EU-Behörde über Pestizid: Grünes Licht für Glyphosat

EU-Experten halten den Unkrautvernichter für unbedenklich, dabei ist sein Effekt auf die Artenvielfalt unklar. Die Ampel streitet über die Zulassung.

Ein Traktor mit Spritzmaschine sprüht Glyphosat auf dem Feld aus

Ein Landwirt bringt das Pflanzenschutzmittel Glyphosat auf einem Feld aus, Foto: Sven Simon

BERLIN taz | Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat keine wissenschaftlichen Einwände gegen eine weitere Zulassung des Pestizidwirkstoffs Glyphosat. „Bei der Bewertung der Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf die Umwelt wurden keine kritischen Pro­blembereiche festgestellt“, teilte die Efsa am Donnerstag mit. Sie räumte jedoch ein, dass sie wegen fehlender Daten mehrere Fragen unbeantwortet lassen musste.

Dazu zählt „die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen“. Die verfügbaren Informationen lassen demnach auch „keine eindeutigen Schlussfolgerungen“ dazu zu, wie der Unkrautvernichter sich auf die Artenvielfalt auswirkt. Ungewiss ist laut Efsa zudem noch, wie giftig ein bestimmter Stoff ist, der Glyphosat beigemischt wird. Klar sei bereits, dass bei 12 von 23 vorgeschlagenen Verwendungen von Glyphosat „ein hohes langfristiges Risiko für Säugetiere“ bestehe.

Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Denn mit Glyphosat gefütterte Ratten und Mäuse hatten Tumore entwickelt.

In den USA verurteilten daraufhin mehrere Gerichte einen der Hersteller, die deutsche Bayer AG, zu hohen Schadenersatzzahlungen an Kläger, die ihre Krebserkrankung auf das Mittel zurückführen. Bayer beruft sich dagegen auf mehrere Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und so auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.

„Arbeit von Dutzenden von Wissenschaftlern“

Die Efsa verließ sich in puncto Krebs auf die EU-Chemikalienbehörde (Echa). Diese hat 2022 festgestellt, dass Glyphosat nach EU-Recht nicht als krebserregender, Mutationen auslösender oder die Fortpflanzungsfähigkeit störender Stoff eingestuft werden dürfe.

Die jetzt abgeschlossene Risikobewertung sei „das Ergebnis der Arbeit von Dutzenden von Wissenschaftlern der Efsa und der Mitgliedstaaten in einem Verfahren, das sich über drei Jahre erstreckte“, so die Behörde. Sie hätten Tausende von Studien und wissenschaftlichen Artikeln analysiert.

Nun müssen EU-Staaten entscheiden, ob sie die Glyphosat-Zulassung erneuern, die am 15. Dezember abläuft. Darüber, wie Deutschland abstimmen wird, bahnt sich ein neuer Streit in der Ampelkoalition an. Das vom Grünen Cem Özdemir geführte Agrarministerium sieht auch nach dem Efsa-Bericht eine Erneuerung der Erlaubnis „als nicht gerechtfertigt an, da die Auswirkungen auf die Artenvielfalt nicht berücksichtigt werden“. Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dagegen schrieb bei Twitter: „Wer Wissenschaft und Fakten als Grundlage seiner politischen Entscheidung betrachtet, muss der Empfehlung der Efsa und der Wiederzulassung von Glyphosat zustimmen.“ Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“

Der Bayer-Konzern begrüßte, dass die Efsa erneut bestätigt habe, dass die Chemikalie „sicher und nicht krebserregend“ sowie unbedenklich für die Umwelt sei. „Das Ergebnis steht im Einklang mit den jahrzehntelangen Analysen von Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt“, teilte das Leverkusener Unternehmen mit.

„Wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“

Daniela Wannemacher, Agrarwissenschaftlerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), kritisierte, dass die Efsa „einen Freifahrtschein“ für Glyphosat ausstelle, „obwohl die Behörde selbst Daten-Lücken einräumt“. Sie negiere „die zahlreichen unabhängigen Studien, die zeigen, dass Glyphosat ein gravierendes Gesundheits- und Umweltproblem ist“.

Viele dieser Studien belegten, dass Glyphosat das Nervensystem schädigen könne und die Darmflora beeinflusse. „Immer noch gilt es als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen.“ Es verursache gravierende Schäden im Boden, im Wasser und bei Nützlingen, so Wannemacher. „Die Empfehlung der Efsa zeigt erneut, dass die europäische Pestizid-Zulassung die Gefahren für Gesundheit und Ökosystem weitgehend ignoriert.“ Dieses System müsse reformiert werden, um Mensch und Umwelt vor Risiken zu schützen und die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kündigte zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) rechtliche Schritte gegen die Zulassung in Deutschland an. Die Efsa-Bewertung widerspreche vielen wissenschaftlichen Studien, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. „Produkte mit Glyphosat dürfen nicht länger in Deutschland zugelassen werden.“

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