Pause beim EU-Sondergipfel: Alles für die „Frugal Four“

Beim EU-Gipfel in Brüssel gerät der Gedanke der Solidarität ins Hintertreffen. Eine Einigung über die Corona-Finanzhilfen ist so vorerst nicht absehbar.

Mark Rutte steht neben Angela Merkel. Neben ihr sind von der Leyen, Giuseppe Conte, Charles Michel und Emmanuel Macron

Zumindest im Bild links: der niederländische Premierminister Mark Rutte Foto: Francisco Seco/dpa

BRÜSSEL taz | Beim EU-Finanzgipfel in Brüssel ist auch am zweiten Tag keine Einigung in Sicht. Die Beratungen über den „Wiederaufbau“ und das EU-Budget ziehen sich hin. Die belgische Premierministerin Sophie Wilmès und Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel nutzten eine Pause, um in der legendären „Maison Antoine“ Pommes essen zu gehen.

Doch die schönen Bilder, die Wilmès und Bettel aus dem sonnigen Brüsseler Europaviertel lieferten, täuschen. Im Gipfelgebäude geht es alles andere als freundlich und entspannt zu. Die „Frugal Four“, Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden, haben ihre Position verhärtet.

Vor allem der niederländische Premier Mark Rutte geht ausgesprochen brutal vor. Er werde beim Gipfel „kämpfen bis zum Umfallen“, hatte Rutte schon vor Beginn des Spitzentreffens gesagt.

Doch muss es so brutal sein wie am Freitagabend? Gipfelchef Charles Michel hatte ein Papier vorgelegt, mit dem er sich auf die “Sparsamen Vier“ zubewegt. Darin geht es um die sogenannte “Governance“ des schuldenfinanzierten Wiederaufbau-Fonds. Die Vergabe von EU-Hilfen soll an zusätzliche Bedingungen geknüpft werden, im Zweifel soll der Europäische Rat zusammentreten.

In der Praxis würden damit Hilfen für Italien, Spanien oder Frankreich unter einen General-Vorbehalt gestellt. Man würde zwar keine Troika schicken – doch auch so ließen sich Reformen erzwingen.

Abbruch wegen Veto

Doch Rutte reichte das immer noch nicht. Er fordert ein Vetorecht für sein Land – also Einstimmigkeit im Europäischen Rat. Den Haag könnte so im Alleingang einen Hilfsantrag aus Rom blockieren.

Damit brachte Rutte das Fass zum Überlaufen. Michel brach die Verhandlungen ab – denn mit dieser harten Position, die an Margaret Thatcher (“I want my money back“) erinnert, ist keine Einigung möglich.

Am Samstagmorgen fand sich Rutte dann da, wo er wohl unbedingt hinkommen wollte: im Zentrum der Aufmerksamkeit. Kanzlerin Merkel und Kommissionschefin von der Leyen bemühten sich darum, ihn gütig zu stimmen.

Nach mehreren Beratungen im kleinen Kreis legte Gipfelchef Michel schließlich einen Kompromiss vor, der eine Kürzung bei den Zuschüssen für Corona-Krisenländer vorsieht. Statt der ursprünglich geplanten 500 Milliarden Euro sollen es nur noch 450 Milliarden sein; demgegenüber könnten die Kredite von 250 auf 300 Milliarden ansteigen.

Doch Italien und andere Krisenländer wollen keine rückzahlbaren Kredite – sie brauchen Zuschüsse. Zudem sträuben sie sich gegen ein allzu strenges Reform-Regiment, wie es Rutte offenbar vorschwebt. Eigens für den Niederländer hat Michel nun auch noch eine „Super-Notbremse“ vorgeschlagen, mithilfe derer Hilfsgelder gestoppt werden könnten.

Der Gipfel bewegt sich also immer weiter auf die „Frugal Four“ zu – und immer weiter weg vom Gedanken der Solidarität. Ob man so einer Einigung näher kommt, ist jedoch weiter unklar. Die Beratungen sollten am Abend weitergehen – Ende offen.

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