (z. B. von Nationalisten, Populisten und/oder Idioten), werden wir als Verlierer aus dem Ring gehen.

    • @Aurego:

      Ich glaube ein großer Spalter sind auch die Bürokraten, die Angst haben ihre Macht abzugeben, bzw. deren Posten wegfallen würde, würde Europa zusammenkommen. Gäbe es eine europäische Armee bräuchte es eine Menge Bürokraten nicht mehr.