EU-Beitrittskandidat Bosnien und Herzegowina: Langsam in die richtige Richtung
Bosnien und Herzegowina steht noch ein langer Weg bevor. Jetzt kommt es darauf an, dass die EU die demokratischen Kräfte in Sarajevo stärkt.
N ationalistische Töne, eine politische Elite, die das Land auseinander reißen will, und ein gelähmter Gesamtstaat: Ausgerechnet Bosnien und Herzegowina, das in seiner größten Krise seit Ende des Krieges 1995 steckt, soll nun den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Die Vertreter der Mitgliedstaaten stimmten am Dienstag einstimmig für eine Vorlage der EU-Kommission, wie es aus diplomatischen Kreisen hieß.
Doch wie soll dieses Land bloß jemals seinen Weg in die Union finden? Was wie eine furchtbare Idee klingt, ist der einzig richtige Schritt. Die EU muss Bosnien in dieser schwierigen Zeit beistehen. Dass der tatsächliche Beitritt Jahre oder Jahrzehnte dauern könnte, ist den Beteiligten bewusst. Das ist überall in der Region zu beobachten: So verhandelt Montenegro schon seit zehn Jahren mit der EU und hat noch nicht einmal die Hälfte der Kapitel abgeschlossen.
Und die Entwicklungen in Bosnien lassen vermuten, dass dem Land ein noch längerer und schwierigerer Weg bevorsteht. Denn mit Fortschritten in Sachen Reformen kann das Balkanland seit seiner Bewerbung um den Kandidatenstatus im Jahr 2016 kaum aufwarten. Problematisch sind dabei etwa Reformen des Justizwesens und des Wahlrechts.
Letzteres sorgte vor den Wahlen am 2. Oktober für Zündstoff, als insbesondere kroatische Nationalisten Druck auf den Hohen Repräsentanten Christian Schmidt, der die Friedensordnung im Land überwacht, ausübten, um ein Wahlrecht zugunsten ihrer Macht zu schaffen. Und auch der serbische Nationalistenführer Milorad Dodik droht immer wieder, die Teilrepublik Republika Srpska vom Gesamtstaat, der aus einem serbischen und einem kroatisch-bosniakischen Teilstaat besteht, zu lösen und eine eigene Armee zu gründen.
Dieses Gezerre lähmt nicht nur die Institutionen Bosniens, es ist auch brandgefährlich. Darauf muss die EU genau schauen und demokratische Kräfte in Sarajevo unterstützen, wo sie nur kann. Nachdem Brüssel den Westbalkan lange Zeit sträflich vernachlässigt hat, muss die Region zu einer Priorität werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!