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EU-AußenpolitikDie EU sitzt in der Falle von US-Präsident Trump

Brüssel übt Solidarität mit Selenskyj und verhängt Sanktionen gegen Russland. Ein Friedensplan? Fehlt.

Unbequeme Zeiten für die Ukraine und die EU Foto: Nicolas Tucat/dpa

Brüssel taz | Nach den verbalen Attacken von US-Präsident Donald Trump haben sich die Europäer hinter die Ukraine und ihren Staatschef Wolodymyr Selenskyj gestellt. „Es ist schlicht falsch und gefährlich, Präsident Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Selenskyj sei in „freien und fairen Wahlen“ in sein Amt gekommen, betont die EU-Kommission.

Trump hatte Selenskyj vorgeworfen, Wahlen abzulehnen und damit ein Diktator zu sein. „Als Diktator ohne Wahlen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben“, drohte der US-Präsident. Zuvor hatte er Neuwahlen in der Ukraine gefordert. Die will auch Russland – sie könnten sogar zur Vorbedingung für einen Friedensdeal zwischen Washington und Moskau werden.

In Brüssel sieht man dies mit großer Sorge. Als Zeichen der Solidarität will die EU-Kommission am Montag – dem Jahrestag des russischen Einmarschs – nach Kyjiw reisen. Auch Ratspräsident António Costa fährt mit, um seine Unterstützung für das „heldenhafte ukrainische Volk und den demokratisch gewählten Präsidenten Selenskyj“ zu bekräftigen.

Ebenfalls am Montag wollen die EU-Außenminister neue Sanktionen gegen Russland beschließen. Sie sehen ein Verbot von Aluminiumimporten vor. Zudem werden 13 weitere russische Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift abgeschnitten. Die EU will auch gegen 73 weitere Schiffe der russischen Schattenflotte vorgehen. Dies sei auch eine Botschaft an Trump, heißt es in Brüssel.

Keinen Plan für Frieden

Allerdings fährt der Republikaner den entgegengesetzten Kurs – er will US-Sanktionen lockern, um wieder ins Geschäft mit Russland zu kommen. Käme es so, hätten die Europäer das Nachsehen. Sie könnten sogar gezwungen sein, auch ihre Strafen aufzuheben. Auf diesen Fall sind die Europäer nicht vorbereitet. Auch für eine Friedenslösung haben sie keinen Plan.

„Es gibt keine Lösung ohne die Ukraine und die EU“, heißt die offizielle Linie, die die EU-Kommission am Donnerstag bekräftigt hat. Allerdings verhandeln die USA und Russland bereits – ohne die Europäer. Zudem fehlt der EU eine Strategie. Eine zweite Runde, zu der Frankreichs Staatschef Macron am Mittwoch nach Paris geladen hatte, blieb ohne Ergebnis.

„Wir stehen an der Seite der Ukraine und werden all unsere Verantwortung wahrnehmen, um Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten“, erklärte Macron nach dem Treffen, an dem laut Élysée-Palast 19 Staaten teilnahmen. Doch wie bei einer ersten Runde am Montag gab es keine Beschlüsse. Friedenstruppen für die Ukraine? Fehlanzeige.

Unklar bleibt auch, ob und wie die EU doch noch einen Weg an den Verhandlungstisch finden könnte. Trump will sich schon bald mit Kremlchef Wladimir Putin treffen. Doch bisher hat die EU keinen Friedensplan. Zudem ist unklar, wer an einem Friedensgipfel teilnehmen könnte. Macron hat zwar das Kommando übernommen – doch eigentlich wären Costa und die Brüsseler EU-Spitzen gefragt.

Sondergipfel erst in zwei Wochen

Die offiziellen EU-Vertreter kommen jedoch nicht in die Gänge. Erst in zwei Wochen könnte ein Sondergipfel in Brüssel stattfinden, sagen EU-Diplomaten. Dann ist der Ukraine-Zug womöglich schon abgefahren. Trump ist ohne Absprache vorgeprescht und hat die Europäer mit maßlosen Zoll-Drohungen in die Enge getrieben – nun sitzen sie in der Falle und winden sich.

Dass Deutschland am Sonntag wählt, macht es nicht besser. Bis die neue Bundesregierung handlungsfähig ist, könnten Wochen vergehen. Nur bei der Aufrüstung dürfte es schnell gehen: Die EU-Kommission hat Vorschläge für mehr Waffen für Kyjiw und höhere Rüstungsausgaben in der Schublade. Sie sollen erst nach der Wahl bekannt gegeben werden.

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10 Kommentare

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  • ""Unklar bleibt, ob und wie die EU doch noch einen Weg an den Verhandlungstisch finden könnte.""



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    Was für einen Verhandlungstisch? Es ist noch nicht einmal klar ob überhaupt Verhandlungen stattfinden werden - oder Verhandlungen stattfinden sollen - geschweige denn wer daran teilnimmt.

    Diejenigen die betroffen sind und als geschundene Opfer leiden durch den brutalen Krieg, den Putin allein vom Zaun gebrochen hat, scheinen offenbar nicht dabei sein zu sollen.

    Bislang sieht das, was schrägerweise als ""Verhandlungen"" offenbar fehlinterpretiert wird als Veranstaltung der Verbrüderung zwischen Trump + Putin aus - wobei Trump die teils verlogenen und teils dämlich klingenden Verlautbarungen Putins ungeprüft übernimmt.

    Der Tenor der Verlautbarungen von Trump und Putin:



    Es sieht nach Rückzug der Amerikaner aus Europa aus - und Übergabe der Kontrollfunktion über Europa an Putin.

    Klartext:



    Solange sich kein klares Bild ergibt was in Riad stattfinden soll ist es wenig ratsam sich um einen Platz am Tisch zu bewerben.

    Demgegenüber sehen die Gespräche zwischen Russland und USA eher danach aus als das die Welt mal wieder in Einflusszonen aufgeteilt werden soll.

  • "Macron hat zwar das Kommando übernommen – doch eigentlich wären Costa und die Brüsseler EU-Spitzen gefragt."

    Macron und Stamer haben zusammen wenigstens über 500 Atomsprengköpfe. Sie werden also zu 1/10 wahrgenommen. VdL und Costa überhaupt nicht...

  • Ich wiederhole mich ungern, aber in dem massenmedialen und sozialen Herdengeblöke bleibt ja sonst nichts, wenn man kein sinnloses Massaker anrichten will.

    Friedensarbeit beginnt im Frieden, indem man darauf verzichtet, eigene Interessen durchzusetzen und ehrliche Partnerschaften aufbaut. Wer glaubt, aus einer Position (geliehener) Stärke heraus seine auf Wettbewerb basierende europäische Friedensordnung und globale Wirtschaftsordnung errichten zu können, schafft nur die Gründe für neue Kriege. Wer Wettbewerb sät, wird Widersacher ernten.

    Weder Deutschland, die EU, die USA noch die Nato hatten jemals einen Friedensplan. Sie wollten und wollen immer noch ihre Interessen durchsetzen. Pech, dass die USA das Interesse an den Juniorpartnern in EU und NATO verloren haben. Das war aber vorhersehbar und hängt nicht von Trump ab.

    • @DemokratischeZelleEins:

      zu einer ehrlichen Partnerschaft gehören aber zwei. Glauben Sie mir, ich hatte genug Partnerschaften.



      Und was Leute wie Sie nicht erkennen können - oder schlimmer, nicht wollen - ist: Putin war nie ehrlich, ist nicht ehrlich und wird und will auch nie ehrlich werden wollen.

      • @Petros:

        Aber einen Friedensplan hätte das ehemals diplomatisch orientierte Deutschland schon entwickeln oder anstoßen können.



        Stattdessen haben wir viel Zeit verloren, in dem wir den Bellzisten nach dem Mund geredet und einfach nur viele Panzer geliefert haben.



        In der irrigen Meinung, das mit Panzern alleine Frieden zu schaffen sei.

  • Es wird halt immer deutlicher. Wir brauchen endlich eine handlungsfähige europäische Regierung um als Europäer (wieder) wirkmächtig mitreden zu können. Wenn schon der oberste Außenpolitiker der EU Tage braucht um überhaupt eine Runde auf die Reihe zu kriegen, kann man sich die derzeitige Position eigentlich auch gleich sparen.

    • @vieldenker:

      Nein, Widerspruch. Die EU ist nicht fehlerfrei, aber bei weitem nicht in einer so verwerflichen Verfasstheit wie andere Länder mit ihren Regierungen!

  • Die sieht sich in der Situation das die USA uns nicht mehr schützen werden, im schlimmsten Fall sogar Grönland besetzen werden.

  • Welche Erfahrugn hat der Verfasser mit Planungen dieses Komplexitätsgrades in Krisenzeiten? Wo hat er konkret praktische Erfahrugen gesammelt? Hatte er gewarnt vor dem was kommt?



    Jeder auf der Welt ist zu Zeit von dem "geplanten" Vorgehen der Großmächte USA und Russland überfordert, denn sie zerstören gerade alles: Verbindungen, Vertrauen, Verlässlichkeit, Recht,

    Darauf eine intelligente Antwort zu geben, die auch Bestand und Wirkung hat, bei einem "moving target" dürfte ein paar Tage dauern. Die Rechner laufen sicher schon heiß!

    Es ist unsäglich einfach, zu kritisieren. Es vermittelt den Eindruck, man wüsste etwas besser. Nur raus damit. Vorschläge zur Lösung? Im Hintergund höre ich ganz leise "Staatsversagen" raunen....

    Bitte mal darüber nachdenken, welche Verantwortung man in diesen Zeiten als Journalist hat?

  • Es ist unmöglich für die EU, einen halbwegs vernünftigen Friedensplan zu entwickeln.



    Für Putin ist ein Frieden akzeptabel, wenn genügend Mehrwert (Ukraine) für ihn entsteht. Der Mehrwert für Trump ist z.B. die Entschärfung eines sehr gefährlichen Konfliktes verbunden mit einer Maßregelung der EU.



    China schaut zu und lacht hinter geschlossenen Türen.



    Ohne machtpolitische Glaubwürdigkeit wird die EU dieses „Spiel“ verlieren.



    Diese Situation auf Putin oder Trump zu schieben wäre sehr naiv…der Blick in den Spiegel reicht.