EU-Patentrecht stärkt Saatgutindustrie: Mehr Macht für Monsanto
Die Europäische Union beschließt ein neues Patentrecht. Die Rechte von Bauern und Anti-Gentech-Aktivisten werden ignoriert.
BERLIN taz | Das EU-Parlament hat am Dienstag ein neues Patentrecht beschlossen, das Saatgutkonzernen wie Monsanto mehr Macht über die Lebensmittelproduktion gibt. Die Abgeordneten stimmten mit großer Mehrheit für einheitliche Patente, die ohne weitere Übersetzung in 25 der 27 EU-Länder gelten. Die Mitgliedsländer hatten bereits grünes Licht für die Regelung gegeben. Sie beschneidet die Rechte von Bauern und Anti-Gentech-Aktivisten.
Patente sind Urkunden, die es nur dem Inhaber erlauben, Erfindungen zu verwerten. Doch der Weg zu einem EU-weit gültigen Schutzrecht ist bisher aufwendig und teuer: Er muss beim Europäischen Patentamt in München beantragt und dann in jedem Land bestätigt werden.
Kostenpunkt: gut 30.000 Euro – das meiste für Übersetzungen. Das neue EU-Patent dagegen gilt auch ohne Antrag bei den nationalen Behörden in allen Teilnehmerstaaten. Die Kosten sollen auf etwa 6.500 Euro sinken.
Davon profitieren natürlich auch Firmen wie Monsanto, die Patente vor allem auf gentechnisch veränderte Pflanzen haben. Kein Wunder, dass beispielsweise die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie den Beschluss begrüßt. Viele Wirtschaftsverbände verweisen auf Vorteile für kleine Unternehmen, die sich jetzt eher Patente leisten könnten.
Das Recht des Stärkeren
Der Deutsche Bauernverband dagegen bemängelt, dass das neue Recht die hiesige „Auskreuzungsregel“ nicht übernehme. Monsanto kann also einen Bauern verklagen, weil auf seinem Feld nicht bezahlte Pflanzen mit EU-Patent wachsen – auch wenn das Saatgut nicht vom Landwirt selbst ausgesät, sondern durch den Wind von einem Nachbarfeld herübergetragen wurde. Vorbild könnte die berühmte Klage des US-Konzerns gegen den kanadischen Farmer Percy Schmeiser sein.
Gentech-Gegner Christoph Then vom Bündnis No Patents on Seeds kritisiert besonders, dass die EU mit der Regelung Einsprüche etwa gegen Patente auf Lebewesen erschwere. Denn das Gesetzespaket sieht auch ein Europäisches Patentgericht in Paris vor. „Dort muss man einen Anwalt haben“, sagt Then.
Das war bei Einsprüchen gegen die bisherigen Schutzrechte des Europäischen Patentamts nicht nötig. „Die Kosten für Organisationen, die aus öffentlichem Interesse gegen Patente Einspruch einlegen, werden drastisch erhöht“, klagt Then. Er befürchtet, dass nun das Recht des Stärkeren gilt.
Stoppen könnte das EU-Patent jetzt noch eine Klage Spaniens und Italiens vor dem Europäischen Gerichtshof, die nicht an dem neuen System teilnehmen. Doch die Chancen stehen nicht besonders gut. Der Gutachter des Gerichts empfahl, die Klage abzuweisen. Der Alleingang von 25 EU-Ländern beim gemeinsamen Patent sei rechtens.
Leser*innenkommentare
harmen henne
Gast
mitmachen: http://www.avaaz.org/de/petition/Monsanto_Produkte_weltweit_verbieten/?cVVZJcb
Bäm
Gast
@ Jane:
"Die Bauern begeben sich immer mehr in die Abhängigkeit dieser Konzerne, anstatt auf Millionen von Jahren bewährte Traditionen und Anbauverfahren zu vertrauen......
Wir Verbraucher sind hier mehr als den je gefordert und müssen verstärkt auf Bio-Nahrungsmittel Wert legen!"
Patente auf Leben (Sortenschutz) gibt es mittlerweile auch im BIO-Anbau;
http://www.bio-markt.info/web/Aktuelle_Kurzmeldungen/Produkte/Einkorn/15/33/100/11170.html
"Erste Bio-Einkornsorte mit EU-Sortenschutz"
Oder hier:
http://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Agrarwirtschaft/Nachbau-von-Graesern-und-Feinleguminosen-grundsaetzlich-illegal_article1267504476.html
Unter den Herstellern von Feinleguminosen-Samen befindet sich auch der BIO-Saatguthersteller Becker Schoell AG.
http://www.becker-schoell.com/?dispatch=56&24=84&44=20
Anderes Bsp:
https://www.fibl.org/fileadmin/documents/shop/1037-himbeeren.pdf
Man achte auf jene Früchte, welche in der Tabelle mit dem Symbol "(S)" markiert sind ("Sortenschutz").
Jane
Gast
da frage ich mich, wo das noch hinführen soll...?!
Sollte unsere Lebensweise in Zukunft nicht nachhaltiger werden?
Die Bauern begeben sich immer mehr in die Abhängigkeit dieser Konzerne, anstatt auf Millionen von Jahren bewährte Traditionen und Anbauverfahren zu vertrauen. Der Film good food bad food zeigt positive Beispiele, wie es funktioniert. http://www.youtube.com/watch?v=0gYG51zxODE
Wir Verbraucher sind hier mehr als den je gefordert und müssen verstärkt auf Bio-Nahrungsmittel Wert legen! Warum 20 Paar Schuhe im Schrank oder 3 dicke Autos vor der Türe haben? Wir müssen uns wieder mehr auf das besinnen, was uns wirklich am Leben hält.
Helft mit und unterzeichnet die Petition: http://www.no-patents-on-seeds.org/de/aktion/unterzeichnen
Nur gemeinsam können wir etwas erreichen!
Bambus
Gast
Zitat:
"Monsanto kann also einen Bauern verklagen, weil auf seinem Feld nicht bezahlte Pflanzen mit EU-Patent wachsen – auch wenn das Saatgut nicht vom Landwirt selbst ausgesät, sondern durch den Wind von einem Nachbarfeld herübergetragen wurde. Vorbild könnte die berühmte Klage des US-Konzerns gegen den kanadischen Farmer Percy Schmeiser sein."
Ich bin absolut kein Fan von Monsanto!
Allerdings:
Die Sache mit Schmeiser ist etwas anders abgelaufen, als es hier angedeutet wird.
Denn Schmeißer wurde NICHT deswegen verklagt, weil auf seinem Acker die Pflanzen von Monsanto wuchsen und er nicht zahlen wollte
-
Sondern er wurde verklagt, weil er die Monsanto-Pflanzen (Welche zufällig auf seinen Acker gekommen sind) BEWUSST selektiert (herausgepickt) und BEWUSST vermehrt hat.
Jedenfalls sah es das Gericht so.
Durch das Monsanto-Pestizid Roundup soll er gezielt (!) und bewusst (!) die gv-Pflanzen herausgesucht haben und hat speziell Diese dann laut Gericht gezielt vermehrt.
http://www.transgen.de/recht/patente/940.doku.html
-> "Streitfall "Monsanto gegen Percy Schmeiser" ‒ wer hat Recht?"
http://de.wikipedia.org/wiki/Percy_Schmeiser
"Im Jahr 1997 fand Schmeiser laut eigenen Angaben erstmals die gentechnisch veränderten „Roundup-Ready“-Rapspflanzen des Agrochemie-Konzerns Monsanto auf seinem Land. Die Raps-Sorte wurde genetisch so verändert, dass sie den Gebrauch des Monsanto-Herbizids Roundup übersteht, während andere Pflanzen auf einem damit behandelten Feld absterben. Schmeiser behauptete, die Samen müssten durch den Wind vom Feld eines benachbarten Bauern oder von einem vorbeifahrenden LKW dorthin gelangt sein. Auf etwa einem Hektar selektierte er durch Anwendung von Roundup Saatgut, welches zu mindestens 95 % die patentierte Technologie enthielt. Als er im Folgejahr auf einer Fläche von rund 400 ha dieses nachgebaute Saatgut aussäte, wurde er vom Herstellerkonzern wegen Patentverletzung verklagt. Diese Klage war mit einer Forderung von 200.000 Dollar verbunden.[2]
Monsanto hatte ihn vor der Aussaat darauf hingewiesen, dass es sich um patentiertes Saatgut handelte, für das er keine Lizenz besaß.[3][4]"
Andreas J
Gast
Monsanto sollte dafür haftbar gemacht werden , wenn sich ihre Mutantensaat durch Pollenflug verbreitet! Entweder sind die in Brüssel zu dumm oder zu korrupt. Wahrscheinlich beides.
menge
Gast
"Durch Pollenflug kann Gentech-Mais auf angrenzende Felder gelangen. Bauern verstoßen dann gegen das Patentrecht und können verklagt werden"
Sollte das hier wirklich Recht werden, was ist dann Unrecht ?
Für diesen Zustand das Wort Recht im Sinne von Fairness zu benutzen, ist eine krasse Frechheit.
Was ich von den dafür verantwortlichen Personen halte, schreibe ich hier lieber nicht.