EU-Gipfel geht in die Verlängerung: Verhärtete Fronten in Brüssel
Die Verhandlungen werden am Sonntagmittag auf unbestimmte Zeit verschoben. Merkel hält selbst ein Scheitern des Gipfels für möglich.
Kanzlerin Angela Merkel hielt am Sonntagmorgen sogar ein Scheitern des Sondergipfels für möglich. „Ob es zu einer Lösung kommt, kann ich nach wie vor nicht sagen“, sagte Merkel beim Eintreffen zum dritten Tag der Gipfelberatungen. Sie fügte hinzu: „Es gibt viel guten Willen. Aber es gibt auch viele Positionen. Und so werde ich mich mit dafür einsetzen. Aber es kann auch sein, dass es heute zu keinem Ergebnis kommt.“
Der dritte Gipfeltag sei sicherlich der entscheidende Verhandlungstag, hob Merkel hervor. Sie ergänzte: „Die verschiedenen Themen – die Größe des Fonds, die Art der Steuerung und auch die Fragen der Rechtsstaatlichkeit sind jetzt gut aufgearbeitet.“ EU-Ratschef Charles Michel hatte den Sondergipfel um einen Tag verlängert, um über Nacht einen neuen Kompromissvorschlag auszuarbeiten.
Am Abend hatte sich gezeigt, dass die Teilnehmer von einem Kompromiss noch weit entfernt schienen. Immerhin bewegten sich die Dinge in die richtige Richtung, sagte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Erwartungsgemäß sei es aber ein zäher Kampf. Der für zwei Tage anberaumte Gipfel hätte eigentlich am Samstag enden sollen.
Merkel und Macron gehen ergebnislos
Dass noch große Differenzen bestehen, zeigte sich, als Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron am Abend ein Treffen mit den sogenannten „Sparsamen Vier“ verließen. Zu der Gruppe unter Führung der Niederlande gehören noch Österreich, Schweden und Dänemark. „Ein paar Leute sind abgehauen“, sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Auf die Frage, ob es sich um Merkel und Macron handele, sagte er: „Ja, genau. Also haben wir heute Nacht keinen Durchbruch erreicht.“ Ihre Stimmung sei schlecht gewesen, sagte er. „Wir werden morgen weitermachen.“
Doch er ließ auch Zuversicht erkennen. „Die Tatsache, dass wir weiter reden, zeigt, dass wir alle Optimismus haben. Aber ob wir Erfolg haben, bleibt abzuwarten.“
Schon beim Auftakt der Beratungen am Freitag waren große Differenzen zwischen den 27 Mitgliedsstaaten zu Tage getreten. Es geht um ein beispielloses Finanz- und Krisenpaket von 1,85 Billionen Euro – ein teils schuldenbasiertes Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Corona-Krise von 750 Milliarden Euro in Form von Krediten und Zuschüssen für die bedürftigsten Länder sowie ein auf sieben Jahre angelegtes Budget von einer Billion Euro.
Neue Vorschläge des Gastgebers und EU-Ratspräsidenten Charles Michel vom Samstag sahen nach Angaben aus Verhandlungskreisen beim Corona-Hilfsfonds einen geringeren Anteil an Zuschüssen und einen höheren Anteil an Krediten vor – offenbar ein Entgegenkommen an die Gruppe „sparsamer“ Länder.
Umstritten sei aber weiterhin, wie das Geld nachverfolgt werde. Ein Vetorecht für einzelne Länder sei in Michels Plan nicht vorgesehen, hieß es aus Verhandlungskreisen weiter. Eine andere Gewährsperson bezeichnete die Vorschläge als ersten Schritt eines möglichen langen Wegs zu einer Einigung.
Streit um Anteile am Finanzpaket
Die Staats- und Regierungschefs haben unter anderem unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Anteile der Mitgliedsstaaten an dem Paket ausfallen sollen. Als eines der größten Hindernisse für ein Abkommen gilt die Haltung Ruttes, der dagegen ist, dass auch Zuschüsse in dem Paket enthalten sind. Die Niederlande fordern, dass das Geld an Bedingungen wie Wirtschaftsreformen geknüpft wird. Andere Länder sind strikt gegen Bedingungen. Der französische Präsident Macron hat erklärt, Europa müsse sich solidarisch zeigen, um einen Weg aus der Krise zu finden.
Zu den noch ungelösten Themen zählt laut Bundeskanzler Kurz auch die Frage, ob EU-Zahlungen an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den Mitgliedsländern geknüpft werden sollen. Ungarn hat für diesen Fall sein Veto angedroht.
Weil ein Abkommen als dringlich gilt, tagten die Teilnehmer erstmals seit Beginn der Coronavirus-Pandemie wieder persönlich.
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